Companie-Tagebuch

Ăśbersicht

Hauptmann Ulrich Siegfried Bartolomäus Freiherr von Grafenecker zu Taggenbrunn

Tag des Hl. Saturninus im Wintermonat Anno Domini 1453

Noch vor Sonnenaufgang fand ich mich am alten herzöglichen Turney-Platz zu Karnburg ein, auf dass ich mit meinen Schwertexercitia und KörperertĂĽchtigungen nach spartanischem Ritus bis zur Morgenmesse im Dome zu Maria Saal fertig sein konnte. Mit den ersten Sonnenstrahlen begann ich meine Exercitia mit dem Schwerte zu anderthalb Hand. Es schien mir, als flöge die Klinge wie von selbstens durch die LĂĽfte. Mit geschlossenen Augen zelebrierte ich den Schwertgang nach Jerusalem und stellte mir in Gedanken vor, wie mein treues Schwert durch die Leiber der Ungläubigen glitt und einen nach dem Anderen zur Hölle schickte. Ich ward so vertieft in mein Streben jede Bewegung in absoluter Perfectio auszufĂĽhren,  dass ich erst durch das Läuten der Glocken wieder aus der Trance gerissen wurde und ich mich sputen musste, noch rechtzeitig den Kirchgang tun zu können. Als ich vor sieben Jahren mit dieser höchsten Schule der Schwertkunst begann, hätte ich nicht zu träumen gewagt, dass ich gar solche Fortschritte erringen wĂĽrde. Vor allem als mein alter Lehrmeister am Tag der Auferstehung vor drei Jahren zu unserem Herrn und GOTt gerufen wurde. Eilig gab ich meinem Pferde die Sporen und ritt zum Feldlager zurĂĽck, um mir den SchweiĂź vom Leibe zu waschen und den edlen Rock anzulegen.

Auf dem Weg zum Dome erspähte ich am Platz einiges zwielichtige Gesindel, das eine junge und hübsche Maid und ihre Amme durch loses Mundwerk belästigte. Sofort schritt ich ein – zu beschützen die Schwachen und Wehrlosen – und ohrfeigte das Pack von dannen. Die Maid bedankte sich herzlich und machte mir schöne Augen, doch ich blieb standhaft, wie es mich der arme Heinrich gelehrt hatte und entgegnete nur, dass dies eine Selbstverständlichkeit für mich sei. Ach, das lüsterne und sündige Weibsvolk denkt doch nur an das eine.
Die Predigt des Pfarrers hingegen war wieder einmal eine spirituelle Erleuchtung, und als er im Anschluss an die Messe sein Wort gegen die ungläubigen Osmanen erhob, musste ich sogleich einwerfen, dass in der Compania jederzeit neue Knechte und Mägde aufgenommen würden, um unser stolzes Kärntnerland zu verteidigen.

Bis zur Mittagsstunde war ich mit der Organisation des Nachschubs beschäftigt – die unzuverlässigen Bauern aus Projern sind mit ihren Lieferungen an Nahrung schon wieder im Rückstand – gerade in diesen Notzeiten scheinen sie nur auf ihren Vorteil bedacht zu sein. Aus diesem Grunde habe ich Provost Wittowec mit zwei Knechten losgeschickt, um denen Beine zu machen.

Nach einer kargen Vesper, mehr möchte ich mir zur Mittagszeit nicht gönnen, da heißes Essen die Sinne verdirbt und zur todsündigen Völlerei führt – sollen sich doch die Ungläubigen ihre feisten Bäuche vollschlagen – ein guter Christ fastet und stärkt so Körper und Geist.

Beim Umritt durch die umliegenden Dörfer zur Inspectio der Verteidigungsvorbereitungen musste ich feststellen, dass es mit der Moral der Dörfler nicht zum Besten steht und so mancher nicht den entsprechenden Ehrgeiz für harte Arbeit an den Tag legt: In Lind musste ich doch tatsächlich einen Knecht und eine Magd erspähen, die sich am hellichten Tage hinter einer Wehrmauer ihrer sündigen Wolllust hingaben und unkeusche Werke vollzogen. Mit der Gerte bläute ich ihr derart die Lenden, dass sie die nächsten Tage ihre Schenkel sicher nicht mehr spreizen können würde; ihn trieb ich zu seinem Herrn und verlangte, dass er die Nacht betend im Glockenturm verbringe möge und am morgigen Tage zu Schanzarbeiten im Lager abgestellt werden würde – Schanzmeister Tübein wird ihn schon Mores lehren.

Bei Sonnenuntergang kehrte ich ins Feldlager zurĂĽck und musste erkennen, dass während meiner Abwesenheit die ZĂĽgel allzu lasch gefĂĽhrt wurden: Mein guter Provost Wittowec kam volltrunken von seiner Mission zurĂĽck – er hatte sich von den Bauern mit billigem Fusel, den er mit den anderen Knechten nach seiner RĂĽckkehr vertilgte, abspeisen lassen, anstatt Brot und Speck mitzubringen – so langsam beschleicht mich das GefĂĽhl, dass irgendjemand schlechten Einfluss auf ihn ausĂĽbt, da nun schon zum wiederholten Male Zwischenfälle im Zusammenhang mit starken Getränken vorkamen. Bei meiner anschlieĂźenden gestrengen  Befragung gab Provost Wittowec an, dass er begrĂĽndeten Verdacht (göttliche Eingabe meinte er) gehabt hätte, dass in einem der Fässchen eine unheilige Mixtur eines mächtigen tĂĽrkischen Magiers wäre, die dem Behufe diene, dass alle, die davon tränken, vom wahren Glauben abfällen und Zwist und Hader unter den Menschen verteilten, um den Zusammenhalt und die Wehrhaftigkeit der Bevölkerung zu schmälern und so dem ungläubigen Feinde seine RaubzĂĽge in unser tapferes Herzogtum zu erleichtern. Eine wenig glaubwĂĽrdige Geschichte – doch die Wege des Herrn sind unergrĂĽndlich. Es wird schon seinen Grund gehabt haben, warum gerade meinem Provosten, und nicht mir, die göttliche Warnung geschickt wurde. Ein Jammer nur, dass er dann so unĂĽberlegt handelte und beschloss gemeinsam mit meinen wackeren Knechten alle Fässchen auszutrinken, um die gesuchte Mixtur zu finden. Naja, von groĂźer Klugheit gesegnet ist mein Provost ja nicht, und Pech hat er auch noch gehabt, dass sich die gesuchte Mixtur erst im letzten untersuchten Fässchen befand. Ich habe es sofort dem GroĂźinquisitor schicken lassen, auf dass es von kundiger Macht untersucht werden möge. Ebenso verordnete ich frĂĽhe Nachtruhe, damit die Knechte ihren Rausch ausschlafen können und morgen mit besonderem Mute, eingedenk ihrer heutigen Leistungen bei der Vereitelung feindlicher Umtriebe, an den umfassenden WehrĂĽbungen teilnehmen mögen.

Gelobt sei der Herr!

Tag des Hl. Markus im Brachmonat Anno Domini 1454, Vorbereitung zum Manöver

Endlich ist die Aussaat vorĂĽber, die Bauern und Knechte, die wir in den letzten Wochen regelmäßig im Formationskampf ausgebildet hatten,  haben ihre frĂĽhjährliche Arbeit beendet und das lange geplante GroĂźmanöver „Heimatwehr 1454“ kann morgen stattfinden. Mit dem Grafen habe ich vereinbart, dass seine Ritter, gerecht auf beide Seiten aufgeteilt, an der Ăśbungsschlacht teilnehmen werden, um den gemeinen Kämpfer moralisch zu unterstĂĽtzen.

Es wird einen Kärntner Abwehrkampf geben: etwa 300 Hirten und Knechte vom sĂĽdlichen Zollfeld werden die TĂĽrken mimen und in Reiterkavalkaden, ähnlich den cheveauchĂ©es König Eduards III. von England, das Zollfeld angreifen, das von 550 FuĂźknechten (den Soldknechten sowie Bauern und Knechten vom nördlichen Zollfeld) verteidigt wird. Mein ungarischer Kamerad aus alten Tagen, Peter Hunyadi, seine Vorfahren kämpften bei den Kumanen König LadislausÂ’ mit König Rudolf gegen den böhmischen Königs Přemysl Ottokar bei DĂĽrnkrut, wird unsere „TĂĽrken“ befehligen, weil er mit ihrem Reiterkampf sehr vertraut ist. Das Oberkommando ĂĽber die Verteidigung hingegen obliegt mir. Ich habe mir in den letzten Tagen einen erfolgverheiĂźenden Schlachtplan ĂĽberlegt, mit dem wir den „Feind“ ausmanövrieren und anschlieĂźend mit geballter Macht zerschmettern können. Da meine FuĂźknechte den berittenen BogenschĂĽtzen an Geschwindigkeit und Beweglichkeit weit unterlegen sind, werden wir uns nicht in der Ebene dem Feind zur offenen Feldschlacht stellen, sondern nur die befestigten Gutshöfe verteidigen und ihn dann in die HĂĽgel bei Karnburg locken, wo ein Hinterhalt vorbereitet ist. Die Fratn ist nur von zwei Seiten zugänglich, unten in der Ebene und oben am HĂĽgel, wo wir die GeflĂĽchteten und deren Hab und Gut untergebracht haben. Das obige Ende wird mit Barrikaden versperrt, an den Flanken werden ArmbrustschĂĽtzen zwischen den Bäumen positioniert und die „TĂĽrken“ werden, sobald sie in der Falle sitzen, von zwei Karrees LangspieĂźern – wie die Eidgenossen sie haben – eines von oben, eines von unten, in die Zange genommen und im Nahkampf zerrieben werden.

Sollte sich der Feind nicht locken lassen, wird ein Karree, unter meinem Kommando – das wird sie sicher zu einem Angriff verleiten, in die Ebene hinausstoĂźen und dort als Köder dienen. Langsam soll es sich, wobei die Formation dicht geschlossen bleiben muss, zu den Wäldern zurĂĽcktreiben lassen und dann eine Scheinflucht auf den HĂĽgel antreten. Die verfolgenden „TĂĽrken“ werden dann von den versteckten ArmbrustschĂĽtzen beschossen und  hangabwärts vom obigen Karree, das mein Feldwaibel Gamaret kommandieren wird, angegriffen werden. Die restlichen Soldknechte fungieren als UnterfĂĽhrer in den Formationen bzw. der ArmbrustschĂĽtzen. Mit dieser Taktik sollten wir den Sieg gewiss erlangen können!

Zur Schonung der Streitkräfte wurden von den Langspießen die Eisenspitzen entfernt, die Pfeil- und Bolzenspitzen wurden mit Stoff umwickelt und die Ritter kämpfen mit Übungswaffen. Die Masse der Streiter verfügt nur über ihre übliche dicke Lederkleidung und einige Gambesons, doch das wird ausreichen – sie haben ja auch nicht mehr – um die Zahl der Verletzten gering zu halten. Unser Feldscher, der alte Kurpfuscher, freut sich schon auf die Arbeit, aber komischerweise scheint sich auch Mardachs, der Totengräber, dieses Wiesel, irgendwie auf das Manöver zu freuen, er schlich schon die letzten Tage mit einem hinterhältigen, versteckten Grinsen durch die Gegend ... Am Abend nach der „Schlacht“ wird es einen Festgottesdienst im Dom und eine gemeinsame Siegesfeier im Lager der Soldknechte bei Maria Saal geben.

Ich freue mich schon, dem Herzog von unserem Sieg berichten zu dĂĽrfen und zu  konstatieren, dass Kärnten fĂĽrderhin gegen TĂĽrkeneinfälle gewappnet sein wird! Ja, Kärnten, die eherne Wehr im SĂĽden des Reiches, Bollwerk gegen die Ungläubigen, Carantania, die Unbezwingbare!
Wie sagte Vegetius so treffend: Völker sind im Räderwerk langwieriger Fehden zermahlen oder auf dem Amboss einer einzigen furchtbaren Schlacht zermalmt worden, und was gewesen ist, wird immer wieder sein; das lehrt der ewige Kreislauf der Historie.
Wir sind bereit, keinen Feind fürchten wir und auf immerdar wir das Kärntner Volk bestehen bleiben!

Gelobt sei der Herr!

Feldwaibel Gamaret "Wurfaxt" Lyndecker

Tag des Hl. Saturninus im Wintermonat Anno Domini 1453

Bäh! Beschissener Morgen, denk ich mir und mach die Augen auf. Schon wieder bin ich viel zu frĂĽh aufgewacht, der bekloppte Hauptmann macht Lärm im Zelt, kramt in seiner Kiste. Ich frag ihn erst gar nicht, was der Unfug soll, um mir ein elend langes Gerede zu ersparen. „Morgen“ sag ich der Höflichkeit halber, „Ihr seid aber frĂĽh wach Herr Hauptmann“ murmel ich. Motiviert blickt er zu mir und antwortet viel zu laut „ Ha! Guten Morgen mein getreuer Feldwaibel! Ich bin schon lange wach, schlieĂźlich gibt es wie immer einiges zu tun!“. „Sicher, sicher ...“ sag ich und versichere ihm was fĂĽr ein toller Hauptmann er doch sei. „HA! NatĂĽrlich, ich bin froh, dass du meine BemĂĽhungen zu schätzen weiĂźt! Das freut mich!“ Er fragt mich ob ich ihn nicht zu seinen Schwertexercitia und  den KörperertĂĽchtigungen begleiten möchte. Ich lehne dankend ab und erzähl ihm was von wegen Pflichten hier im Lager. „Ausgezeichnet! Der Feldwaibel muss mit einem guten Beispiel voran gehen!“ sagt er und verlässt das Zelt. Irgendwann schneid ich dem die Kehle durch, der hat doch nen Schatten denk ich mir und setz mich auf.

Nach einiger Zeit hab ich mich schlieĂźlich gefasst und ich raffe mich auf, geh durch das Lager. Erbärmlich wie Hemml mit seinem dummen Köter da am Lagerfeuer kauert. Es ist fast rĂĽhrend wie sich der Flohfänger an ihn schmiegt und ich verharre einen Augenblick bei den Beiden. Ich bin mir nicht ganz sicher wer dĂĽmmer aussieht, der versoffene Provost oder sein feiger Köter. Irgendwann schneid ich ihm seine Kehle durch, ihm und seinem feigen Köter. Angewidert von dem Anblick wende ich mich ab und  schlendere weiter. Weg von dem stinkigen Lager und den Narren die dort noch selig in ihrer Torheit schlummern.

Allein im Wald setz ich mich erst mal hin und atme tief durch, was für ein beschissener Tag, denk ich mir und stopf erst mal die Pfeife. Der Rauch schmeichelt der Kehle und wärmt den abgekühlten Körper von innen her auf. „Ah, das tut gut“ sag ich zu mir selbst und mach mich auf den Rückweg zum Lager.

Dort angekommen schau ich mich um und bemerke das der Provost und sein Köter verschwunden sind, dafür steht Syml mit einem Humpen in der Hand am Lagerfeuer. Ich stell mich dazu und wir reden über das gestrige Gelage. Wir lästern, trinken und hecken Grausamkeiten gegen den dummen Köter aus. Manchmal glaub ich, dass Syml der einzig Normale in dem ganzen dreckigen Haufen ist. Er säuft und redet wie ein Kerl und was noch wichtiger ist, er flucht! Ich vertraue keinem, der nicht flucht, denn ein Mensch der nicht flucht, mit dem stimmt was nicht.

Doch er hat jetzt schon das dritte Mal beim Messerwerfen gewonnen. Ich komm irgendwie nicht damit klar und meine Laune verschlechtert zusehends. Und dann noch seine rotzfrechen Kommentare und sein ĂĽberhebliches Grinsen. Irgendwann schneid ich ihm die Kehle durch, denk ich und lass mir meinen Unmut nicht anmerken.

Ich konzentriere mich, halte kurz inne und werfe ... voll daneben. Syml grinst, die Neuen und der Koch lachen laut auf. Scheinbar haben sie uns schon länger beobachtet. Arschlöcher, irgendwann schneid ich ihnen die Kehle durch, denk ich und mach mich daran das verschossene Messer im Schnee zu suchen.

Hemmel ist jetzt scheinbar aufgewacht und markiert bei den neuen den Dicken. Syml und ich kennen das schon von ihm, müssen aber trotzdem beide schmunzeln. Veit, Flink und der Feldscher sind jetzt auch aufgewacht und gesellen sich dazu. Flink hält sich heute mal wieder für besonders witzig und langweilt alle mit seinen kleinen Kunststückchen. Verdrossen von dem Schauspiel schweige ich und denk daran ihm irgendwann die Kehle durchzuschneiden. Ich trinke einfach mehr um das durchzustehen.

Ich bin jetzt schon ordentlich besoffen und plötzlich ist alles gar nicht mehr so schlimm, wärmer ist es scheinbar auch geworden, obwohl es schon dunkel wird. Ich setz mich mit Veit zu den hässlichen Weibern aus dem Dorf und beschlieĂźe heute einen vergnĂĽglichen Abend in der Scheune mit ihnen zu verbringen. Es dauert nicht lange und schon er ist damit beschäftigt sie abzufĂĽllen. Immer wieder wirft er mir einen siegessicheren  Blick zu und ich muss ob der Einfalt der Weiber schmunzeln.

Syml und Hemml singen stockbesoffen Lieder und der Koch schläft am Tisch. Wo Flink unterwegs ist will der Feldscher von mir wissen. „Keine Ahnung wo der sich wieder rumtreibt“ und frag mich, ob er mich mit der Frage wohl provozieren will. Würd dem Kerl am liebsten hier und jetzt die Kehle durchschneiden, doch ich musste die Erfahrung machen das sowas bei den anderen Knechen nicht besonders gut ankommt, also lass ich es bleiben und trink lieber noch was. Kurz danach nicke ich ein.

Als ich aufwache sind die meisten verschwunden. Hemml schläft neben mir am Tisch und Syml grinst mich unverschämt besoffen an und reist Witze über uns alle, da wir laut ihm „NICHTS vertragen und Mädchen sind.“ Gottverdammt hat der Kerl alleine durchgehalten und weitergetrunken? Obwohl ich ihn jetzt schon lange kenne, bin ich immer wieder erstaunt über seine Trinkfestigkeit. Was mir jedoch noch mehr stinkt, ist der Fakt, dass sich Veit alleine mit den Weibern aus dem Staub gemacht hat, während ich mir meine wohlverdiente Ruhe gegönnt habe.

Nicht schon wieder! „Irgendwann schneid ich ihm die Kehle durch!“, sag ich zu Syml und mach mich auf den Weg zum Zelt bevor der Hauptmann hier aufkreuzt. Ich will mit der ganzen Sache nichts zu tun haben und war gänzlich unbeteiligt an dem Treiben im Lager. Ich deck mich zu und schließe meine Augen. Ein Seufzen kommt über meine Lippen. War ein richtiger Scheiss-Tag, denk ich mir und schlaf ein.

Provost Hemml Wittowec

Tag des Hl. Saturninus im Wintermonat Anno Domini 1453

Na Tage gibt’s da denk der einfache Söldner, wie ich es bin er ist nicht ganz klar im Kopfe. Da denkt er die Sau hat gefurzt. Na da steht die Welt am Kopf. Anfangen will ich am Besten am Anfang. Ja genau, am Anfang, des is des Beste.

Also, frĂĽh morgens Â…

Es dämmert grad, I lieg beim Lagerfeuer, des glüht noch a bissl, mei Schädel brummt, war wohl doch n Humpn zviel letzte Nacht. Kann mi nit erinnern. Steh auf, kratz mi am Schädel und schau mi verwirrt um, da Hund is de Nacht neben mir glegen, des feige Viech, getraut sich ja sonst nirgends hin, weil der vom Gauglerhof ihn ja de ganze Zeit haut. Jetzt schaut er mi schon wieder so an, mit seine feigen Augn. Da muss i immer grinsen. Na eigentlich is er ja a Liaber. Tät mi a zu ihm runterbückn und ihn streichln, wenn ma nit grad so schwindlig und schlecht wär.

„ ... WITTOWEC“, die Stimm vom Hauptmann „SO EINEN EINSATZ LOBE ICH MIR, NOCH VOR SONNENAUFGANG WACH UND SOFORT NACH DEM RECHTEN SEHN“. Da steht er a schon vor mir, der Hauptmann, I schau ihn nur verwirrt an und sag: „JAWOHL, SO WIE SICH DAS GEHĂ–RT HERR HAUPTMANN!“ Hoffentlich merkt er s nit dass i nach Fusel stink. Richt  schnell meine Haar und zupf mei Gwand zrecht und streng mi an grad zu stehn während er was von wichtigen Aufgaben redet, in meine Hände, das Lager, die andern Knechte. I hör ihm garnit richtig zu, schau runter zum Hund, wie der schon wieder schaut. „... WITTOWEC, IHR SEID EIN GUTER MANN, AUF EUCH KANN MAN SICH VERLASSEN“, sagt er „EIN PFUNDSKERL“ meint er, dass ich einer bin. „SORGT MIR WĂ„HREND MEINER ABWESENHEIT“ er ritt ja in die Kirchn, oder sonst wo hin, also „SORGET MIR DAFĂśR, DASS JEDER EINZELNE SOLDKNECHT SEINEN DIENST UND SEINE PFLICHT IM LAGER ERFĂśLLT, DASS JEDER DEN EXERCITIA NACHGEHT, DIE WACHEN AUFGESTELLT, DIE FEUER, KEINE UNSITTE, …“ na da hat er noch so einigs gsagt was i mir nit gmerkt hab, und was a gar nit so wichtig is, i kenn mi ja aus, auf jeden Fall, soll i halt schaun dass vorn und hintn alls passt im Lager. „WEITERS SORGET MIR PERSĂ–NLICH DAFĂśR, DASS UNSER LAGER REICHLICHST MIT BRENNHOLZ UND PROVIANT VERSORGT IST“, und da denk i ma doch - was? warum denn i Â… Provost bin i vom Rang, und a Provost der braucht doch sowas nit tun, der braucht nur die andern schicken, ha genau, I werd einfach den Gamaret schicken. I war ja am Hof vom Vater schon immer zfaul, deswegn bin i ja a gangen, weils viel zu anstrengend war de verdammte Arbeit als Bauer. Und als Provost kann i s mir gut gehen lassen. AuĂźerdem gehtÂ’s mir nit so gut heut, tät mi am liebsten wieder niederlegen, des mach i dann, wenn der Hauptmann weg is. „ALSO PROVOST WITTOWEC, DAS LAGER IN EURER HAND, GEGEN ABEND KEHRE ICH ZURĂśCK“, sagt er noch zu mir, dann dreht er sich schon um, schwingt sich auf sei Pferd, und is schon weg.

Der Hund, wie der schon wieder schaut, tät gern wissen was der denk, nix wahrscheinlich, dumm wie der is, dumm wie Stroh. I grins kurz, gähn dann und beweg mi ins Zelt. Wie´s in dem Zelt schon wieder ausschaut, überall Zeugs, der Vom Gauglerhof is a Dreckssau, liegt da und schlaft, am liebsten tät i ihn treten, wie der immer den Hund tritt. Aber jetzt bin i nur müd, und wenn der des darf, dann darf i des a. Schlafen. Bin ja der Provost. Schiab a bissl was von dem Zeugs zur Seiten und leg mi nieder, nur für a kurze Zeit. Schau dann noch den Hund an, feiges Viech, steht beim Zelteingang und schaut abwechselnd den Gauglerhof und dann mi an. Traut sich wohl nit einer. Mit am Grinser schlaf i ein.

Als I dann aufwach, de Kopfschmerzn nit besser, der Gauglerhof weg und da Hund wieder mal neben mir. Steh auf, schnall mir mei Schwert um und geh mal raus aus m Zelt. Schon verdammt hell, fast schon zu hell für meine Augen, dürft Mittag sein, denk i mir, Kratz mi am Kopf und schau mi mal um. De ganze Truppn lungert um a paar Tische rum, Trommelei, Flötespiel, Gelächter, Gschrei, da Veit wieder mal bei de Weiber, a paar neue aus dem Dorf. A paar Fässer stehn da, und was da drin is, kann i ma schon denken. Billigster Fusel. Der Gamaret steht da mit m Gauglerhof, Messerwerfen, und beide ham da an Humpen in der Hand, aus dem sie eifrigst um de Wett trinken., unser neuer Feldscher liegt schon beim Baum, und schläft, für den wars wohl schon zviel heut. Und würfeln tun sie, um des bissl Sold was se verdienen, dass wenigstens einer von de schirchen Hund ins Dorf, zu de Huren gehen kann. Da Koch, der Tregenreuter, steht beim Feuer und richt grad was an.

I geh nur rüber zu de Leut, da Gamaret und da Gauglerhof grinsen mi an, trinken weiter, de wissen was jetzt kommt. I stell mi zum Tisch, richt mi zu voller Größe auf und schau de Leut an, streng, unzufrieden, ernst. De Musik hört auf. De drei Neuen aus m Dorf, schaun mi ängstlich an. De wissen ganz genau dass Glückspiel und Alkohol im Lager verboten is. Und de wissen a, dass i als Provost zuständig bin, dass sowas nit vorkommt. „SOSO“ sag i nur, ernst, mach a Pause und schau ihnen dabei in de Augen. Stille, wie de sich anscheissn, des machen de Neuen immer. Da Gamaret und da Gauglerhof grinsen no immer. „GLÜCKSPIEL, ALKOHOL, UND WEIBER AUS DEM DORF“, i weiß ganz genau, dass mir der strenge Ton nit liegt, und jeder der mi kennt kann dabei nur grinsen. Aber die Neuen sind schon ganz bleich. „KEINE DISZIPLIN, UNSITTE IN UNSEREM LAGER … UND ICH HEMML NICHT DABEI“, jetzt muss i auch grinsen, der Gauglerhof reicht ma an Humpen.

I heb ihn an und sag „ALS PROVOST ERKLĂ„R ICH DEN FUSELAUSSCHANK  FĂśR ERĂ–FFNET“, schlieĂźlich bin i ja Provost, und des is eine von meine Aufgaben. Leere den Humpen, merk schon dass des Kopfweh besser wird, und dass es bei dem einen Humpen nit bleiben wird, Musik setzt wieder ein.

Gesell mich zu den anderen, spiel eifrigst mit, vielleicht kann ja i zu de Huren. Was soll ma denn sonst mit m Sold. NatĂĽrlich hab i nit gwonnen, was solls, is eh immer das gleiche, dafĂĽr hab i umso mehr getrunken.

Da Veit is dann irgendwann verschwundn, wann des weiß i nicht mehr so genau, die Weiber aus m Dorf auch, und die Fässer warn dann a irgendwann leer, wo de überhaupt her warn? Und wir alle warn betrunken, und irgendwann is es dann dunkel gworden. Und da is es mir dann wieder eingfalln, des mit dem Hauptmann, und da hab i dann noch schnell zu de Leut gsagt von wegen Brennholz, Proviant, Wachen, Feuer, Sitte, Pflicht … nur i glaub de haben mich nit so recht verstanden, oder wollten sie mi nit verstehn. Naja, ich meine Plicht erfüllt, Aufgaben an Soldknechte verteilt, schlief dann seelenruhig am Tisch ein, der Hund am Boden neben mir.

„PROVOST WITTOWEC!“, de Stimm vom Hauptmann, der steht vor mir, i lieg noch leicht seitlich beim Tisch, richt mi auf schau mi um „SAPPERLOTT - ALSO ICH MUSS MICH DOCH SEHR WUNDERN“, alles is still, dunkel is es, I stink nach Alkohol, de Fässer und Humpen liegen noch rum, der Gamaret liegt jetzt beim Baum, neben dem Feldscher, aber des Lagerfeuer brennt und da Gauglerhof steht mitm Spieß Wache. Des is gut denk i ma, auf den is verlass. „WAS BEI DER JUNGFRAU MARIA IST HIER VORGEFALLEN, PROVOST WITTOWEC?“, mei Kopf schmerzt. Hab eigentlich gar ka Lust ihm zu antworten, wüßt auch nicht was, am liebsten tät ich mich niederlegen. „WITTOWEC?“, seh den Koch und de drei neuen, sind beim Lagerfeuer eingschlafn, und irgendwer liegt noch beim Stroh für die Pferde. Kratz mich am Kopf und schau dann den Hauptmann an. Sieht ziemlich erzürnt aus. „WILL ER MIR NICHT ANTWORTEN, PROVOST WITTOWEC?“, da kommt dann der Gauglerhof mit m Spies, der erzählt m Hauptmann irgendwas von wegen, ich meine Pflicht erfüllen wollen, Bauer mit Fusel, Hör garnicht richtig zu, unheilige Mixtur von einem türkischen Magier, alle die trinken vom Glauben abfallen, Zwist und Hader unter den Menschen. Hat ne ganze Weile auf n Hauptmann eingredet, des is schon a Teufelskerl der Gauglerhof, lügt dass sich de Balken biegen. Also der Hauptmann schaut mi dann nur verwirrt an und sagt: „PROVOST WITTOWEC; ENTSPRICHT DIES DER WAHRHEIT?“, I kratz mi am Kopf und nick, worauf der Hauptmann irgendwas von morgen sagt und im Zelt verschwindet.

I schau den Gauglerhof an, der grinst, i schĂĽttel nur den Kopf. Der hat was gut bei mir, denk i mir und schau runter zum Hund, wie der mi schon wieder anschaut, des dumme Vieh. Beweg mi dann ins Zelt, wie s da schon wieder ausschaut, der Gauglerhof de verdammte Dreckssau, ĂĽberall Zeugs, irgendwann sollt i ihn haun, denk i mir, wie er immer den Hund haut, aber jetzt bin i nur mĂĽd, und wenn de andern des dĂĽrfen dann darf i des a - schlafen.

Tag der Hl. Paulina im Lenzmonat Anno Domini 1454, Fest bei den Getreuen zu Greifensteig

„Nun Männer, Soldknechte, dass ich mich nicht euretwegen schämen muss, bei der gebenedeiten Jungfrau, das sind gepflegte Gesellen diese Greifensteiger und es wird bestimmt auch so manches andere noble Volke auf dem Schlosse Limberg anwesend sein, also zügelt eure Trunksucht, beherrscht eure Triebe, bedenket eure Taten, machet der Compania alle Ehre ...“

 Na was der scho wieder fĂĽrn Schaas erzählt, geht da vorne an der Spitzn von der Truppn, na klan is der vielleicht, und hört nit auf zu reden der Hauptmann, a komischer Kerl der, aber von Stand. Merken tuat a a nit des i und der Tregenreuter scho wieder an Sitzen ham, aber des Bier is ja wirklich zu gut, und was sollst n sonst tuan wennst den halben Tag in der Gegend ummakutscht. Jetzt kommt der Syml schon wieder her zum Wagen, schaut kurz ob der Hauptmann nix merkt, na der merkt nix, und schnappt sich an Weinschlauch, der hat heut a scho so einiges getrunken, so schaut er ja a aus, naja eigentlich send ja schon wieder alle von der Truppn so richtig beduselt. Nur de Rosemarie und der Frowin, de gehen a bissl abseits und redn ĂĽber irgendwelche handwerklichen Techniken, komisches Zeugs halt wos a anfacher Soldknecht wie i einer bin garnit wissen muss und will, nur der Gamaret geht schweigend neben denen her, der scheint da a bissl zu lauschen, den intressiert so was anscheinend, aber er is ja a Feldwaibel.

„A verdammte Scheisse Tregenreuter, kannst nit aufpassen“, der fahrt vielleicht an Scheiss zam der Koch, schon wieder in a Loch eine. Und jetzt hab i ma a noch mei Hand anghaut, aber de Straßen is vielleicht a Dreck, dass ma sowas überhaupt Strassn schipft, überall Löcher, Gatsch und Schnee. Der Tregenreuter schaut mi nur an und grinst, die Zügel hat er sowieso nit in der Hand, weil mit der muss er ja sein Humpen halten und die Pferd werden schon von allein gehn. An seinen Augen seh i dass er schon wieder angsoffen is … oder noch immer?

 Â„Eiserne Disziplin, Kampfgeist, PflichterfĂĽllung, Selbstbeherrschung, unerschĂĽtterlicher Glaube an unseren Allmächtigen und waffentechnisches Können – das ist es, was in unserer Söldnertruppe und jedem einzelnen Knechte erstrebenswert ist. Weiters erscheint mir wichtig eine gepflegte Umgangsweise, nun man sollte auch so einiges an Wissen haben, des Lateins sich bemächtigen, der Mathematik, der Lehren des Polybios und Vegetius …“

 Des is vielleicht a komischer, weltfremder Kerl unser Hauptmann, i muss grinsen, wie der da vorne marschiert und uns irgend nen Schwachsinn zu predigen versucht, und hinten laufen die Leut zum Wagen her und holen sich Bier falls ihres leer is, na und i und der Tregenreuter sitzen direkt bei der Quelle, des kann nit gut gehen denk i mir.

Nun, weit kann es nicht mehr sein bis zum Schlösschen Limberg, das kleine Örtchen Schwanberg, das laut Wegbeschreibung ganz in der Nähe liegen soll, haben wir schon passiert. Also is es auch nicht mehr weit bis zu einem beheiztem Festsaal voller gut gelaunter Gäste, einem Festmahl von mehreren Gängen, und einer Sauferei die sich gewaschen hat. Die Gedanken an einen heiteren Abend vertreiben mir die Kälte aus den Gliedern und zaubern mir ein Lächeln auf die Lippen. Nur schad, dass der Flink noch immer nit von der Taggenbrunn zrück is, jetzt is der schon fast ne Wochn weg, einen Tag hat er gmeint dass er brauchen wird, na und wo is er jetzt. Der Frowin hat´s an nem halben Tag gschafft der Teufelskerl, und ich hab mir mit den Wetten gutes Geld verdient.

 Â„Nun seht euch dieses kleine, wehrhafte Schlösschen zu unserer Rechten an, da könnte ein Heer von tausenden und zigtausenden Osmanen anstĂĽrmen und wir wĂĽrden es mit Leichtigkeit Jahrzehnte halten, natĂĽrlich nicht vergleichbar mit unserer guten Taggenbrunn, mit ihren vier gewaltigen WehrtĂĽrmen, einer besseren strategischen Lage, massiven Vorwerken, höheren Mauern, durchdachterer …“

 Ich seh mir des kleine Schlösschen an, ein kleines Schlösschen eben, aber der Hauptmann scheint recht begeistert zu sein. Nun gefallen tuts mir auch, weil ich ganz genau weiĂź, dass es am heutigen Abend und Nacht da drin noch anständig zur Sache gehen wird. Ich stoĂź den Tregenreuter an und der lässt seinen Humpen hinterm Kutschbock verschwinden, ich mach´s ihm nach und auch die anderen kommen einer nach dem anderen und lassen ihre Trinkgefäße verschwinden. Was jetzt kommen wird is mir klar, Truppeninspektion durch den Hauptmann, schlieĂźlich wollen wir ja kein schlechtes Bild abgeben, wenn wir schon einmal zu einem Feste geladen sind, wo so viel hochgeborenes Volke anwesend ist. Ach Quatsch.

Tag der Hl. Mathilde, dritter Fastensonntag im Lenzmonat Anno Domini 1454, In den SĂĽden

Aufgezeichnet von einem Gefährten des Botenläufers und Lagerschelms Flink Rosenkreuzer. Einer Person, die niemals von seiner Seite weicht, des Lesens und Schreibens mächtig ist und die Gedanken und Erfahrungen des Mitglieds der Soldknechte schildert.

So, dass muss jetzt aber SĂĽden sein, oder vielleicht doch nicht? Ăśberall nur Wald, Bäume und Pflanzen ... ob ich mich tatsächlich verirrt habe? Nein, nein, die Orientierung hat man erst verloren wenn man zugibt, dass man sie verloren hat. Irgendwann komme ich bestimmt wieder zu einer Stadt oder zu einem Ort, oder zu einer Strasse oder Weg, oder irgend etwas was mir bekannt vorkommt. Gut, dass mir der Schanzmeister Syml den Tipp gegeben hat immer nach SĂĽden zu laufen. Wenn man sich verirrt, dann soll man ein Bein vor das andere setzen und einfach immer gen SĂĽden marschieren, waren seine Worte im Morgengrauen.  

Jaja, seit dem Morgengrauen bin ich schon unterwegs. Kurz vor Sonnenaufgang verließ ich Clagenfurtz (oder wie der Ort heißt) und ließ die angetrunken Soldknechte hinter mir. „Flink, du schaffst es sicher nicht, von hier aus in einem Tag auf die Taggenbrunn und wieder zurück zu laufen“, posaunte unser Provost Wittowec mit einem breiten Grinsen am gestrigen Abend. „Unser Gaukler Frowin hat das nämlich geschafft!?“ „Na was der schafft, schaffe ich doch mit verbundenen Augen“, trällerte ich voller Vorfreude, endlich unseren Gaukler in einer Disziplin schlagen zu können. Frowin ist mir ja schon lange ein Dorn im Auge. Der glaubt wohl, dass er alles besser könnte als ich. Einmal wird der Tag schon kommen, an dem ich ihn besiege und ich glaube, die Zeit ist jetzt reif. Jeder weiß doch, dass ich schneller laufen kann als jeder andere. Flink, der „flotte Blitz“ hat man mich damals genannt, als ich, hmmm ... wie hieß der Ort noch gleich, das Dörfchen mit L im..., na oder war es doch mit K ... naja ist ja jetzt auch egal, das ist die Vergangenheit. „Die Wette steht“, gab ich zuversichtlich von mir und sprang bereits von einem Bein auf das andere um mich aufzuwärmen. Sofort versammelten sich die anwesenden Soldknechte um das Feuer und warfen Heller in Hemmls übergrossen Helm – „Die Wetteinsaetze bitte.“ Wenn es ums Wetten und Trinken geht, da sind meine Kameraden von den Soldknechten einfach nicht zu bremsen. Naja, eigentlich kennen sie beim Dreschen, Plündern und Brandschatzen auch kein Halt, aber ich bin mal gespannt, wer bei dieser Wette auf mich setzt: Jaja, dass hab ich mir gedacht: Syml und Gamaret setzten natürlich gegen mich. Unser Feldwaibel blickt mir noch grimmig in die Augen, wiegt seinen Heller in der Hand und wirft ihn Richtung Helm. Sein Blick bleibt dabei eiskalt auf mich gerichtet. Wenn Blicke töten könnten ... Ich grinse ihn aber nur breit an und sage langsam: „Daneben.“ „Wos, wos, wos“, Gamaret blickt auf den Heller, der eine Elle neben Hemmls Helm liegt. Mein Grinsen sprengt beinahe meine Wangen und auch die übrigen Soldknechte können sich einen herzhaften Lacher nicht verkneifen. Vor allem unser Schanzmeister Syml bricht fast auseinander und deutet nach Luft schnappend auf den Feldwaibel: „Du Versager du! Also ich setzte meinen Heller auf den Flink. Der Botenläufer und ich haben schon so einiges miteinander erlebt und die Welt bereist, solange er sich nicht verirrt, ist er sicherlich schneller als Frowin!?“ Das ist der Schanzmeister den ich kenne. Mit ihm bin ich schon auf so vielen Plätzen dieser Welt gewesen, so wie an dem Ort am Meer, das ist in ... ähhmm ... is ja egal, aber wir waren auf jeden Fall auch schon in ... no ... wie heißt die große Stadt in der wir uns verirrt haben ... irgendwas mit M oder C ...

Als Gamaret seinen Heller aufhebt und endlich im Helm versenkt, bemerke ich auch einen Grinser in seiner Visage. Auch er muss über seine Unfähigkeit lachen und zeigt Humor. Das ist der Feldwaibel, den ich zu schätzen gelernt habe und der hin und wieder sogar einen ähnlichen Humor wie ich besitzt. Leider ist der Hauptmann nicht am Lagerfeuer, der hätte sicherlich auch auf mich gesetzt. Er vertraut nämlich seinen Knechten. Dafür setzt unser Fähnrich Veit auf Frowin und legt sich dann gleich wieder zu den beiden Damen, die er heute zu Besuch hat, aufs Stroh. Im Gegenzug lassen unser Companie-Feldscher Maximilian - der gerade unseren Koch Michael verbindet, der sich beim letzten Kampf wieder einmal verletzt hat - und der Koch selbst, keinen Zweifel in mir aufkommen. Sie glauben an mich und werfen einen Heller ihres Soldes in den zerbeulten, rostigen Helm. Fiona und Felicitas halten nichts vom Wetten. Beide Cantinjeren blicken nur kurz auf und vertiefen sich dann wieder in ihre Schneiderei. Es sind noch so einige Hosen zu nähen.

Jaja, ich bin bereit, ich kann es kaum mehr erwarten. Noch einmal ziehe ich meine Hose hinauf, aufgewärmt bin ich, beide Schuhe habe ich an, brauch ich sonst noch was? „Na dann laufÂ’ endlich los, .. hicks“, grölt Hemml stockbesoffen im Morgengrauen. Er musste im Auftrag des Hauptmanns die ganze Nacht ĂĽber irgendwelche Bier- oder Weinfässer verkosten. „Auf nimmer Wiedersehen“, jault Gamaret auf, der mit zunehmender Stunde und Alkoholkonsum immer glĂĽcklicher wurde. „Wenn du dich verirrst, dann setze ein Bein vor das andere und marschiere einfach immer gen SĂĽden“, brĂĽllt Syml mit seinem lauten Organ mir nach. Jetzt kann ich ihm fĂĽr diesen Rat gar nicht genug danken. Ich werfe noch einen letzten Blick zu ihm zurĂĽck, doch er ist gerade mit voller Wucht von der Bierbank gekippt und hinter dem Tisch verschwunden. Auch der Schanzmeister hatte sich wieder einmal „weggesprengt“.  

Jaja, dass muss SĂĽden sein. Wie ging der Spruch mit den Himmelsrichtungen noch gleich: Nicht Ohne Sonne Wandern ... oder war es Nie Ohne Seife Wandern? Auf jeden Fall beginnt es mit N und N steht fĂĽr Norden. Und jeder weiĂź doch, dass Norden immer oben ist. „Auf jeder Karte ist Norden oben“, hat der Hauptmann einmal gesagt. Ich merke mir nämlich die Dinge die unser Hauptmann sagt. Bin ja nicht umsonst der Botenläufer der Truppe. Ich blicke zum Himmel: das ist also Norden. Endlich habe ich es kapiert. Da ich jetzt bergab laufe, bedeutet das, dass ich gen SĂĽden laufe. Es ist doch so einfach. Ich Dummkopf komme erst jetzt drauf, wie einfach die Welt aufgebaut ist. Den ganzen Tag habe ich mir den Kopf zerbrochen ĂĽber alle möglichen Probleme: Ist die Welt eine Scheibe oder ein Viereck? Warum wächst man als Kind mehr als als Erwachsener? Warum gibt es fliegende Fische, aber keine fliegenden Menschen? Antworten auf diese Fragen erhält man einfach nur bei einem Waldlauf wie diesen hier. Ich kann es kaum mehr erwarten den restlichen Soldknechten zu erzählen, auf was ich alles draufgekommen bin. Die werden vielleicht Augen machen. Zum Beispiel: Es ist ganz klar, dass man als Kind mehr wächst als als Erwachsener, weil man ja sonst nicht viel zu tun hat. Ein Erwachsener, so wie ich es bin, muss sich um so viele Probleme kĂĽmmern, da bleibt kaum mehr Zeit zum größer werden. Ein Beweis dafĂĽr sind die alten Greise, bei denen haben die Probleme sogar schon Ăśberhand genommen. Sie machen sich so viele Sorgen, dass sie vielleicht bald sterben werden und so, dass die alten Leute dann sogar wieder kleiner werden. ‚SchrumpfenÂ’ heiĂźt das.“  

Es wurde Nacht und es wurde wieder Tag, doch der junge Botenläufer Flink Rosenkreuzer hatte die Taggenbrunn noch immer nicht erreicht. Seine Füsse trugen ihn immer weiter nach Süden. Aufgeben und stehenbleiben kannte der zielstrebige Lagerschelm nicht. Auf seiner Reise löste er noch so zahlreiche weitere Probleme und Fragen, die ihn schon lange beschäftigten, bis er schließlich das Ende der Welt erreichte: Tasmanien! Dorthin hatte er sich verirrt und erst dort entschloss er sich eine Pause zu machen. Doch ob er von dort auch wieder zurück zu den Soldknechten finden wird, dass wird erst die Zukunft weisen.

Tag vor dem Pfingstsonntag im Wonnemonat Anno Domini 1454,Im SĂĽden

Na heilige Ochsenherde, der hätte mich ja fast überfahren! Die Leute hier in Tasmanien sind alle nicht ganz klar im Kopf. Mit ihren Kutschen düsen sie immer auf der falschen Seite der Straße. “He du windischa Teifl”, ruf ich ihm nach, doch irgendwie kommt es mir vor, als hätte er mich nicht verstanden. Oder vielleicht ignoriert er mich?! So was Unfreundliches ist mir ja noch nie untergekommen! “Ah host du vielleicht a Ohnung wo I mi hinhaun kennt zum Schlaf’n”, frage ich einen Passanten mit einem äußerst seltsamen braunen Schlapphut. Die Mode hier ist wohl noch aus dem Altertum. Der beginnt jetzt so richtig los zu legen und redet auf mich ein. Freundlich grinsend und jedes zweite Wort scheint “Mait” oder “Mate” oder so zu sein. “A konnst du nix kärntnerisch red’n, du olte Saufbirn’”, frage ich ihn höflich und im besten Kärntner Dialekt. Er hebt die Schultern, schüttelt den Kopf und zerrt mich mit sich mit. – So hatte alles angefangen im Land am anderen Ende der Welt.

Nach dem elften Bier sprach der Typ, der sich Kwan nennt, plötzlich dieselbe Sprache wie ich! Wir tranken zusammen mit zwanzig Mal meine zehn Finger vielen anderen Tasmaniern (=200) auf dem Gehöft, welches sich die “Jane Franklin Hallen” nennt. Hier wird Gaude wirklich groß geschrieben und es stellte sich heraus, dass sich Lagerschelme und Knechte aus allen Herren Ländern hierher verirrt hatten. Ländern von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Einige von denen glauben sogar, dass die Erde eine Kugel ist! Vielleicht wollen die mich ja alle nur für dumm verkaufen, aber die Erde eine Kugel ist doch wirklich absurd?! Schade, dass Hemml oder Syml nicht da sind, die hätten denen sicher kräftig was erzählt. Erde eine Kugel?! Von wegen, jeder Berg und jeder Mensch würde doch sofort nach unten rutschen, denn jeder weiß doch, dass es auf der Oberfläche einer Kugel keinen flachen Punkt gibt! Naja, oder vielleicht meinen die Leute ja, dass wir in der Kugel drinnen leben. Das schon eher, aber meine Vierecks-Theorie ist immer noch die beste und hat bis jetzt jeder Kritik standgehalten.

Nach einigen Wochen konnte ich jede Person auch ohne Alkoholgenuss verstehen. Denen habe ich aber schnell das Kärntnerische beigebracht, dachte ich mir. Aber meine Vermutung ist ja, dass mir der Bulle geholfen hat. Der Bulle ist ein Trinkgerät, das man in Tasmanien verwendet, wenn alle gut gelaunt sind. Von einem großen Trichter gehen zwei oder vier Schläuche weg, an denen jeweils eine Person das Bier hinuntersaugt, welches oben in den Trichter hineingeschüttet wird. Wer als letzter fertig wird, bekommt den “Zorn des Bullen” zu spüren. Jedes Trinkritual dieser Art wird mit einem wilden Schlachtgesang begonnen.

Körperlich betätigen tut sich hier auch jeder. Das gefällt mir ja besonders gut. Sogar die Weiber machen bei körperbetonten Spielen und Reiberein mit. Weiber ja…, mit denen kann man mehr Spaß haben als in der Heimat. Die sind nicht gleich beleidigt, wenn man sie als “drei-Heller-Luder” bezeichnet oder wenn man sagt “flach wie ein Brett, aber gut zum Nageln”. Ein Gelehrter, der des Schreibens mächtig war, fertigte für mich sogar ein Schild für meine Zimmertüre an: “Keine von euch Weibern kann mehr die Erste sein, aber jede von euch hat die Möglichkeit die Nächste zu sein! - Flink Rosenkreuzer - keine Reservierungen.”

Na und die Tiere erst! Was es hier für seelenloses Gezücht gibt. Auf dem Lande springen Beuteltiere herum, im Wald treibt sich der Possum herum und im Wasser schwimmen Fische, die haben sogar einen Schnabel. Der Allmächtige hat diese Wesen wohl am siebten Tag erschaffen, als er geruht und geschlafen hat und schon sehr sehr müde war.

Die körperliche Betätigung hat mir aber am besten gefallen. Im Ringen holte ich mir den Titel, in dem ich einen 200 Stein schweren inzüchtigen Tasmanier Corey besiegte. Auf den Hausberg von Hobart (das größte Dorf in Tasmanien) hat es mich auch hinauf verschlagen. 30 Kilometer und unzählige Höhenmeter haben der Tasmanier Justin und ich hinter uns gebracht. Und wir haben uns nur einmal verlaufen! Auf der Spitze haben wir auch Schnee gesehen, von dem es hier in diesem Lande nur sehr wenig gibt. Wahrscheinlich deswegen, weil die Sonne hier näher ist, als in unserem Herzogtum. Man bekommt hier auch viel leichter einen Sonnenbrand.

Hin und wieder geht mir die Heimat schon ab. Vielleicht sollte ich doch einmal an Rückkehr denken? Doch die Frage ist, wie finde ich zurück? Welchen Weg soll ich einschlagen? Weiter runter gen Süden, oder den Berg hinauf nach Norden? Nach links oder vielleicht doch nach rechts? Darüber denke ich morgen nach, wenn ich ausgeschlafen bin. Dem flinken Flink wird schon was einfallen, wäre ja gelacht. Die übrigen Soldknechte würden mich ja alle auslachen. Allen voran der Schanzmeister und der Gamaret erst. Der Hauptmann wäre aber wohl stolz auf mich. Und ich könnte allen erzählen, dass ich in einem Land war, in dem Frowin nach nie gewesen ist. Ich hoffe ich schaffe es zurück, die blöden Kutschen, die alle auf der falschen Seite fahren, sind eine wirkliche Gefahr.

Fronleichnam im Brachmonat Anno Domini 1454, Der Weg in die Heimat

Nein, ich will die Kutsche nicht stehlen, ich will sie nur ausborgen! Ich bringÂ’ sie ja wieder zurĂĽck – irgendwann einmal. 100 Silbertaler? Na sagÂ’ einmal du spinnst doch, 100 Taler fĂĽrs ausborgen. 80 Taler? Hallo?! Ich bin Botenläufer und kein dukatenkackender Adeliger. SagÂ’n wir 50 Taler und ich bringe die Kutsche im nächsten Jahr wieder zurĂĽck. Was meinst du mit „Du kannst die Kutsche nicht ein Jahr lang ausborgen“? Wie soll ich denn wieder in mein Herzogtum nach Kärnten kommen, ohne eine Kutsche?! Wo Kärnten liegt? Du weiĂźt nicht wo Kärnten liegt?!  Na jetzt fängst du aber gleich eine Â… wenn das der Hauptmann erfährt, dass einer von den nichtsnutzigen Tasmaniern nicht weiĂź wo Kärnten liegt. Burg Taggenbrunn, Clagenfurth, Friedrich II. (!), Kasnudl, Â…hatÂ’s noch immer nicht gefunkt?! Also dein Löffel hat sicherlich ein Loch gehabt, als du die Weisheit damit gefressen hast.   

Hallo?! Â… Was zum Â… Jetzt hat der doch glatt die TĂĽre vor meiner Nase zugeknallt. So eine Pappnase. Und ich weiĂź noch immer nicht wie ich nach Hause komme. Wenigstens gibt es hier auch Schnee. Vergangene Woche habe ich ihn gesehen. Zwar nicht so viel wie im Herzogtum, aber das ist immerhin schon ein Anfang. Nicht jedes Land kann mit soviel Eis, Schnee und Kälte gesegnet sein wie unser Herzogtum. Das Komische ist nur, in Tasmanien schneitÂ’s im Sommer und am heiĂźesten ist es im Winter. Hemml wĂĽsste sicher eine Antwort drauf Â… wenn der ein paar Fässer intus hat, dann kennt er die Lösung auf jedes Problem. Ich vermute ja, es hat damit zu tun, dass ich so lange nach SĂĽden gelaufen bin, als ich auf der Suche nach Taggenbrunn war. Syml hat doch gesagt, wenn du dich verläufst, setzte einfach einen FuĂź vor den anderen und laufe immer der Sonne nach. Und jeder weiĂź doch, dass die Sonne immer im SĂĽden ist. Also bin ich gelaufen und in Tasmanien herausgekommen. DamalsÂ… 

Moment! Vielleicht hilft Symls Rat ja erneut. Immer der Sonne nach, oder was hat er gesagt?! Zu blöd, dass ich nicht schreiben kann, sonst hätte ich mir das hinter die Ohren geschrieben. Aber wenn man schreiben kann, dann verwendet man sein Hirn nicht mehr, hat Gamaret einmal gesagt Â… also ist es vielleicht doch gut, dass ich des Schreibens nicht mächtig bin. Werde mal verifizieren, ob das mit der Sonne klar geht. “Hey du mate, a hast du an Tau, ob I, wenn I imma da Sun nachlaof, ob I dan in Kärnten aussa kum?!” Was meint dieser Känguruh-fressende Tasmanier mit ‘Das hängt davon ab Â…Â’? “Hey du mate, I hab di wos anfoches gfragt – jo oda na?” Er glaubt schon. Na also, geht doch. “Und di Sun is die meiste Zeit imÂ….Â’NordenÂ’Â…Wos Norden? I hahn gedacht, di Hund is imma im Suedn?!” Aber er scheint sich sicher zu sein und erklärt, dass die Sonne im Osten aufgeht, dann nach Norden wandert und im Westen untergeht.  

Dann hätten wir doch alles geklärt. Ein weiteres Stück kam meinem Mosaik des Wissens hinzu: es ist klar, dass ich nach Norden rennen muss, weil Kärnten ja in den Bergen liegt. Und der Hauptmann hat einmal gesagt, und ich Flink erinnere mich natürlich daran, dass Norden immer oben ist, oder so in etwa. Das heißt: bergauf ist Norden, bergab ist Süden – es passt einfach alles zusammen. Aber dass heißt auch, dass es recht anstrengend wird, den ganzen Weg hinauf zu laufen … aber ich bin der Botenläufer der Soldknechte Compania Carantania und es wäre doch gelacht, wenn ich diese Hürde nicht im Eiltempo und ohne Pause nehmen könnte. Also, los geht’s … wo war gleich nochmal Norden … oder muss ich nach Süden….hadifix nochamol, warum muss es auch so viele Himmelsrichtungen geben?!

Tag des Hl. Rudolf im Heumonat Anno Domini 1454, StraĂźenkunstfestival in Villach, Die Heimkehr

Ist denn Tasmanien tatsächlich so weit vom Herzogtum Kärnten entfernt?! Nun laufe ich schon seid Wochen und habe noch immer kein Dorf erspäht, das mir auch nur irgendwie bekannt vorkäme. Aber Gott sei Dank habe ich diese Stadt im Irakischen hinter mir gelassen, dort wollte mich jeder kontrollieren und begrabschen. Es kann halt nicht ĂĽberall so schön sein wie in der Heimat, die man erst vermisst, wenn man sich nicht mehr hat.  

Apropos Heimat – dieses Nest kenne ich doch! Es riecht ein wenig abgestanden und die Leute zählen auch nicht unbedingt zu den Schönsten und Cleversten. Das ist doch das Dörfchen, das wir Clagenfurther immer wieder gegen den ungläubigen Feind aus dem SĂĽden beschĂĽtzen mĂĽssen. Beim Barte unseres Hauptmanns, es ist Villach!   

Aber warum sind denn da so viele Leute auf den StraĂźen? Ist etwa ein Clagenfurther zu Besuch?! Wer bläst denn da so lautstark in ein Horn? „Links, links, links, rechts, links...“ Moment, die Farben dieser Compania kenne ich doch. Ich habe die gleichen auf meinem Armband... „Halt!“, ertönt die Stimme des Hauptmanns Ulrich von Grafenecker. Mit einem durchlöchernden Blick mustert er mich. Ebenso Syml und Hemml, die wieder (oder noch immer) ein wenig nach Alkohol riechen. „Es ist ich“, brĂĽlle ich voller EntzĂĽckung, dass ich endlich wieder im Carantanischen gelandet bin und meine Mannen der Compania Carantania wieder gefunden habe. Doch erst als sie mein Armband erblicken, fällt es ihnen wie Schilder von den Augen. Meine Haare zerzaust, mein Bart gewachsen ... jaja ein gestandener Mann ist aus mir geworden. „Flink ist zurĂĽck!“, geht es durch die Reihen der Soldknechte. Der Hauptmann mustert mich mit strengem Blick. „Wo ist denn deine Waffe, Botenläufer!“ „Ehmm...tja...das war so...ehm...die Waffe...die, die habe ich im Irak abgeben mĂĽssen!“ „Irak, hm“, zufrieden wendet sich der Hauptmann ab.  

Hemml erklärt daraufhin, dass ich unbedingt beim StraĂźenkunstfestival in Villach gebraucht werde. Die Companie braucht mich fĂĽr einen Auftritt der Soldknechte, damit wir den Villacher Adlern zeigen, was eine gute „Feldwaibel“-Attacke ist. Auf dem Weg zum Rathausplatz begutachte ich die neuen Mitglieder unserer Truppe. Frowin kenne ich ja (leider) bereits, er unterhält sich gerade mit einem SĂĽdländer, der sich Abdul nennt. Jaja, ein ganz geschickter Bursche, dieser Abdul, aber eben nicht in der gleichen Liga mit mir.  

Dieser neue Hellebardier Theodor Krautmann von Fridhoff sieht mir auch wie ein SĂĽdländer aus. Ganz koscher ist dieser junge Mann sicherlich nicht, bei der Hautfarbe. Aber wenigstens scheint er laufen zu können. Und da ist noch ein neues Gesicht, ein junge HĂĽpfer, dafĂĽr recht groĂź gewachsen. Alle nennen ihn „Valti“, so ein komischer Name, wahrscheinlich ist der auch nicht ganz koscher, aber wenigstens kann er mit dem Schwert umgehen. Der nächste scheint ein ganz lauter Bursche zu sein. „Wenn du mir noch einmal mit deinem Horn ins Ohr bläst, dann schiebe ich dir dein Horn...“, erkläre ich ihm auf dem Weg zum Rathaus. Irgendwoher kommt mir seine Fratze allerdings bekannt vor. Wenigstens hat er eine laute Stimme. SchlieĂźlich haben wir noch einen neuen Spieler. Ein äuĂźerst dubioser Junge, dem ich sicherlich nicht ĂĽber den Weg traue - koscher ist der sicherlich nicht! 

Vor gut 10 mal 100 Zuschauern am Villacher Rathausplatz verliefen unsere Feuershow und unser Schwertkampfspektakel ausgezeichnet. Artisten aus allen Herren Ländern kamen zu diesem StraĂźenfestival. Ich war ganz ĂĽberrascht, dass sogar einige Australier unter den Gauklern zu finden waren. Ob die wohl einen schnelleren Weg ins Herzogtum gefunden haben? Obwohl, keiner ist schneller als Flink Rosenkreuzer von der Compania Carantania!  

Auf jeden Fall bin ich froh, dass ich wieder im Carantanischen verweile, auch wenn ich meine Freunde in Tasmanien doch sehr vermisse. Soldknechte Hurra!

Tag des Hl. Ignatius im Erntemonat Anno Domini 1454, Spectaculum zu Friesacum

Da bin ich gerade erst ins Carantanische zurĂĽckgekehrt und schon geht es wild zur Sache. Der Hauptmann und viele weitere Soldknechte dachten an eine Invasion in Friesach mit MachtĂĽbernahme der Compania Carantania. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt, oder irgendwie so geht der Spruch, den mich einst unser Provost Hemml gelehrt hatte.  

Einem spärlichen Trupp von nur fĂĽnf Knechten gelang es sich bis nach Friesach durchzuschlagen: Rosemarie von der Schneiderthaalerheide, Companie-Koch Tregenreuter, Schanzmeister Syml, unser Hauptmann Ulrich und meine Wenigkeit. Der Rest wurde auf dem gefährlichen, von Hinterhalten wimmelnden Weg aufgerieben. Doch uns gelang es ohne groĂźe Probleme in die Burg hineinzuschleichen, vorbei an den grimmig (und ein wenig dĂĽmmlich) dreinschauenden Torwachen.  

Unsere Verwunderung war groĂź, als wir alte Bekannte innerhalb der Stadtmauern trafen. Der wilde Haufen aus den nördlichen Gefilden - Turba Ferox befand sich in der Stadt. Nein, nicht um sie einzunehmen, sondern um sie zu verteidigen! Nach einer Lagebesprechung unseres Hauptmanns mit Ferox-Koch „Sitting“ wurde unser ganzer Invasionsplan ĂĽber den Haufen geworfen. „Knechte, wir werden unseren Kärntner Kollegen aus Friesach und Turba Ferox helfen die Stadt Friesach gegen den Feind zu verteidigen!“, erschallte es aus dem Munde unseres Hauptmanns. Uns allen fiel das Kinn bis auf die Brust, doch als wir sahen, dass so einige Säckchen mit Gold den Besitzer wechselten, machte sich ein herzhaftes Grinsen auf unseren Gesichtern breit. Es sollte ein schöner Abend werden. 

„Compania – Carantania!!“ brĂĽllten wir wie gewohnt, als wir zum Gegenschlag ausholten. Ein Räuberhaufen aus dem Umland und zahlreiche abtrĂĽnnige Friesacher Recken versuchten doch tatsächlich die Stadt zu stĂĽrmen. Besonders viele Angreifer waren es ja nicht, doch auch die Zahl der Verteidiger war alles anders als ĂĽberwältigend. Mit der Compania als Geheimwaffe, konnte wenigstens am Schlachtfeld ein zahlenmäßiger Ausgleich hergestellt werden. Doch die Kampferfahrung unserer rot-schwarzen Friesacher Kollegen lieĂź alles andere als zu wĂĽnschen ĂĽbrig. DafĂĽr lieĂźen Turba Ferox und wir es so richtig krachen. Nachdem die Friesacher BogenschĂĽtzen ein FloĂź in Brand gesetzt hatten, mit dem der Feind ĂĽber den Burggraben setzen wollte, versuchte das angreifende Pack mit roher, nicht sehr taktischer Gewalt die Stadt einzunehmen.  

Sturmleitern wurden von der Stadtmauer gestoĂźen und unzählige Angreifer stĂĽrzten in die Tiefe. „Sitting“ leistete ganze Arbeit und vermöbelte mit seiner altbewährten Bratpfanne die heraufkletternden Feinde. Doch das Friesacher Holz scheint nicht so solide und stark zu sein, wie das aus Clagenfurth, und so gelang des dem Angreifer das Stadttor einzurammen – Räuber und AbtrĂĽnnige waren nun in die Stadt eingedrungen und es kam zur Entscheidung innerhalb der Mauern.  

Schulter an Schulter versuchten wir verzweifelt den Feind zurĂĽckzudrängen. Der Allmächtige weiĂź, wie es ausgegangen wäre, wenn nicht das „Horn von Clagenfurth“ ertönt wäre - ein tiefer, markerschĂĽtternder Ton, der mich seit Villach verfolgte. Dies konnte nur eines bedeuten: Verstärkung war im Anmarsch – Soldknecht Severin Fronauer hatte es doch noch geschafft sich nach Friesach durchzuschlagen. Ein Glitzern, wie es eigentlich bei einem geĂĽbten Recken nicht sein sollte, war in seinen Augen zu erkennen. Dieses bekannte Glitzern schien sich auch auf Tregenreuter zu ĂĽbertragen, der ebenfalls dem Feind ohne RĂĽcksicht auf Verluste gegenĂĽbertrat.  

In der Zwischenzeit gelang es dem Hauptmann, Syml und mir ein taktisches Ăśbergewicht zu schaffen – wir wussten, dass sich der Feind nicht lange in der Stadt halten konnte. Mit ein wenig Verständnis des Kriegswesens hätte er gleich nach dem Einmarsch von Severin das Banner gestrichen. So trieben wir ihn Schritt fĂĽr Schritt mit nicht vielen Verlusten auf unserer Seite zurĂĽck. „Seht doch dort, seht da, auf den Burgzinnen“, erklang es aus zahlreichen Kehlen, als unser Sieg schon in der Tasche war. Tregenreuter duellierte sich wieder einmal mit einem angreifenden Recken auf den Burgzinnen. Aus Geschichten, die man sich im ganzen Herzogtum erzählte, wusste ich, dass unser wackerer Companie-Koch bereits einmal von der sechs Meter hohen Stadtmauer in den etwas ĂĽber einen Schritt tiefen Burggraben gestĂĽrzt war.  

Habe ich gerade einmal gesagt? Nun, zweimal wollte ich sagen, denn Tregenreuter verlor nach einem gezielten Schlag seines Gegners erneut das Gleichgewicht und stĂĽrzte mit einem Bauchfleck in das kĂĽhle und schlammige Wasser. Unser Companie-Koch ĂĽberlebte, die Stadt wurde verteidigt und der Sieg war unser – was will das Herz eines Soldknechts mehr?! Richtig – Bier. So freuten wir uns alle auf einen schönen Ausklang des Abends, doch wir wurden bitter enttäuscht. Unsere Schneiderin Rosemarie hatte unseren gesamten Sold, bis auf wenige Pfennige ausgegeben. Hungrig, aber doch glĂĽcklich nach einer erfolgreichen Schlacht machten wir uns schlieĂźlich auf den Heimweg. 

Fähnrich Veit

3 Tage vor dem Christtag im Christmonat Anno Domini 1454, Winterlager

Träge setzte ich mich auf, ein Blick nach rechts bestätigt was ich mir schon dachte „ Verdammt, besonders hĂĽbsch ist das Weibsbild aber nicht“. Egal, denk ich mir, dafĂĽr hatte ich es schön warm in dieser Nacht. So leise wie möglich schlag ich die warmen Felle beiseite und schlĂĽpfe in meine Kleider, schon fröstelt es mich, und mir fällt wieder ein, wie sehr ich die Winterlager hasse. Noch das Schwert umgeschnallt und raus aus dem Zelt, Gott sei dank unbemerkt. Nicht dass sie, hm, den Namen hab ich wohl schon wieder vergessen, falls ich ihn je wusste, sich irgendwelche falschen Hoffnungen macht. 

Der Gamaret ist der Erste, der mir drauĂźen ĂĽber den Weg läuft und so wie der mich böse anschaut, kann ich mir nur denken, dass ihm diese Nacht ziemlich kalt war. Hat nicht er die Magd, neben der ich heute aufgewacht bin, aus dem Dorf mitgenommen, frage ich mich!? Irgendwann schneidet er mir wohl die Kehle durch.  

Ein Blick ins Lager bestätigt meine Kopfschmerzen. Das übliche Bild, der Provost hat’s nicht ganz in sein Zelt geschafft und liegt zur Hälfte im Freien, irgendwer dürfte ihn dann noch zugedeckt haben, der Tregenreuter schnarcht lautstark direkt beim Feuer und auch die, die ihren morgendlichen Pflichten nachkommen, wirken äußerst angeschlagen. Wieder haben sich gestern alle sinnlos betrunken, selbst ich und das kotzt mich an! Nicht dass ich nicht gerne mal einen über den Durst nehme, aber ich trinke lieber auf einen Sieg in der Schlacht, als einfach um mir die Zeit zu vertreiben! Verdammtes Winterlager, denk ich mir da schon wieder, es gibt einfach nichts zu tun! Nach einem Monat Schnee, Matsch und Kälte, hat man es sich bereits mit jedem Weibsbild in der Umgebung verscherzt und mit der Hälfte ihrer Ehegatten eine zünftige Keilerei hinter sich. Und dann kommt die Langeweile.

 Nach den letzten Jahren, die hohen Blutzoll gefordert haben, sind wir jetzt endlich wieder eine recht stattlich Truppe. Na gut, denk ich mir, dann kĂĽmmern wir uns mal darum, dass wenigstes ein paar von den Neuen auch noch das nächste Winterlager erleben. Der Hauptmann hat mit den Exerzitien schon begonnen, und da zeigt es sich wieder, wer trinken kann, muss auch kämpfen können. Der Hauptmann kennt da kein Mitleid und jeder Humpen Bier zu viel verwandelt sich prompt in einen anständigen Bluterguss. Ja, dass mĂĽssen die Neuen noch lernen, denn so versoffen die altgedienten Knechte auch wirken, wenn es darauf ankommt, hat jeder von ihnen schon oft genug bewiesen, was er wert ist.

 Nachdem ich mich ordentlich abreagiert hatte, hat sich auch meine Laune ein wenig gebessert und ich mache es mir beim Feuer gemĂĽtlich. Der Syml hat schon wieder dieses gewisse Grinsen im Gesicht, welches er nicht ganz unterdrĂĽcken kann, der Provost nickt ihm zu und streichelt zufrieden seinen Flohfänger von Köter, der Tregenreuter pfeift gut gelaunt vor sich hin, während er den Eintopf fĂĽr die Truppe zubereitet, und ich weiĂź, dass fĂĽr heute Abend wieder ein Fass Bier bereit stehen wird. Wie und wo sie das jedes Mal auftreiben, will ich weiter gar nicht wissen.

 Ob die Eine von gestern wohl schon gegangen ist?