Das Söldnerwesen im Mittelalter
Ãœbersicht
- Definition
- Früh- und Hochmittelalter
- Wandel in der Kriegsführung
- Sold und Söldner
- Periodisierung des mittelalterlichen Heerwesens
Definition
Bereits durch seine Etymologie setzt das Konzept des Söldnerwesens voraus, dass die von ihm geprägten Beziehungen zwischen einer staatlichen bzw. herrschaftlichen Macht und den von ihr rekrutierten Kriegsleuten von (grundsätzlich, wenn nicht ausschließlich) monetärem Charakter sind. In diesem Sinne ist jedoch nicht jeder Kriegsmann, der von seinem Auftraggeber Geld empfängt, notwendig als Söldner anzusprechen (die Quellen des Mittelalters kennen zwar gelegentlich den Begriff des "mercenarius", der aber zumeist einen besoldeten Dienstmann im allgemeinen Sinne, sehr selten aber einen Kriegsmann bezeichnet, wohingegen das französische Wort soudoyer, dessen lateinische Entsprechung "solidarius" und "stipendiarius" sind, seit dem 12. Jahrhundert in altfranzösischen Texten erscheint); vielmehr ist die Anwendung des Begriffes des Söldners auf einen (besoldeten) Kriegsmann dann unangemessen, wenn dieser in feudalen oder verwandtschaftlichen Beziehungen zu seinem Auftraggeber steht oder ihm durch starke landsmannschaftliche oder "nationale" Bindungen verpflichtet ist. Daher ist bei jedem militärischen Verhältnis die Frage zu berücksichtigen, mit welcher Intention oder aus welchen vorrangigen Motiven die jeweilige politische Gewalt bzw. der jeweilige Kriegsmann eine Rekrutierung vornahm bzw. sich rekrutieren ließ. Hier spielt die Mentalität eine dominierende Rolle.
Früh- und Hochmittelalter
Auch wenn die Quellen hierüber weitgehend schweigen, ist keineswegs ausgeschlossen, dass in der Periode des Frankenreiches "öffentliche" wie "private" Gewalten Krieger gegen Entgelt (Naturalien oder Geld) in ihren Dienst nahmen. Das sich in der nachfolgenden Periode voll ausbildende Lehnssystem, das vor allem in Frankreich und England (nach 1066) seine stärkste Ausprägung erfuhr, sah vor, dass der Lehnsmann als Gegenleistung für das empfangene Lehen dem Lehnsherrn (bzw. mehreren Lehnsherren) unbezahlten Heeresdienst schuldete, wobei die Einkünfte aus dem Lehen gleichsam als übliche "Bezahlung" für die geleistete Heerfolge betrachtet wurden. Damit waren Organisation der Heere und Organisation der Feudalgesellschaft (im Sinne des von M. Bloch geprägten Begriffs der société féodale) nicht nur eng miteinander verzahnt, sondern bildeten gleichsam eine organisatorische Einheit. Die Heere jenes Zeitalters spiegelten in ihren institutionellen und sozialen Strukturen das Über-, Neben- und Untereinander der feudalen Mächte wider. Die Art und Dauer des feudalen Heeresdienstes ("servitium debitum") wurden im Allgemeinen durch das Lehnsrecht sorgfältig definiert, wobei es auch zu (gerichtlichen) Streitigkeiten zwischen den Beteiligten kommen konnte. Ebenso hatten auch die städtischen Gemeinwesen kostenlos Heereskontingente (Berittene, aber vor allem Fußsoldaten) zu stellen. Um diese Kontingente aufzubringen, warben die Städte Freiwillige an, die sie in der einen oder anderen Weise unterhielten und die somit - in gewisser Weise - als Söldner betrachtet werden können.
Wandel in der Kriegsführung
Infolge tiefgreifender Wandlungen in der Kriegsführung und der wachsenden finanziellen Mittel die den Staaten zur Verfügung standen, erfolgte um die Mitte bzw. im 3. Viertel des 12. Jahrhunderts eine merkliche Wandlung: Die Plantagenèt, in geringerem Umfang auch die Kapetinger und die Staufer, übertrugen die Kriegsführung vielfach an umherziehende Scharen (Rotten, routiers), die etwa als Brabanzonen oder "Cotteraux" bekannt - jederzeit für Kampfeinsätze gegen Bezahlung verfügbar und wegen ihrer Brutalität gefürchtet waren. In diesem Zusammenhang ist auf den Einsatz von "Rotten" durch den Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg gegen Heinrich den Löwen 1179 hinzuweisen. Doch kam dieses Phänomen frühen Söldnertums in Frankreich und England des 13. Jahrhunderts sowie im Reich wieder weitgehend zum Erliegen.
An der Wende des 13. zum 14. Jahrhunderts führten die Kriege zwischen Eduard I. von England und Philipp IV. von Frankreich zu neuen sozialen und politischen Wandlungen, die mit dem Ausbruch des Hundertjährigen Krieges eine ausgesprochene Intensivierung erfuhren. Von nun an wurde die Heeresorganisation dominiert von entlohnten Truppen, die ihren Sold täglich, monatlich, alle paar Monate oder gar jährlich erhielten. Eine Armee aufzustellen bedeutete nunmehr, vorab ihre Finanzierung zu sichern. Ein Feldherr warb seine Truppen in dem Moment an, der ihm eine Bezahlung, welche die "Soldaten" vom ersten Tag des Feldzugs an erwarteten, möglich machte.
Sold und Söldner
Dies bedeutete zum einen, dass das Problem der Besoldung die anderen mit einem Kriegszug verbundenen Fragen an prekärer Bedeutung oft übertraf: Die kriegführenden Staaten, die immer knapp an flüssigem Geld waren, schafften es zumeist nicht (trotz häufiger Geldentwertung), ihre Verpflichtungen hinsichtlich der Soldzahlungen wirklich einzuhalten. Dies galt in besonderem Maße für die französische Monarchie, deren Soldverträge (lettres de retenue) stets nur eine Anzahlung des gesamten Soldbetrages folgte. Die englische Monarchie war ihrerseits dagegen weitaus sorgsamer darauf bedacht, den in ihren Soldverträgen (indentures) festgesetzten Zahlungsverpflichtungen auch tatsächlich nachzukommen. Auf jeden Fall stellten die Soldzahlungen nur einen Teil des Profits der Kriegsleute dar; andere Einnahmequellen wie vor allem Lösegelder (Kriegsgefangene) und Beuteanteile waren oft umfangreicher und folglich attraktiver. Hinzuzufügen ist, dass die Kriegsleute stets versucht waren, in Feindes-, aber auch Freundesland für das, was sie konsumierten, so wenig wie möglich zu zahlen, was den ursprünglich eher als Entschädigung für Ortswechsel konzipierten Sold zu einem fast ausschließlichen Reingewinn werden ließ. Andererseits machten Söldner im eigentlichen Sinne (soudoyers aventureux) nur einen Teil der Armeen aus, selbst der besoldeten. Die adligen Untertanen, die dem König von Frankreich dienten, können wegen ihres Rechtsstatus' und ihrer Einkünfte nicht als Söldner betrachtet werden, auch wenn sie den Empfang eines Soldes als selbstverständlich und unabdingbar ansahen. Demgegenüber können als Söldner gelten: die genuesischen Armbrustschützen, die zu Wasser und zu Lande Philipp IV. von Valois dienten, die Lombarden, Spanier und Schotten im Solde Karls VII., die von Ludwig XI. und Karl VIII. für die Bretagne- und Italienzüge angeworbenen Schweizer sowie die englischen Bogenschützen unter Karl dem Kühnen. Die ausländischen Kriegsleute können selbst dann als Söldner angesehen werden, wenn ein Bündnis zwischen ihren Landesherren und demjenigen, der sie anstellte, bestand (z. B. die sogenannte Auld Alliance zwischen Frankreich und Schottland). Das Söldnertum impliziert auch ein Fehlen beruflich-zünftischer Bindung, des geregelten Einkommens und des Sozialstatus', einen Bruch mit dem Herkunftsmilieu, der bis zur Entwurzelung reichen konnte. Die Söldner waren keine Adligen, die häufig (aus Neigung zu Krieg und Beutemachen oder Verpflichtung) an den Kriegen ihres Fürsten teilnahmen, sondern professionelle Kriegsleute, für die der Krieg zugleich Mittel des Unterhalts wie Lebensinhalt war. In diesem Sinne mussten Söldner nicht zwangsläufig Fremde, sondern konnten auch Landeskinder sein.
Die betroffene Bevölkerung und die öffentliche Meinung stand den Söldnern voll Aversion, bestimmt von Furcht wie Verachtung, gegenüber. Die Haltung der Staatsgewalten war eine ambivalente: Einerseits wurden sie wegen ihres unkontrollierbaren Verhaltens und ihrer ausschließlich auf Geldgewinn gerichteten Motivation voll Misstrauen betrachtet (allerdings ist bei manchen Söldnern, über den Wunsch Profite zu machen hinaus, eine gewisse Selbstliebe und ein Stolz zu einem wehrhaften Volk zu gehören, erkennbar, ausgeprägt bei den Schweizern), die Staaten waren besorgt über die Erhöhung der Ausgaben, doch erkannten sie andererseits die professionellen Kompetenzen der im Grunde unentbehrlichen Söldner durchaus an und bemerkten, dass ihnen eine gewisse Art der Treue und Loyalität eigen war. (Karl VII. und seine Nachfolger ließen folglich ihre Sicherheit bevorzugt durch schottische Leibwachen schützen.)
Periodisierung des mittelalterlichen Heerwesens
In den unfesten Verhältnissen des Mittelalters ist auch das Heerwesen in dauerndem Fluss. Wie ein Gletscher scheint es zwar mehrmals lange starr und still zu stehen, befindet sich aber dennoch in ununterbrochener, oft kaum spürbarer Bewegung. Es ist nicht leicht an einem bestimmten Zeitpunkt als DauerÂzustand zu fassen. Es wird zwar zunächst vom Heerbann und dann bis in das spätere Mittelalter durch das Lehnskriegswesen bestimmt; aber trotz der Vorgeltung erst der volklichen und dann der vasallitischen Dienstpflicht bleibt es fast zu jedem ZeitÂpunkt ein schillerndes und schwankendes Gebilde. Immerhin stehen im Großen betrachtet Ruheperioden ausgesprochenen Ãœbergangsperioden gegenüber. Die Ruheperioden weisen daÂbei nicht eindeutige Zustände auf; im Gegenteil, auch in ihnen sind meist schon die Kräfte keimartig am Werke, die in der folgenden Ãœbergangsperiode sich durchringen.
Die erste Ruheperiode war die Zeit des fränkischen VolksÂmilizheeres. Sie reichte bis in das ausgehende 7. Jahrhundert. Der öffentlich-rechtliche Charakter des fränkischen Reiches hatte seit den Söhnen Chlodwigs die allgemeine Wehrpflicht auch auf die römischen Provinzialen ausgedehnt und zu einer allgeÂmeinen staatlichen Untertanenpflicht umgeformt. In dieser klaren Lösung waren dennoch schon jene Kräfte lebendig, die vom späteren 7. Jahrhundert ab für etwa 200 Jahre lang eine erste ausgesprochene Ãœbergangsperiode herbeiführten. Diese Kräfte waren dreifacher Art. Neben dem Volksmilizheer bestand schon damals eine stehende Truppe zur unmittelbaren Verwendung des Königs. Vom praktischen Bedürfnis geforÂdert, konnte sie aus einer gallischen und einer germanischen Wurzel zugleich, aus der gallischen Vasallität und aus dem germanischen Gefolgschaftswesen hervorwachsen. Die Trustes des fränkischen Königs stellten eine stehende Truppe dar, die nicht auf Grund der staatlichen Wehrpflicht milizartig ihren Dienst versah, sondern auf Grund eines Privatvertrags und des Treueverhältnisses gegen besonderen Entgelt berufsmäßig und dauernd zur Verfügung stand. Damit war im fränkischen HeerÂwesen neben der Volksmilizwehrpflicht ein söldnerischer EinÂschlag lebendig geworden.
Doch auch im Volksmilizheere selbst war er aufgekommen. Die großen Entfernungen innerhalb des fränkischen Reiches und die langsam verfallenden Reste einstiger römisch-technischer Raumbeherrschung machten es notwendig, das Heer meist nur in bestimmten Gegenden aufzubieten. So blieben weite VolksÂkreise oft ungenutzt. Die Folge war, dass häufig dem fränkischen Heere zahlreiche freiwillige Krieger zuströmten, die auf Ansiedlung, Landschenkung, Belohnung und Beute hofften. Im Laufe der Zeit wurden die Militärkolonien in den Marken durch solche freiwilligen Krieger bevölkert. Sie bildeten als Siedler eine stets kriegsbereite Truppe, die über die Milizheerespflicht der Masse hinaus erhöhte Verpflichtungen besaß. Diese drei söldÂnerartigen Erscheinungen, die Gefolgschaften, die beute- und landÂsuchenden Freiwilligen und die angesiedelten naturalwirtschaftÂlichen Berufskrieger, traten in der ersten Ruheperiode zu wenig hervor, als dass deren einheitlicher Charakter hätte getrübt werden können. Doch sie waren die Keime, aus welchen in der folgenden Ãœbergangszeit die neuen Mächte hervorsprossen, um gegen das alte einheitliche Heerwesen in den inneren Kampf zu treten.
Die erste Ãœbergangsperiode umfasste im Wesentlichen das 8. und 9. Jahrhundert. Sie brachte an Stelle der bisherigen EinÂheitlichkeit einen ausgesprochenen Dualismus. Neben das WehrÂpflichtmilizheer des Volkes trat das Vasallenheer. Anfänglich war die neue Form dem alten Volksaufgebot an Bedeutung noch weit unterlegen. Dann konnte sie sich aber, vom geschichtlichen Schicksal geradezu erzwungen und vom Reiche selbst gefördert, mehr und mehr ausbreiten und schließlich trotz der späteren Gegenwirkung des Staates im 9. Jahrhundert den vollen Sieg über das Volksheer davontragen. Mit der Vergrößerung des abendÂländischen Reichs waren die kriegerischen Aufgaben gewachsen. Zwischen dem friedlichen Wirken des Volks und dem kriegerisÂchen Bedürfnis des Staates warf die kulturelle Disharmonie eine Kluft auf. Sie begann das Volksmilizheer auszuhöhlen und zu entkräften. Die Verpflichtung zum Kriegsdienst nach Maßgabe des Vermögens bedeutete die erste Anpassung an den neuen Zwang. Eine weitere trat im Stellvertretungssystem hinzu. Mit diesem war sogar ein söldnerischer Einschlag in die Verbände des Volksheeres unmittelbar eingedrungen. Was aber den beiden Jahrhunderten erst ihren ausgesprochenen Ãœbergangscharakter verlieh, war das Vasallenheer, das sich als eine neue Erscheinung neben dem Milizheer heranbildete. Es bedeutete eine radikale Durchbrechung des alten Wehrpflichtgedankens. Mit dem AufÂstieg der neuen Dynastie und der Erweiterung der kriegeriÂschen Aufgaben war ein neues militärisches Bedürfnis aufgeÂtreten. Rasch bewegliche Truppen wurden bei der AusdehÂnung des Reiches unentbehrlich. Mit dem 7. Jahrhundert setzte zugleich jene Wanderkriegswelle ein, die bis ins 10. JahrhunÂdert von Süd, Ost und Nord flügge, berittene oder auf schnelÂlen Schiffen bewegliche Gegner bis tief in das Innere des Reiches schwemmte. Ihre ewigen Angriffe konnten durch das schwerfällige Volksmilizheer auf die Dauer nicht abgedämmt werden. Die Ãœberlegenheit der arabischen und ungarischen Reiter war durch den Kriegsdilettantismus bürgerlicher Fußheere nicht zu brechen. So kam der militärische Zwang zum berittenen Berufskriegertum dem allgemeinen kulturellen Bedürfnis nach einer friedlich-bürgerlichen und einer kriegerisch-soldatischen GliedeÂrung des Volkes entgegen. Beide Bedürfnisse verschmolzen und führten die große Wandlung herauf. Für deren Formung wurden zwei Zeitkräfte entscheidend, der naturalwirtschaftliche und der aristokratische Zeitcharakter. Es kam darauf an, eine mobile Heeresmacht berittener Krieger für das Reich zu schaffen. Der Zweck war also ein ausgesprochen öffentlich-rechtlicher. Ein geldwirtschaftliches Söldnertum, das in geldwirtschaftlichen EpoÂchen die natürliche Abhilfe bedeutet hätte, schied angesichts des naturalwirtschaftlichen Zeitcharakters aus. Auch war es nicht möglich, das neue Reiterheer aus Unfreien zu bilden, wie sie etwa später in der sozial gehobenen unfreien Ministerialität eine so hohe Bedeutung im Kriegswesen gewannen, oder solche gar truppenmäßig zusammenzuhalten. Dies schloss der kriegerische Geist der freien oberen Stände ebenso aus, wie die Unfähigkeit der Zeit, größere Massen zentral zu verpflegen. Auch die AnÂsiedlung naturalwirtschaftlicher Söldner im Innern des Reichs nach Art der früheren fränkischen Markensiedlung wurde durch die gleichen Umstände verwehrt. Zwar entzogen sich breite bäuerliche Schichten gern und bewusst dem Krieg; zugleich aber boten sich in den aufstrebenden Kreisen der Aristokratie genüÂgende Kräfte dar, die gewillt waren, gerade den Kriegsdienst als Stufenleiter neuer Machterhöhung zu benutzen und daher mit Leidenschaft den Krieg erstrebten und als Vorrecht betrachteten. Der Gedanke lag nahe, den Bedarf durch Vermehrung der königÂlichen Trustes und Vasallen zu decken. Die Vasallenpflicht war ja überhaupt allmählich vornehmlich auf den Kriegsdienst beÂzogen worden. So waren an sich schon seit langem viele VaÂsallen neben den Trustes zum Reiterdienst verwandt worden. Ja, unter der neuen Bezeichnung der Kronvasallen war jener ältere Titel verschwunden. Aber eine solche Vermehrung, die, wenn sie hätte ausreichen sollen, mit einer entsprechenden VerÂmehrung der von den Kronvasallen abhängigen Aftervasallen und der Privatvasallen hätte verbunden sein müssen, war auf der bisÂherigen Basis der Schutzgewährung oder der Lebensunterhaltung angesichts der gesteigerten Kriegsleistung ausgeschlossen. Weder die alte Vasallität noch das alte Gefolgschaftswesen, noch die aus beiden erwachsene neue militärische Vasallität genügten, um das kriegerische Bedürfnis zu decken. Sie mussten sich vielmehr mit dem Benefizialwesen verschmelzen. Das Zeitalter Karl Martells brachte den endgültigen Durchbruch der neuen Form. InÂdem der König, also der Staat, Ländereien an seine Kronvasallen zunächst zur eigenen Nutzung, aber auch zur Weitergabe an ihre Privatvasallen als Entgelt für den schweren beruflichen ReiterÂkriegsdienst verausgabte, war das Lehnswesen geboren. Dieses war die synthetische Form, welche die naturalwirtschaftlichen, aristokratischen, kulturellen und militärischen Bedürfnisse und Voraussetzungen verschmolz. Sie war vom fränkischen Staat zu einem öffentlichen Zweck geschaffen worden, bediente sich aber privatrechtlicher Formen. Das private Vasallitätsverhältnis wurde in den Dienst des öffentlich-rechtlichen Wesens gespannt. Die Wehrpflicht blieb auch jetzt rechtlich unangetastet; aber man fügte in sie zur Bildung des neuen Heeres praktisch das Lehnsverhältnis ein. Das System der Privatgefolgschaften wurde im Lehnswesen neu organisiert und zugleich verstaatlicht. So beÂdeutete die neue Form zwar eine Abkehr von der staatsgeÂfährdenden Erscheinung des Privatgefolges, aber doch auch eine Auflockerung der staatlichen Wehrpflicht. Der privatrechtÂliche Charakter der Vasallität wurde nicht durch einen staatsÂrechtlichen abgelöst, sondern von einem staatsrechtlichen überÂwölbt. Hiermit war der einheitliche Charakter des Heeres durchbrochen. Neben dem zusammenschmelzenden und in sich söldnerisch erschütterten Volksmilizheer schwollen Größe und BeÂdeutung des Vasallenheeres in steigendem Maße an. Die schwaÂchen Keime privatrechtlicher und söldnerischer Art, die in der ersten Ruheperiode still und abgerückt lebendig waren, hatten sich zu spürbarer Kraft erhoben und den Dualismus der ersten Ãœbergangszeit geschaffen. Mit dem Sieg des neuen vasallitischen Prinzips begann dann seit dem Tode Karls II. die etwa 3oojährige Herrschaft des mittelalterlichen Lehenskriegswesens. Sie führte vom ausgehenden 9. bis an die Schwelle des 13. JahrÂhunderts eine neue Epoche vorwaltender Einheitlichkeit und damit die zweite Ruheperiode im Heerwesen herauf.
Diese umfasste die Epoche der Vorherrschaft des mittelalterÂlichen Lehnskriegertums. Im 10. Jahrhundert wurde in der abendÂländischen Welt allgemein der miles, der Reiterkrieger, als Vasall und Lehnsträger auf Grund von Wehrpflicht und Lehenanteil auch zum Träger des Kriegs. Das Volk und mit ihm die allgemeine Wehrpflicht traten zurück. Nicht als ob es überhaupt vom Kriege ausgeschlossen worden wäre. Das Recht der Aufbietung blieb an sich bestehen und nicht selten scharten sich die zu Fuß kämpfenden friedlichen Volksteile neben das kriegerische vasallitische Reiterheer. Auch freie Allodbesitzer, die Mannschaft der Städte und Unfreie traten im Kriege auf; aber das Lehnsreiterheer war nichtsdestoweniger der tragende Grundpfeiler des Krieges geworden.
Im
13. Jahrhundert, ja eigentlich schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
war diese zweite Ruheperiode beendet. Wieder hatte sich ein neuer tiefgreifender
Wandel durchgesetzt. Aus dem einfachen Reiterkriegertum war ein sozialer Stand,
das adelige Rittertum geworden, das sich als eine an bestimmte Formen und
Voraussetzungen gebundene, übernationale Genossenschaft organisierte. Die
Fähigkeit, alle kriegerischen Aufgaben zu erledigen, war ihm verloren gegangen.
Das Reiterkriegertum hatte sich aristokratisiert und es verstanden, die
Bestimmungen über die Dienstpflicht zu seinen Gunsten einzuschränken. Vor allem
war es gelungen, den Charakter des Lehens als Vergütung für den Kriegsdienst zu
verwischen und diesen von besonderen Zahlungen abhängig zu machen. Das
Lehnskriegertum und der Ritterstand waren nicht mehr die unmittelbaren Träger
des Kriegsdienstes, sondern fanden ihre künftige Bedeutung nur noch darin, einen
Stand fortzupflanzen, der dauernd vorzügliches Menschenmaterial für den Krieg
bereit hielt. Die feudale KriegsÂpflicht war zur Grundlage eines ritterlichen
Soldkriegsdienstes geworden. Das alte vasallitische Lehnskriegertum war
innerlich versöldnert. Hiermit war noch eine zweite wesentliche VerändeÂrung dem
10. Jahrhundert gegenüber verbunden. Neben dem versöldnerten Lehnskriegertum war
auch das freie Söldnertum spürbar erschienen. Nicht erst gegen 1200, sondern
schon früher hatte es sich ausgebreitet. Es trat in doppelter Form hervor.
Einmal als Solddienst ritterlicher Herren selbst, die sich außerÂhalb des in
sich versöldnerten Lehnskriegswesens frei an die Kriegsherren verdingten.
Daneben war aber auch das niedere Volk, durch die soziale Scheidung und die
Abgeschlossenheit des Ritterstandes vom Vollkriegertum abgeschnitten, in der
Form eines freien Volkssöldnertums wieder in den Krieg eingedrungen. Die
städtische Entwicklung und die Kreuzzüge konnten diesen Vorgang nur
beschleunigen. Die immer wichtiger werdende FernÂkampfwaffe, der sich das
abendländische Rittertum verschloss, war eines der Einfallstore für das
Volkssöldnertum. Auch das vernachlässigte Fußkämpfertum und die leichte
Reiterwaffe stanÂden jenem offen. Die söldnerischen Krieger, die unter
mannigÂfacher Bezeichnung im ganzen Abendlande auftraten, hatten im letzten
Viertel des 12. Jahrhunderts eine solche Bedeutung gewonnen, dass sie sich in
ähnlicher Art wie später die berüchÂtigten Armagnaken bandenweise in den Ländern
einnisten und als Raubgesindel ihren Unterhalt finden konnten. Kaiser Friedrich
I. und König Ludwig VII. von Frankreich schlossen jenen bekannten Vertrag,
solcherlei Gesindel nirgends in ihren Reihen zu dulden. Acht Jahre später sprach
das 3. lateranische Konzil die schärfÂsten kirchlichen Strafen gegen alle
derartigen Kriegsknechte sowie gegen alle ehrsamen Christen aus, die sich
weigern sollten, die Waffen gegen sie zu ergreifen. Ja schon 1139 hatte das 2.
lateÂranische Konzil gerade die Armbrust verboten, deren kriegerische Bedeutung
das Aufkommen des Söldnertums besonders unterÂstützte. Der Kampf gegen die
söldnerischen Räuberbanden wurde häufig durchgeführt, ohne sie freilich
grundsätzlich auszurotten. Er galt wohl nur den räuberischen Auswüchsen. Aber an
der Tatsache, dass sich die gesittete Welt fast ein halbes Jahrhundert lang
zusammentun musste, um das aufstrebende Söldnertum in zivilisierte Schranken
zurückweisen, ist ein Beweis für seine mächÂtige kriegerische Bedeutung. Das
ausgehende 12. Jahrhundert wurde zu einer neuen Zeitschwelle. Jenseits von ihr
begann eine neue Ãœbergangsperiode, in der vom 13. bis 15. Jahrhundert das in
sich versöldnerte Lehenskriegertum und das freie SöldnerÂtum nebeneinander
bestehend einen neuen Dualismus zeitigten. Er wurde im 15. Jahrhundert durch den
vollen Sieg des Söldnertums abgelöst, der dann eine neue dritte rein
söldnerische Ruheperiode einleitete.
Quellen: Lexikon des Mittelalters in 10 Bänden (1980 - 1999).
Paul Schmitthenner, Lehnskriegswesen und Söldnertum im
abendländischen Imperium des Mittelalters, in: HZ 150 (1934), 229 - 267.