Das Mittelalter
Ãœbersicht
- Einführung
- Die neue politische Landschaft
- Die Wiederbelebung der Wirtschaft
- Religion
- Das Landgut
- Das Kriegswesen im Mittelalter
- Das Heer im Mittelalter
- Die Seefahrerei
- Burgen
- Burgen- und Festungsbau in Europa
- Die Belagerung von Burgen
- Formalitäten der Belagerung
- Die Belagerung
- Rom vor seinem Niedergang
- Barbarische Invasoren
- Die Dunkle Zeit
- Das Christentum
- Der Islam
- Die Feudalzeit
- Der Verfall des Feudalsystems
- Der Schwarze Tod
- Karl der Große
- Waffen und Ausrüstung der Kavallerie
- Waffen
- Rüstung
- Pferde
- Der Aufstieg der Ritter
- Das Rittertum
- Die Kreuzzüge
- Technologie
- Das späte Mittelalter
- Das Aufkommen des Schießpulvers
- Die Renaissance
Einführung
Der Ausdruck "Mittelalter" wurde in der westlichen Welt gebraucht, um jene 1.000 Jahre zu umschreiben, die in der europäischen Geschichte den Zeitraum von etwa 500 bis 1500 n. Chr. umfassen. Der Beginn des Mittelalters ist durch den Untergang des Römischen Westreiches geprägt, dem allgemein anerkannten Ende der klassischen Antike. Das Ende des Mittelalters wird durch den Beginn der Renaissance ("Wiedergeburt" Europas) markiert. Wichtige Ereignisse, die für das Ende dieser Zeit stehen, sind der Untergang Konstantinopels im Jahre 1453, der erste Einsatz der Druckpresse im Jahre 1456, die Entdeckung Amerikas durch die Europäer im Jahre 1492, die Protestantische Reformation durch Martin Luther im Jahre 1517 und die Blütezeit der Künste in Italien. Somit steht das Mittelalter zwischen der Antike und der Neuzeit.
Die geschichtlichen Epochen in Asien und im Nahen Osten lassen sich nicht einfach unter dem Begriff des europäischen Mittelalters einordnen. China entwickelte sich allmählich und ohne die großen Störungen, die Europa aufgehalten hatten, von prähistorischen Zeiten bis hin zum Anbruch einer westlichen Neuzeit. Es erlebte zwar die Herrschaft verschiedener Dynastien und litt unter Invasionen, doch seine Kultur konnte sich stetig weiterentwickeln. Auch für Japans Kulturgeschichte trifft dies zu, wobei Japan weitestgehend sich selbst überlassen wurde. Die Geschichte des Nahen Ostens zeigt deutlichere Bezüge zu der des europäischen Mittelalters, da die beiden Regionen aneinander angrenzten und eine Wechselwirkung bestand.
Die neue politische Landschaft
Die Auflösung des Regierungssystems und der Gerichtshöfe des Heiligen Römischen Reiches ging mit einem weitgehenden Zerfall der römischen Kultur einher. Kriegerische Stammeshorden waren die neuen Herrscher. Ein starker Führer umgab sich mit loyalen Kriegern, die mit der Beute aus Überfällen entlohnt wurden. Das Römische Recht wurde durch Stammesrechte abgelöst. Sie basierten darauf, dass Gerichtsverhandlungen durch Kampf und Schwüre entschieden wurden. Auf der Grundlage von Sippenzugehörigkeit entstanden allmählich kleine Königreiche, die zu regieren jedoch schwierig war. Es mangelte an fähigen Staatsbeamten, die Verbindungswege waren schlecht, der Handel stagnierte, und es war wenig oder gar kein Geld im Umlauf. Die Menschen überlebten durch eine Landwirtschaft, die ausschließlich der Selbstversorgung diente. Die Lebensumstände jener Zeit werden als widrig und brutal beschrieben, das Leben selbst war meist nur von kurzer Dauer. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug 30 Jahre, wobei diese Ziffer allerdings durch die niedrige Überlebensrate von Kindern und die hohe Sterblichkeit von Frauen bei der Geburt ihrer Kinder verzerrt wird.
Zu Beginn des Dunklen Zeitalters sah die Machtverteilung in Europa wie folgt aus:
* Franken: große Teile des
heutigen Frankreich
und Teile Deutschlands entlang des Rheins.
* Ostgoten: Norditalien, Schweiz und der Balkan.
* Westgoten: Spanien und Portugal.
* Vandalen: Westliches
Nordafrika, Sizilien und
Süditalien.
* Verschiedene germanische
Stämme einschließlich
Sachsen und Langobarden: Deutschland.
* Angelsachsen: England.
* Kelten: Wales, Irland, Schottland und Britannien.
* Magyaren: Ungarn.
* Slawen: Polen und Westrussland.
* Byzantiner: Türkei,
Palästina, Ägypten, Syrien und
ein Großteil des Balkans inklusive Griechenlands.
In den anschließenden Jahrhunderten kam es zu folgenden Veränderungen:
* Vandalen: wurden besiegt und
von den Byzantinern
abgelöst.
* Westgoten: wurden besiegt und
in Frankreich von
den Franken, in Spanien und Portugal von den
Arabern abgelöst.
* Ostgoten: wurden angegriffen
und letztendlich von
den Langobarden (Italien) und Byzantinern (Balkan)
eingenommen.
Als Dunkle Zeit wird der Zeitraum von 500 bis 1000 n. Chr. betrachtet. Die drei entscheidenden Faktoren, die diese Zeit prägten und sie schließlich zu einem Ende führten, waren die Verbreitung neuer Religionen, der Aufstieg des Fränkischen Reiches und die Raubzüge der Wikinger.
Die Wiederbelebung der Wirtschaft
Zu Beginn der Dunklen Zeit war Nordeuropa noch überwiegend mit Wald bedeckt. Doch schon um 1000 n. Chr. war ein Großteil der Wälder von der Landkarte verschwunden, und auch die übrig gebliebenen Wälder sollten noch in erheblichem Maße abgeholzt werden. An die Stelle des Waldes traten Ackerland und Weiden. Der Boden hatte meist eine hervorragende Qualität. Es war ein Löss aus fein gemahlenem Stein, der sich während der jüngsten Eiszeit abgelagert hatte. Zwei entscheidende Erfindungen beschleunigten den Abholzungsprozess in Europa und führten zu einem Anstieg der Nahrungsmittelproduktion. Die erste war die Erfindung eines speziellen Pferdegeschirrs, das seinen Ursprung in China hatte und von dort allmählich Richtung Westen vordrang. Das verbesserte Geschirr passte über die Brust eines Pferdes ohne dessen Luftröhre abzudrücken, so dass das Tier erheblich schwerere Lasten ziehen konnte, ohne dabei zu ersticken. Die zweite Erfindung war ein Räderpflug, der gebraucht wurde, um den tiefen Boden und das weit verzweigte Wurzelsystem der alten Wälder aufreißen zu können. Der drastische Anstieg der Nahrungsmittelproduktion war die Ursache für Bevölkerungswachstum und eine Wiederbelebung der Wirtschaft in Europa.
Viele Menschen, die nicht mehr auf den Landgütern gebraucht wurden, siedelten in die Städte über. Dort hatte durch den Bedarf an größeren Märkten bereits ein Wachstumsprozess begonnen. Nahrungsmittelüberschüsse und Erzeugnisse aus den neuen Produktionszweigen (z. B. Tuchmacherei, Schiffbau und Werkzeugmacherei) wurden auf den neuen Märkten und Handelsmessen verkauft. Die Könige förderten die Entwicklung der Städte, denn ihre Einwohner waren in der Regel mehr mit der Zentralgewalt als mit den Feudalherren auf dem Lande verbunden. Die Stadtbewohner zahlten Steuern und leisteten keinen Feudaldienst. In den Städten entstand eine neue Mittelschicht, die ihren Lebensunterhalt mit Handel, Produktion und Geldverleih bestritt. Die Kaufleute wurden reich und mächtig und hatten den größten Einfluss in den Stadtverwaltungen.
Handwerker und Händler gründeten Vereinigungen, die Gilden oder Zünfte genannt wurden. Diese Vereinigungen überwachten Preise und Produktion, sorgten für einen hohen Dienstleistungs- und Produktionsstandard und organisierten die Handwerksausbildung durch eine Lehre. Die Kontrollen sicherten einerseits eine hohe Qualität der Erzeugnisse und andererseits eine hohe Lebensqualität der Zunftmitglieder. Die Mitglieder einer Zunft konzentrierten sich oft in einem Stadtteil, wie etwa in der Threadneedle Street ("Schneider-Straße") oder der Ironmongers Lane ("Eisenhändlergasse") in London. Die Zünfte stellten einen einflussreichen Machtfaktor in den politischen Strukturen der Städte dar.
Die Zunahme der Handelsaktivitäten war von einem erneuten Aufschwung der Warenproduktion begleitet. Beide Faktoren führten zur Entstehung des Bankwesens, das seinen Mittelpunkt im 13. Jahrhundert in Norditalien hatte. Damit neue Geschäfte gegründet werden und gewinnbringend arbeiten konnten, wurde Geld benötigt. Geld diente als Zahlungsmittel und Werteinheit und war wichtig, um den unproduktiven Tauschhandel zu überwinden. Italien hatte durch seinen ertragreichen Mittelmeerhandel, insbesondere mit den Levantinern, Geldüberschüsse. Der Goldflorin aus Florenz wurde zur bekanntesten Münze des späten Mittelalters.
Religion
Pilger
Christen stellten ihren Glauben durch Pilgerfahrten nach Rom, Santiago de Compostela und sogar Jerusalem unter Beweis. Pilger, die in Santiago de Compostela gewesen waren, trugen als Erkennungszeichen Herzmuscheln aus Stoff auf ihrer Kleidung.
Kathedralen
Der Reichtum des 12. Jahrhunderts und der Zeit danach fand in zunehmendem Maße in den Künsten, insbesondere in der Architektur seinen Ausdruck. Das herausragende Symbol der mittelalterlichen Baukunst war die Kathedrale. Prächtige Kirchenbauten wurden zu Ehren Gottes als Dank für die den Menschen zuteil gewordenen Segnungen errichtet. Die Städte wetteiferten miteinander beim Bau der prunkvollsten Kathedrale und der am weitesten in den Himmel reichenden Türme. Kathedralen waren die größten finanziellen Unternehmungen jener Epoche. Ihre Erbauung nahm oft ein ganzes Jahrhundert in Anspruch und kostete ein Vermögen.
Kathedralen wurden hauptsächlich aus Stein erbaut, was die Brandgefahr gering hielt. In der damaligen Zeit gab es nur wenig Stahl, und Eisen war zu weich, um diese riesigen Bauwerke mit ihrer bisher nicht da gewesenen Höhe stützen zu können. Die Architekten fanden neue Lösungen für alte Probleme, indem sie Spitz- und Strebebogen konstruierten, die die Belastung von gewölbten Decken auf massive steinerne Stützpfeiler verteilen sollte. Die Neuerungen in der Baukunst ermöglichten den Bau großer, offener Kathedralen, großer Fenster (oft aus wunderschönem bunten Glas) und hoher Türme. Die Franzosen waren die Pioniere beim Bau neuer Kathedralen. Der Grundstein für die Kathedrale Notre Dame in Paris wurde 1163 gelegt, 72 Jahre später war sie fertig gestellt. Mit der Kathedrale von Chartres wurde 1120 begonnen, 1224 war das Werk vollendet, nachdem es zwei Mal während der Bauzeit niedergebrannt war.
Kathedralen waren von entscheidender Bedeutung für Stolz und Ansehen einer Stadt. Durch Pilger und neue Kirchgänger erhöhten sich die Einnahmen der Stadt, in der die Kathedrale stand.
Das Landgut
Die am häufigsten vorkommende Form eines Lehens war der Landbesitz, auch Landgut genannt. Im Mittelalter arbeiteten neun Familien auf einem Landgut und erwirtschafteten Nahrungsmittel zur eigenen und zur Versorgung einer zehnten Familie, die sich einer anderen Aufgabe widmete. (In den Vereinigten Staaten liegt das Verhältnis heutzutage bei etwa 100 zu 1 in umgekehrter Richtung).
Ein typisches Landgut bestand aus einem herrschaftlichen Haus oder einer Burg, umgeben von Feldern, Landhäusern, Weiden und Wald. Die Landgüter waren weitestgehend Selbstversorger. Überschüsse von Erzeugnissen wurden bei anderen Landgütern gegen Mangelwaren eingetauscht. Im Laufe des Mittelalters und mit dem Wachstum der Märkte in den Städten begannen sich die Landgüter auf wenige Erzeugnisse zu spezialisieren und so ihre Herstellung produktiver zu machen. Einige Landgüter spezialisierten sich z. B. auf Käse, Schweinezucht, Wein, Getreide oder Gemüse.
Der Herr eines Landgutes, der Gutsherr, bewohnte das Gutshaus oder die Burg mit seiner Familie, der Dienerschaft und seiner Gefolgschaft. Letztere waren gewöhnlich Ritter und Söldner, die Schutz bieten und den feudalen militärischen Verpflichtungen gegenüber den übergeordneten Lehnsherren nachkommen sollten. Je größer das Landgut, desto größer war auch die Gefolgschaft des Gutsherrn.
Die Bewohner eines Landgutes waren vor allem Bauern, die nicht dem Adel angehörten. Die Knechte waren hauptsächlich Leibeigene, die die halbe Woche auf dem Land des Gutsherren arbeiteten und als Gegenleistung dafür unter dessen Schutz standen. Jede Familie von Leibeigenen besaß einige Reihen auf den Feldern des Landgutes und konnte dadurch den eigenen Lebensunterhalt bestreiten. Leibeigene waren keine Sklaven, doch frei waren sie auch nicht. Ohne die Erlaubnis des Herren durften sie weder heiraten, noch eine andere Arbeit annehmen oder das Landgut verlassen. Leibeigene besaßen im Gegensatz zu Sklaven jedoch bestimmte Rechte. Ihre Stellung war erblich und konnte innerhalb der Familie weitergegeben werden. Solange sie ihren Verpflichtungen nachkamen, konnte ihnen das Land auch nicht genommen werden. Während das Verhältnis zwischen Vasall und Lehnsherr dem von Leibeigenem und Gutsherrn vergleichbar zu sein scheint, so erfolgte im Mittelalter durch einen "Ehrenvertrag" eine klare Abgrenzung zwischen Kriegsdienst und bloßer manueller Arbeit.
Technische Fortschritte im Ackerbau wandelten allmählich das Leben der Leibeigenen im Mittelalter. Die Produktion von Nahrungsmitteln stieg an, und die Überschüsse wurden verkauft. Auf diese Weise kamen die Leibeigenen zu Geld, mit dem sie sich ihre Freiheit erkaufen konnten. Gegen Ende der Epoche gab es nur noch wenig Leibeigene in Westeuropa.
Das Kriegswesen im Mittelalter
Das traditionelle und allgemeine Verständnis vom europäischen Kriegswesen im Mittelalter geht davon aus, dass es die Ritter waren, die in den Jahren 800 bis 1400 die europäischen Schlachtfelder beherrschten. Die Ritter trugen Rüstungen und waren mit Lanzen bewaffnet, um jede Fußtruppe, die sich ihnen in den Weg stellte, auseinanderzutreiben, aufzuspießen oder niederzutrampeln, um dann im Kampf gegen den gegnerischen Ritter die Schlacht entscheiden zu können. Die Ritterzeit fand ihr Ende, als die Infanterie mit neuen Waffen (Feuerwaffen) und einer wieder entdeckten Kampftaktik (Formationen von Pikenieren) wieder eine wichtige Rolle auf dem Schlachtfeld einnahm. Die Auffassung von einem dominierenden Ritterschaft wurde durch die Kunst und die wenigen Berichte aus jener Zeit unterstützt, die immer wieder den berittenen Adligen darstellten und den zu Fuß kämpfenden einfachen Bürgern und Bauern keine Beachtung schenkten. Die Vorstellung, dass die Ritter und berittene Angriffe die Kriegführung beherrschten, entspricht jedoch nicht der Wahrheit.
Fußtruppen waren ein wichtiger Bestandteil jedes mittelalterlichen Heeres. Sie kämpften in Handgemengen und als bewaffnete Truppen (mit verschiedenen Typen von Bögen und später mit Handfeuerwaffen). Das Fußvolk war für beide Seiten entscheidend bei Belagerungen von Burgen und befestigten Städten.
Das Kriegswesen im Mittelalter wurde von Belagerungen jeglicher Art bestimmt. Offene Schlachten zwischen Heeren kamen eher selten vor. Die Heere betrieben eine Art Schachspiel mit verschiedenen Manövern, um wichtige Burgen und Städte einzunehmen, während sie Schlachten, in denen eine große und teure Streitmacht verloren gehen konnte, vermieden.
In den gelegentlich stattfindenden offenen Schlachten konnten sich die Ritter als verheerend erweisen. Ein entschlossener Angriff von gepanzerten Rittern war eine mächtige Waffe. Trotzdem war es wahrscheinlicher, dass jene Seite den Sieg davontrug, die es am besten verstand, die drei Hauptbestandteile des Heeres - Infanterie, Artillerie und Kavallerie - miteinander zu kombinieren. Ebenfalls wichtig waren die Faktoren, die den Ausgang von Schlachten seit jeher beeinflussen, wie zum Beispiel die intelligente Nutzung des Geländes, die Truppenmoral, Führungsqualitäten, Disziplin und Taktik.
Waffen im Mittelalter
Lange Zeit kam es im Mittelalter im Vergleich zur Antike nur zu geringfügigen Weiterentwicklungen in der Waffentechnologie. Die Waffen waren in erster Linie Varianten von Knüppel, Messer, Speer, Axt und Pfeil. Eine wichtige Neuerung war der Reiter in schwerer Rüstung, der die Lanze einsetzte. Der Ritter war erheblich mächtiger als jeder berittene Krieger der Antike. Nur die Kavallerie der Waffengefährten Alexanders des Großen ist in etwa vergleichbar.
Bis zum 10. Jahrhundert hatte Europa die Antike auf fast allen Gebieten, einschließlich der Waffentechnik, überholt. Das Emporkommen des Reiters in schwerer Rüstung löste neue Entwicklungen aus, denn die herkömmlichen Waffen reichten nicht aus, um sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. So entstanden neue Waffentypen, die zur Abwehr und zum Angriff gegen die Ritter dienten.
Der Langbogen und die Armbrust waren Erfindungen des Westens, wenn auch die Armbrust im alten China schon bekannt war.
Die revolutionäre technische Neuerung des Mittelalters war die Entwicklung von Waffen, die mit Schießpulver arbeiteten. Es handelte sich um Kanonen und Handfeuerwaffen, über die später noch berichtet wird.
Handwaffen 1
Der dritte wichtige Bestandteil des mittelalterlichen Heeres waren neben der Kavallerie und den bewaffneten Truppen die mit Handwaffen ausgerüsteten Fußtruppen. Die Infanterie kämpfte Mann gegen Mann und war im offenen Kampf ebenso wichtig wie bei Belagerungen. Zur Infanterie zählten Bauern, einfache Soldaten und unberittene Ritter.
Handwaffen 2
In der Dunklen Zeit kämpften die Franken mit einer Schleuderaxt namens "Francisca", von der sich der Name ihres Stammes ableitet. Die benachbarten Sachsen kämpften mit einem langen, einseitigen Messer namens "Scramasax", von dem sich der Name ihres Stammes ableitet.
Mit dem Aufkommen der schweren Kavallerie entstand das Großschwert, das auch im unberittenen Nahkampf eingesetzt wurde. Unter den verschiedenen Varianten des Schwertes gab es eine zweihändige Version, die zu führen sehr viel Platz erforderte. Die unberittenen Krieger setzten eine Vielzahl von Waffen ein, darunter die (sowohl einseitige als auch zweiseitige) Streitaxt, Streikolben, Morgensterne und Hämmer. Eine Variante des Streitkolbens war eine mit Dornen versehene Kugel, die mit einer Kette an einem Stab befestigt war. Als die Rüstungen verbessert wurden, um die Wirkung des Schwertes abzuschwächen, wurde Hieb- und Stichwaffen der Vorzug gegeben.
Stangenwaffen
Das gesamte Mittelalters hindurch war der Speer eine nützliche Waffe, da er günstig in der Herstellung und einfach zu nutzen war. Einfache Fußsoldaten und Bauern wurden mit Speeren ausgerüstet und in die Schlacht geschickt. In den meisten Fällen war ein solches Hilfsmittel nur von geringem Nutzen, aber mit etwas Erfahrung und Ausbildung konnten große Truppen von Speerkämpfern sehr wirkungsvoll sein.
Stangenwaffen wurden das gesamte Mittelalter hindurch weiterentwickelt, so dass schließlich Fußtruppen, die im Umgang mit Stangenwaffen ausgebildet waren, eine ausgesprochen wirkungsvolle Streitmacht bildeten. Fortschrittlichere Stangenwaffen bestanden aus einer Speerspitze, unter der noch mindestens eine weitere Waffe befestigt war. Diese zusätzliche Waffe konnte eine große, lange Klinge, eine Streitaxt, ein Hammer oder ein Stachel sein.
Langstielige Waffen wurden entwickelt, um sie den Rittern zu Pferd entgegenzusetzen und führten schließlich zum Wiederaufleben einer Truppenaufstellung, die der antiken griechischen Phalanx ähnelte. Pferde griffen keine disziplinierte Formation von Männern an, aus der zusätzlich noch langstielige Waffen hervorragten. Dichte Reihen hoch gehaltener Stangenwaffen boten auch einen gewissen Schutz vor Pfeilen.
Zuerst lernten die Fußsoldaten, sich hinter hölzerne Pfähle zu stellen, die in den Boden gerammt wurden, um die Kavallerie abzuwehren. Dann lernten sie, die Kavallerie mit Hilfe ihrer Speere, Piken und anderer Stangenwaffen abzuwehren. Eine Formation von Fußsoldaten war so in der Lage, sich fortzubewegen und dabei die Pfähle zur Abwehr der Kavallerie mitzunehmen. In einem Handgemenge wurden die diversen, am Ende des Stabes zu befestigenden Waffen dazu eingesetzt, Reiter von ihren Pferden zu ziehen oder zu stoßen bzw. den Reiter oder sein Pferd zu verletzen. Obwohl zu Boden gestürzte Ritter in Rüstungen nicht, wie allgemein angenommen, vollkommen hilflos waren, waren sie zumindest zeitweilig den Männern mit wenig oder ohne Rüstung gegenüber im Nachteil, bevor sie sich wieder aufrichten konnten.
Mit dem Wachstum der Städte in der zweiten Hälfte des Mittelalters begannen diese, ihre eigene Bürgerwehr zur Verteidigung oder für den dem Feudalherrn geschuldeten Kriegsdienst aufzustellen. In der Bürgerwehr waren die Stangenwaffen weit verbreitet, da sie zu einem geringen Preis erworben werden konnten und trotzdem eine hohe Wirkung erzielten. Bürgerwehren exerzierten mit diesen Waffen und entwickelten nützliche Taktiken für die Schlacht. Mit der Zeit lernten Stangenwaffenkämpfer, sich offensiv zu verhalten, nicht nur defensiv. Massierte Formationen von Pikenieren konnten andere Infanterie- und sogar Kavallerietruppen angreifen. Die Schweizer verfügten nicht über das notwendige Gelände, um berittene Truppen aufzustellen, wurden jedoch als Pikeniere berühmt. Oft verdingten sie sich als Söldner in anderen Heeren auf dem Festland. Die von den Städten in den Ebenen von Flandern und dem schottischen Hochland ins Feld geschickten Pikeniere genossen ebenfalls hohes Ansehen.
Fernwaffen
Unterschiedliche Arten von Bögen spielten während des gesamten Mittelalters eine wichtige Rolle in der Kriegführung. Sie wurden im direkten Kampf auf dem Schlachtfeld und bei Belagerungen eingesetzt, gelegentlich auch, um ganze Gebiete unter Beschuss zu nehmen.
Bogen und Armbrust boten die Möglichkeit, dem Gegner bereits aus der Entfernung Verluste zuzufügen. Bogenschützen wurden als leicht bewaffnete Truppen eingesetzt, die für erste Opfer sorgen und die Moral der gegnerischen Truppe bereits im Vorfeld des eigentlichen Gefechts schwächen sollten. Konnte der Feind schon früh geschwächt oder erschüttert werden, erhöhten sich die Chancen der anderen Seite für einen Sieg.
Bögen
Im Mittelalter wurden verschiedene Typen von Bögen verwendet, darunter der Kurzbogen, der Kompositbogen und der Langbogen. Der Kurzbogen war ca. 1 bis 1,20 m lang und verhältnismäßig einfach zu fertigen und zu bedienen. Er wurde vielerorts eingesetzt und war der am weitesten verbreitete Bogen. Er hatte eine mittlere Reichweite, Durchschlagskraft und Treffsicherheit und erforderte solide Kenntnisse, um wirkungsvoll eingesetzt werden zu können.
Der Kompositbogen stammte ursprünglich aus Asien. Er bestand aus mehreren Holz- oder Knochenstreifen, die zu einem Bogen zusammengefügt wurden. Durch diese Maßnahme konnte der Bogen wesentlich wirksamer eingesetzt werden, er erforderte aber auch mehr Kraft und Übung als der einfache Bogen. Der relativ kurze Bogen war insbesondere bei den Mongolen und anderen asiatischen Reitervölkern die bevorzugte Waffe der berittenen Bogenschützen. Eine Variante des Kompositbogens wurde bei der Herstellung an den beiden Enden durch Dampf gebogen. Dieser spezielle Bogen erzeugte eine größere Durchschlagskraft, seine Handhabung bedurfte aber auch eines hohen Maßes an Stärke und Geschick.
Der ursprünglich aus Wales stammende Langbogen fand weite Verbreitung in England. Es war ein etwa 1,80 m langer Bogen, der aus einem einzigen Stück Holz, meist Eibenholz, gefertigt wurde. Mit dem Langbogen konnte ein etwa 1 m langer Pfeil abgeschossen werden. Im Einsatz gegen die Infanterie wurden Pfeile mit breiten Spitzen gewählt, um die Lederrüstung der Soldaten zu durchdringen und Fleischwunden zu verursachen. Wurden sie gegen Soldaten in Rüstung eingesetzt, so wurden die Pfeile mit schmalen Spitzen versehen, um Kettenhemden und Metallrüstungen zu durchbohren. Die korrekte Handhabung eines Langbogens erforderte eine langwierige Ausbildung und sehr viel Übung. Gute Schützen konnten sechs gezielte Schüsse pro Minute abgeben. Langbögen hatten eine große Reichweite und Durchschlagskraft. Große Kontingente erfahrener Langbogenschützen stellten auf vielen Schlachtfeldern des Mittelalters eine verheerende Streitmacht dar. Sie konnten gezielte Einzelschüsse abgeben oder ein ganzes Gebiet mit einem Pfeilhagel überziehen.
Die Engländer förderten den Gebrauch des Langbogens durch Bogenschützenturniere im ganzen Land. An Sonntagen war jeder andere Sport verboten. Auf diese Weise entstand eine große Auswahl an erfahrenen Bogenschützen, die jederzeit rekrutiert werden konnten. Jede englische Grafschaft war dem Gesetz nach verpflichtet, pro Jahr eine bestimmte Anzahl an Bogenschützen zu stellen. Da der Soldatensold verglichen mit dem Lohn für andere Arbeiten sehr hoch war, standen gewöhnlich immer ausreichend Bewerber zur Verfügung.
Armbrüste
Die Armbrust war bereits im alten China bekannt, doch es scheint, dass sie in Europa um 900 neu erfunden wurde. Sie hatte eine große Reichweite und eine bessere Durchschlagskraft als die meisten Bögen, nahm jedoch wesentlich mehr Zeit für das Laden in Anspruch. Ein Armbrustschütze konnte im Durchschnitt zwei Schüsse pro Minute abgeben.
Der Bogen der Armbrust wurde waagerecht gehalten, und der Schuss mit einem Auslöser abgegeben, der die gespannte Bogensehne löste. Um die Armbrust zu laden, musste ihre Spitze auf den Boden zeigen und mit dem Fuß in dieser Position gehalten werden. Die Bogensehne wurde mit beiden Händen oder mit Hilfe einer Winde hochgezogen. Als Geschosse wurden Stralen oder Bolzen benutzt, die kürzer waren als die üblichen Pfeile. Stralen waren mit Federn zur Stabilisierung der Flugrichtung versehen und besaßen eine Metallspitze.
Armbrustschützen trugen in der Schlacht oft eine Pavese, um sich während des Nachladens zu schützen. Die Pavese war ein hoher Schutzschild mit hölzernen Klammern. Eine Truppe von Armbrustschützen konnte mit diesen Schilden eine Mauer bilden, hinter der sie sich zum Laden verschanzen konnte. Beim Abschuss ragten nur die Armbrüste und die Helme über der Mauer hervor. Mussten die Schützen in einem offenen Gefecht gegen eine vergleichbare Truppe von Langbogenschützen antreten, so waren sie gewöhnlich zum Rückzug gezwungen.
Die Armbrust war eine tödliche Waffe und sehr beliebt, da ihre Handhabung nur wenig Übung erforderte. Auch unerfahrene Soldaten lernten den Umgang mit einer Armbrust sehr schnell, und ein gezielter Schuss konnte einen Ritter, der sich sein Leben lang im Umgang mit der Waffe geübt hatte, ohne weiteres töten. In manchen Kreisen, insbesondere unter den Rittern, galt der Kampf mit der Armbrust als unehrenhaft, da sie so wenig Geschick und Übung erforderte. König Richard I. von England, genannt Richard Löwenherz, wurde zweimal vom Bolzen einer Armbrust verwundet. Der zweite Treffer erwies sich als tödlich. Die Vorstellung, dass so bedeutende Männer von einfachen Soldaten oder Männern von noch niedrigerem Rang getötet werden konnten, empörte den Adel. Im 12. Jahrhundert versuchte ein Papst die Armbrust, mit der Begründung sie sei unmenschlich, zu verbieten.
Das Heer im Mittelalter
Die ersten mittelalterlichen Heere bestanden aus kriegerischen Horden, wie es sie bereits in der Antike gegeben hatte. Aus ihnen gingen die Feudalheere hervor, die aus den Vasallen eines Lehnsherrn und deren Gefolge bestanden. Die Vasallen waren verpflichtet, jährlich für eine gewisse Zeit Kriegsdienst zu leisten. Anfangs zogen sie gemeinsam mit den Berufssoldaten des Grundherrn für einige Wochen oder Monate in den Krieg. Später erhöhte sich die Zahl der Berufssoldaten und Söldner in den Heeren der Könige und der wohlhabenden Adligen. Gegen Ende dieser Epoche leisteten die Vasallen nicht mehr Kriegsdienst, sondern Abgaben in Form von Geld. Diese "Kriegssteuer" ermöglichte es den Königen, das ganze Jahr über ein Heer zu unterhalten.
Für die Ritter war der Kriegsdienst eine Frage der Pflicht und Ehre. Sie lebten für den Kampf. Erfolg in der Schlacht war der schnellste Weg, um Wohlstand und Anerkennung zu erlangen. Für die Söldner hingegen gehörte das Kämpfen zum Beruf. Häufig verdingten sich die jüngeren Söhne adliger Herren als Berufssoldaten, denn ihnen blieb kaum etwas, nachdem der älteste Sohn das Erbe der Familie angetreten hatte. Auch für die einberufenen Bauern bedeutete der Kriegsdienst eher eine Pflicht als eine Ehre.
Im 14. und 15. Jahrhundert traten immer mehr Bürgerliche dem Berufsheer bei, da die Bezahlung in der Regel deutlich über dem lag, was friedlichere Tätigkeiten einbrachten. Außerdem übte die Aussicht auf Beute eine starke Anziehungskraft aus. Stammeskrieger hielten ihrem Häuptling die Treue, solange er sie mit Nahrung und Beute versorgte. Diese Ideale hatten ihre Geltung bis ins Zeitalter des Feudalismus behalten. Niederrangige Ritter und Fußknechte brannten darauf, an einem Angriff gegen eine reiche Stadt oder eine Burg teilzunehmen, denn Festungen, die Widerstand leisteten, bargen in der Regel reiche Beute. Ein Soldat konnte durch die Eroberung einer Stadt sein Jahresgehalt vervielfachen. Auch offene Schlachten konnten lukrativ sein. Rüstung und Waffen der Gefallenen konnten verkauft werden, gefangen genommene Ritter brachten Lösegeld ein.
Organisation
Verglichen mit den großen nationalen Armeen moderner Zeiten war die Organisation der Feudalheere einfach. Bis zum Ende dieses Zeitalters gab es keine stehenden Regimenter, Divisionen oder Korps. Wurde eine Feudalarmee zusammengerufen, begab sich jeder Vasall mit seinem Gefolge von Rittern, Bogenschützen und Fußsoldaten zum vereinbarten Treffpunkt. Dort angelangt, sammelten sich die Truppen entsprechend ihrer Funktion im Gefecht. Die Ritter und ihre Knappen marschierten gemeinsam, genau wie es die Bogenschützen und Fußsoldaten taten.
Spezialeinheiten, wie zum Beispiel Belagerungsingenieure und die für die Belagerungsartillerie verantwortlichen Soldaten, setzten sich üblicherweise aus Berufssoldaten zusammen, die speziell für einen Feldzug angeheuert wurden. Als die Türken Istanbul eroberten, bedienten beispielsweise christliche Söldner die in diesem Feldzug eingesetzte Artillerie.
Im späten Mittelalter war der Beruf des Söldners sehr angesehen. So genannte Werbeherren stellten Söldnerheere zusammen, die es den wohlhabenden Gutsherren oder den jeweiligen Städten ermöglichten, eine schlagkräftige Streitmacht aufzustellen. Es gab Söldnerheere, in denen alle Söldner mit derselben Waffe kämpften. In der Schlacht von Crécy im Jahre 1346, zum Beispiel, dienten 2.000 genuesische Armbrustschützen in der französischen Armee. Andere Söldnerheere setzten sich aus Kräften aller Waffengattungen zusammen. Die Größe dieser Heere wurde oft nach der Anzahl der vorhandenen Lanzen gerechnet. Eine Lanze bestand aus einem Ritter und zusätzlichen berittenen Truppen, Fußtruppen und Fernwaffeneinheiten und bildete die kleinste Einheit innerhalb des Heeres. Ein Heer mit 100 Lanzen umfasste somit einige hundert Kämpfer.
Die Befehlsstruktur innerhalb des Feudalheeres war flach. Da es die Manövrierkunst im heutigen Sinne damals noch nicht gab, war ein großer Stab, der den Heerführer unterstützte und seine Befehle weiterleitete, so gut wie nie notwendig.
Im Jahre 1439 führte Karl VII. von Frankreich die Königlichen Ordonanzkompanien ein. Diese Kompanien bestanden entweder aus Rittern oder Infanteristen und wurden durch Steuereinnahmen finanziert. Jede Kompanie verfügte über eine feste Sollstärke; die Rüstungen und Waffen wurden vom König festgelegt und waren nicht mehr persönlichen Vorlieben überlassen. Dies war der Anfang moderner, stehender Armeen in der westlichen Welt.
Versorgung
Versorgung mit Nahrungsmitteln und medizinische Versorgung wurden nur selten eingeplant. Im Mittelalter lebten die Heere von dem, was sie während einer Belagerung oder eines Marsches durch ein Gebiet erlegten oder ernteten. Die Bewohner des jeweiligen Gebietes waren durch die Heere oft großen Strapazen ausgesetzt. Dabei machte es für sie kaum einen Unterschied, ob ihre Felder von einem feindlichen oder einem freundlich gesinnten Heer geplündert wurden. Die mittelalterlichen Armeen verweilten nicht lange in einem Gebiet, da die örtliche Versorgung mit Nahrungsmitteln und Futter schnell erschöpft war. Dieses besondere Problem stellte sich während aller Belagerungen. Traf ein belagerndes Heer keine Vorkehrungen für die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Futter für den Zeitraum der Belagerung, konnten unter Umständen die Vorräte zu Neige gehen. Das Heer war dann gezwungen, die Belagerung aufzuheben, die bei längerem Durchhalten eventuell zum Erfolg geführt hätte.
Die hygienische Versorgung stellte ein weiteres Problem dar, wenn eine Armee längere Zeit an einem Ort verweilte. Ein mittelalterliches Heer führte zusätzlich zu den Pferden der Ritter viele Tiere mit sich. Durch die mangelnde Abwasserentsorgung brachen häufig Krankheiten wie zum Beispiel die Ruhr aus und dezimierten das Heer beträchtlich. Während seines Frankreichfeldzuges verlor Heinrich V. von England in der Schlacht von Harfleur schätzungsweise 15 Prozent seiner Armee durch Krankheiten. Beim Marsch auf Azincourt waren es sogar mehr. In der eigentlichen Schlacht hingegen fielen lediglich 5 Prozent der Männer. Heinrich V. selbst erlag während einer anderen Belagerung einer durch mangelnde Hygiene ausgelösten Infektion.
Aufstellung zur Schlacht
In den meisten Schlachten stellten die Kämpfer auf beiden Seiten sich selbst auf, um dann bei Schlachtbeginn auf den Gegner loszustürmen und zu kämpfen. Feldzüge oder Truppenübungen und Gefechte fanden selten statt.
Vor der Schlacht unterteilten die Befehlshaber ihre Kräfte in einzelne Truppen, z.B. Fußsoldaten, Bogenschützen und Kavallerie, die jeweils spezifische Aufgaben hatten. Diese Gruppen wurden weiter unterteilt und erhielten wiederum eigene Aufgaben oder dienten als Reserve. So konnte ein Befehlshaber zum Beispiel mehrere "Schlachtlinien" oder "Divisionen" von Rittern bilden. Je nach Bedarf konnten diese einzeln ins Feld geschickt oder als Reserve zurückgehalten werden. Bogenschützen wurden, unterstützt von Infanterieblöcken, in der Regel an der Spitze eingesetzt. War das Heer einmal aufgestellt, musste nur noch entschieden werden, wann die vorab aufgestellten Truppen in die Schlacht geschickt werden sollten. Hatte die Schlacht einmal begonnen, bestand für Rückzüge, Neuformierungen oder Umgestaltungen kaum noch eine Möglichkeit. Eine Ritterstreitmacht, zum Beispiel, konnte nur selten mehr als einmal eingesetzt werden. Waren die Ritter ins Gefecht geschickt, wurden entweder Verstärkungstruppen nachgeschickt, oder die Truppen wurden abgezogen. Ein Angriff mit schwerer Kavallerie hatte entweder zur Folge, dass die Truppen versprengt wurden, oder es ging ein so großer Teil an Ausrüstung und Pferden verloren, dass die Streitkraft im Wesentlichen verbraucht war. In der Schlacht von Hastings wurden die normannischen Ritter für weitere Angriffe neu aufgestellt, konnten aber nicht mit ganzer Kraft angreifen, da es ihnen nicht gelang, den sächsischen Schildwall zu durchbrechen.
Taktisch erfahrene Befehlshaber wussten die Landschaft zu ihrem Vorteil zu nutzen und setzten Späher ein, um die Stärken und Schwächen des Feindes einzuschätzen.
Lösegeld
Als abschließenden Lohn für eine siegreiche Schlacht erhielten die Soldaten, neben Anerkennung und Ehre, Lehen. Der unmittelbare Lohn bestand in der Beute, die den gefallenen Gegnern geraubt wurden, der Plünderung besiegter und eingenommener Städte und Schlösser, dem Verkauf von Rüstungen und Waffen der Gefallenen und dem Lösegeld für Gefangene von hohem Rang. Von Rittern wurde erwartet, dass sie Lösegeld zahlten, um ihr Leben zu retten. Eine der höchsten geschichtlich belegten Lösegeldsummen entspricht einem Gegenwert von mehr als 38 Millionen Mark. Diese Lösegeldsumme wurde von einem deutschen Prinzen für die Freilassung Richards I. von England gezahlt, nachdem dieser bei seiner Rückkehr von den Kreuzzügen gefangen genommen wurde.
Bei Azincourt hielten die Engländer eine große Gruppe französischer Ritter in der Nachhut der Truppe zurück, um Lösegeld für sie einzufordern. Während der Schlacht griff ein französisches Truppenkontingent die Nachhut an und versetzte Heinrich V. kurzzeitig in Panik. Um die Freilassung der gefangenen französischen Ritter zu verhindern, befahl er deren Hinrichtung und verzichtete somit auf ein Vermögen an Lösegeldern.
Die Gefangennahme von Rittern wurde von Herolden festgehalten, die Buch darüber führten, welche Soldaten verantwortlich waren und somit das Lösegeld schuldeten. Dann benachrichtigten die Herolde die Familie des Gefangenen, arrangierten die Lösegeldzahlung und sorgten für die Freilassung des Gefangenen.
Die damalige Verbreitung von Lösegeldern mag bemerkenswert zivilisiert erscheinen, dabei verschleiert sie jedoch nur eine dunklere Geschichte. Gefangene von niedrigem Rang besaßen keinen Wert und wurden umgehend getötet, um das Problem ihrer Unterbringung und Verpflegung zu umgehen.
Strategie
Die militärische Strategie des Mittelalters zielte darauf ab, die wirtschaftliche Basis für Reichtum zu schaffen, um in der Lage zu sein, Heere ins Feld zu schicken. Dies bedeutete zunächst, Land zu verwüsten oder zu verteidigen, denn Felder und Weideland bildeten die Basis für jeglichen Wohlstand. Mit der Zeit verlor die Landwirtschaft an Bedeutung, die Städte wurden durch das Aufblühen von Handel und Industrie immer wohlhabender und zunehmend wichtiger.
Burgen zu sichern oder einzunehmen war ein Schlüsselelement des Krieges, denn Burgen dienten zur Verteidigung des Ackerlandes. Die Krieger, die eine Burg besetzt hielten, kontrollierten auch das umgebende Land. Als die Städte wuchsen, wurden auch sie befestigt. Nach und nach wurden die Verteidigung oder Eroberung von Städten wichtiger als der Kampf um Burgen.
Heere führten Feldzüge durch, um strategisch wichtige, befestigte Punkte einzunehmen und das Land zu verwüsten oder um den Feind davon abzuhalten, einen eben solchen Feldzug durchzuführen. Drang der Feind ins Land ein, wurde direkt zum Gegenangriff gestartet, um zu verhindern, dass das Land verwüstet wurde. In der Schlacht von Hastings im Jahre 1066, zum Beispiel, versuchten die Angelsachsen, das Eindringen der Normannen zu verhindern. Die Angelsachsen verloren die Schlacht, und die Normannen führten unter der Flagge von Wilhelm dem Eroberer in den folgenden Jahren einen Eroberungsfeldzug durch, um das Land ihrer Macht zu unterwerfen. Auf dem Lechfeld kämpften im Jahre 955 die Deutschen gegen die ungarischen Angreifer (Magyaren) aus dem Osten. Der entscheidende Sieg der Deutschen unter Otto I. setzte weiteren Angriffen der Magyaren ein Ende. Der Sieg Karl Martells über die Mauren im Jahre 732 beendete die Angriffe der Moslems und drängte sie zurück nach Spanien.
Die Schlachten von Crécy, Poitiers und Azincourt, die alle während des Hundertjährigen Krieges zwischen Engländern und Franzosen stattfanden, dienten allesamt dem Zweck, das Eindringen der Engländer zu verhindern. Die Franzosen verloren alle drei Schlachten, und die Engländer setzten ihre Übergriffe fort. Trotz ihrer zahlreichen Überfälle gelang es den Engländern nicht, das Land dauerhaft in ihre Gewalt zu bringen, und die Franzosen gewannen letztendlich den Krieg.
Das Hauptziel der Kreuzzüge bestand darin, strategisch wichtige Punkte im Heiligen Land einzunehmen und zu halten, um von dort aus das gesamte Land unter Kontrolle zu bringen. Die einzelnen Schlachten sollten die jeweilige Vormachtstellung der einen oder anderen Seite brechen. So ermöglichte der Sieg der Sarazenen unter Saladin in der Schlacht bei Hattim im Jahre 1187 die Rückeroberung Jerusalems.
Kampftaktiken
Mit Fortschreiten des Mittelalters entwickelten sich die Schlachten von Zusammenstößen schlecht organisierter Kriegerscharen zu Gefechten, in denen Taktik und Manövrierkunst eingesetzt wurden. Dies war zum Teil auf die Differenzierung im Heerwesen und die Weiterentwicklung bei den Waffengattungen sowie deren taktischer und strategischer Verwendung zurückzuführen. Die ersten Heere der Dunklen Zeit setzten sich aus Horden von Fußsoldaten zusammen. Mit dem Aufkommen schwerer Kavallerie änderte sich dies, und die besten Heere bestanden aus Ritterscharen. Fußsoldaten wurden mitgeführt, um feindliches Gebiet zu verwüsten und die schwere Arbeit während einer Belagerung zu leisten. Während der Schlacht drohte den Fußsoldaten von beiden Seiten Gefahr, da die Ritter versuchten, ihre Gegner in einen Nahkampf zu verwickeln. Dies galt besonders zu Anfang dieses Zeitalters, denn die Fußsoldaten waren unausgebildete Bauern, die ihrem Feudalherren gegenüber verpflichtet waren, Kriegsdienst zu leisten. Bogenschützen erwiesen sich für die Belagerung ebenfalls als nützlich, liefen jedoch Gefahr, auf dem Schlachtfeld überrannt zu werden.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts gelang es den Befehlshabern immer mehr, ihre Ritter zu disziplinieren, so dass ihre Heere sich als gemeinsam kämpfende Einheit verstanden. Im englischen Heer zollten die Ritter den Langbogenschützen nur widerwillig Respekt, nachdem die Bogenschützen ihren Wert auf vielen Schlachtfeldern bewiesen hatten. Die Disziplin besserte sich weiter, als mehr und mehr Ritter gegen Bezahlung und weniger für Ruhm und Ehre kämpften. In Italien wurden die Söldner bekannt für lange Feldzüge, bei denen nicht viel Blut vergossen wurde. Zu dieser Zeit stellten Soldaten aller Ränge Vermögenswerte dar, die nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurden. Die nach Ruhm strebenden Feudalheere entwickelten sich zu Berufsheeren, die vor allem daran interessiert waren, die Schlacht zu überleben, um ihren Sold ausgeben zu können.
Kavallerietaktiken
Die Kavallerie war üblicherweise in drei Gruppen, oder Divisionen, unterteilt, die nacheinander in die Schlacht geschickt wurden. Die erste Angriffswelle würde entweder durchbrechen oder den Gegner versprengen und somit den Weg für die zweite oder dritte Angriffswelle bereiten. Ergriff der Gegner einmal die Flucht, begann das Metzeln und Morden.
In der Praxis folgten die Ritter eher ihren persönlichen Plänen als denen des Befehlshabers. Für die Ritter standen Ruhm und Ehre im Vordergrund, und deshalb versuchten sie, sich in eine gute Position in der ersten Reihe der vordersten Division zu drängen. Der Gesamtsieg auf dem Schlachtfeld stand hinter der persönlichen Ehre. Sobald der Feind in Sichtweite war, stürmten die Ritter voran und machten somit jeden strategischen Plan zunichte.
Gelegentlich ließen die Befehlshaber ihre Ritter absitzen, um sie besser unter Kontrolle zu haben. Dies war gerade bei kleineren Heeren, die sich in einem Wettstreit von Angriffen nur wenig Hoffnung machen konnten, eine Möglichkeit, die Chancen zu verbessern. Abgesessene Ritter unterstützten die Streitkraft und machten den einfachen Fußtruppen Mut. Die Ritter und anderen Fußsoldaten verschanzten sich auf dem Schlachtfeld hinter Pfählen oder anderen Konstruktionen, die entworfen wurden, um den Angriffen der Kavallerie die Wucht zu nehmen.
Die Schlacht von Crécy im Jahre 1346 ist ein Beispiel für undiszipliniertes Verhalten der Ritter. Das französische Heer verfügte über wesentlich mehr Ritter und war dem englischen Herr damit zahlenmäßig weit überlegen (40.000 zu 10.000). Die Engländer teilten sich in drei Gruppen mit Langbogenschützen, die von in den Boden gerammten Pfählen geschützt wurden. Zwischen diesen drei Gruppen befanden sich zwei Gruppen abgesessener Ritter. Eine dritte Gruppe unberittener Ritter diente als Reserve. Der französische König sandte mit Armbrüsten bewaffnete genuesische Armbrüsten, die das unberittene englische Heer angreifen sollten, während er versuchte, seine Ritter in drei Divisionen zu organisieren. Die Armbrüste waren jedoch feucht geworden und damit unbrauchbar. Sobald die französischen Ritter den Feind erblickten, ignorierten sie die Versuche ihres Königs, eine Schlachtordnung herzustellen und steigerten sich in eine Raserei, indem sie sich mit wilden Schlachtrufen anfeuerten. Mit den Genuesen ungeduldig geworden, befahl der französische König seinen Rittern anzugreifen. Diese stürmten los und trampelten dabei die im Weg stehenden Bogenschützen nieder. Obwohl der Kampf den ganzen Tag andauerte, besiegten die unberittenen englischen Ritter und Langbogenschützen, die ihre Bogensehnen trocken gehalten hatten, die Franzosen, die wie ein undisziplinierter Haufen kämpften.
Gegen Ende des Mittelalters hatte sich die Zahl schwerer Kavallerie auf dem Schlachtfeld auf etwa die gleiche Menge wie die Fernwaffen- und Fußtruppen reduziert. Inzwischen war die Sinnlosigkeit eines Angriffs mit gut formierter und disziplinierter Infanterie immer deutlicher geworden. Die Schlachtordnung hatte sich geändert. Pfähle, Pferdewagen und Schützengräben wurden routinemäßig eingesetzt, um die Heere gegen Angriffe der Kavallerie zu schützen. Bei Angriffen gegen massierte Reihen von Pikenieren und Bogenschützen bzw. Artilleristen blieb nur ein Häufchen gebrochener Männer und Pferde übrig. Die Ritter waren gezwungen, zu Fuß zu kämpfen oder auf eine geeignete Gelegenheit zum Angriff zu warten. Verheerende Angriffe waren immer noch möglich, aber nur, wenn der Feind sich auf dem Rückzug befand, nicht organisiert war oder sich hinter seinem Schutz auf dem Schlachtfeld hervorgewagt hatte.
Taktiken der Fernwaffeneinheiten
Zur damaligen Zeit bestanden Fernwaffeneinheiten hauptsächlich aus Bogenschützen, die einen von mehreren unterschiedlichen Bogentypen benutzten. Zunächst war dies der Kurzbogen, später wurden die Armbrust und der Langbogen entwickelt. Bogenschützen hatten den Vorteil, dass sie den Feind über eine gewisse Entfernung hinweg verwunden konnten, ohne in Nahkämpfe verwickelt zu werden. Der Wert dieser Truppen war im Altertum wohl bekannt, in der Dunklen Zeit ging diese Erkenntnis jedoch zeitweilig verloren. Die Ritter waren im Mittelalter vorherrschend, und ihr Ehrenkodex verlangte einen Kampf Mann gegen Mann mit einem ebenbürtigen Feind. Diesen aus der Entfernung mit einem Pfeil zu töten war für die Ritter unehrenhaft, so dass wenig Anstrengungen unternommen wurden, um diese Waffe weiterzuentwickeln und effektiv einzusetzen.
Es wurde jedoch immer deutlicher, dass Bogenschützen sowohl bei Belagerungen als auch in der Schlacht effektiv und ausgesprochen nützlich waren. Wenn auch widerwillig, schafften immer mehr Heere Platz für sie. Der entscheidende Sieg Wilhelms I. in der Schlacht bei Hastings im Jahre 1066 wurde möglicherweise durch Bogenschützen errungen, obwohl seinen Rittern traditionell die meiste Anerkennung zuteil wird. Die Angelsachsen hielten eine Anhöhe besetzt und bildeten mit ihren Schilden eine geschlossene Front, so dass die Normannen große Schwierigkeiten hatten, durchzubrechen. Einen ganzen Tag lang wogten die Kämpfe vor und zurück. Als die Angelsachsen sich hinter ihrem Schildwall hervorwagten, um die normannischen Bogenschützen anzugreifen, war es ein Leichtes, sie zu überrennen. Eine Zeit lang schien es, als müssten die Normannen scheitern, viele glauben jedoch, dass die normannischen Bogenschützen die Schlacht gewannen. Ein Zufallstreffer verwundete Harold, den König der Angelsachsen, tödlich, und die Schlacht endete kurze Zeit später.
Die unberittenen Bogenschützen kämpften in massierten Formationen von mehreren hundert oder tausend Männern. Aus einer Entfernung von ungefähr 90 Metern abgefeuert, konnten sowohl die Pfeile der Armbrust als auch die des Langbogens die Rüstung des Feindes durchdringen. Auf diese Entfernung konnten Bogenschützen individuelle Ziele ins Visier nehmen. Für den Feind waren diese Schäden verheerend, besonders wenn er dem nichts entgegenzusetzen hatte. Im Idealfall zerstörten die Bogenschützen die feindliche Aufstellung, indem sie sie für einige Zeit unter Beschuss nahmen. Der Feind war zwar einigermaßen sicher, wenn er sich hinter Pfählen verschanzte, er konnte jedoch nicht all die eindringenden Pfeile und Bolzen abwehren. Verließ der Feind seinen Schutz, um die Bogenschützen anzugreifen, traf er auf die gegnerische Kavallerie, die hoffentlich noch rechtzeitig kam, um die Bogenschützen zu retten. Wichen die feindlichen Reihen jedoch nicht von der Stelle, so gerieten sie vielleicht letztendlich doch ins Wanken, so dass die Kavallerie erfolgreich angreifen konnte.
In England wurden Bogenschützen besonders gefördert und unterstützt, da die Engländer in allen Kriegen auf dem Festland zahlenmäßig unterlegen waren. Als die Engländer gelernt hatten, große Kontingente an Bogenschützen sinnvoll einzusetzen, begannen sie, in Schlachten siegreich zu sein, selbst wenn sie gewöhnlich zahlenmäßig unterlegen waren. Den Vorteil der Reichweite des Langbogens nutzend, entwickelten die Engländer den Pfeilhagel. Anstatt auf individuelle Ziele zu schießen, schossen die Langbogenschützen in das vom Feind besetzte Gebiet. Die Langbogenschützen konnten bis zu 6 Schüsse pro Minute abgeben. 3.000 Langbogenschützen konnten also 18.000 Pfeile in eine massierte Aufstellung des Feindes schießen. Die Auswirkung des Pfeilhagels auf Männer und Pferde war verheerend. Französische Ritter, die im Hundertjährigen Krieg gekämpft hatten, berichteten von dem Geräusch, das diese Geschosse in der Luft verursachten, und darüber, dass der Himmel vor lauter Pfeilen schwarz gewesen sei.
Auf dem Festland nahmen Armbrustschützen vor allem in der Bürgerwehr und in den Berufsheeren, die von den Städten aufgestellt wurden, eine wichtige Rolle ein. Mit einer minimalen Ausbildung wurde aus einem Armbrustschützen ein kampfstarker Soldat.
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts erschienen die ersten primitiven Handfeuerwaffen auf dem Schlachtfeld. Als diese funktionierten, waren sie weitaus wirkungsvoller als Bögen.
Bei dem Einsatz von Bogenschützen bestand die Schwierigkeit darin, diese zu schützen, während sie schossen. Um wirkungsvoll zu sein, mussten die Schützen so nahe wie möglich an den Feind herankommen. Die englischen Bogenschützen trugen Pfähle auf das Schlachtfeld, die sie mit Hilfe von Holzhämmern vor der Stelle, von der aus sie schießen wollten, in die Erde rammten. Diese Pfähle gewährten ihnen einen gewissen Schutz vor der feindlichen Kavallerie. Die englischen Bogenschützen verließen sich auf ihre Feuerkraft, um die feindlichen Bogenschützen abzuwehren. Griff der Feind jedoch mit Fußsoldaten an, befanden sie sich eindeutig im Nachteil. Armbrustschützen trugen einen großen Schild, die so genannte Pavese, in die Schlacht. Dieser Schild war mit Stützen versehen. Sie wurden nebeneinander aufgestellt und bildeten eine Art Wall, hinter dem die Männer sich verschanzen konnten.
Gegen Ende dieser Epoche wurden Armbrustschützen und Pikeniere gemeinsam in kombinierten Formationen aufgestellt. Die Piken hielten die feindlichen Nahkampftruppen fern, während die Fernwaffeneinheiten (Armbrustschützen oder Handfeuerwaffen) auf die feindlichen Reihen feuerten. Diese gemischten Formationen lernten, sich fortzubewegen und anzugreifen. Angesichts einer disziplinierten Truppe von Pikenieren, Armbrustschützen und Leichten Kanonieren musste sich die feindliche Kavallerie zurückziehen. Konnte der Feind dieser Truppe keine eigenen Waffen und Piken entgegensetzen, war die Schlacht so gut wie verloren.
Infanterietaktiken
In der Dunklen Zeit bestand die Taktik der Fußsoldaten einfach darin, zum Nahkampf überzugehen und aufeinander los zu schlagen. Um den Feind aufzuhalten, schleuderten die Franken ihre Äxte, kurz bevor sie zum Nahkampf übergingen. Für den Sieg verließen sich die Krieger auf ihre Stärke und ihren Grimm.
Das Aufkommen von Rittern ließ die Infanterie kurzzeitig von den Schlachtfeldern verschwinden, was zum größten Teil darin begründet war, dass es einfach keine disziplinierte und gut ausgebildete Infanterie gab. Bei den Fußsoldaten der frühmittelalterlichen Heere handelte es sich in erster Linie um Bauern, die nur spärlich mit Waffen ausgerüstet waren und keinerlei Ausbildung erfahren hatten.
Die Sachsen und Wikinger entwickelten eine besondere Verteidigungsformation, den so genannten Schildwall, bei dem die Männer nebeneinander standen und ihre langen Schilde so zusammen hielten, dass sie eine Barriere bildeten. So konnten sie sich gegen Bogenschützen und Kavallerie schützen, über die ihre eigenen Heere nicht verfügten.
In den Gebieten, die nicht über die nötigen Mittel verfügten, um schwere Kavallerie ins Feld zu schicken - wie zum Beispiel in gebirgigen Gegenden wie Schottland und die Schweiz - ebenso wie in den aufstrebenden Städten, lebte die Infanterie wieder auf. Gezwungenermaßen wurden in diesen Gebieten Mittel und Wege gefunden, um schlagkräftige Heere, die über nur sehr wenig oder gar keine Kavallerie verfügten, ins Feld zu schicken. Es stellte sich heraus, dass Pferde Angriffe auf Barrieren aus angespitzten Pfählen oder Speerspitzen verweigerten. Eine disziplinierte Truppe von Speerkämpfern war in der Lage, die schwere Elitekavallerie der reicheren Nationen oder Feudalherren aufzuhalten und kostete nur einen Bruchteil dessen, was für eine schwere Kavallerie aufgebracht werden musste.
Für die Teilheere, die so genannten Schiltrons, die die Schotten in ihren Unabhängigkeitskriegen gegen Ende des 13. Jahrhunderts einzusetzen begannen, wurde ein Kreis aus Speerträgern gebildet (wie in dem Film Braveheart zu sehen war). Die Schotten hatten herausgefunden, dass die Schiltrons eine effektive Verteidigungsformation waren. Robert Bruce bot den englischen Rittern nur in sumpfigem Gebiet die Gelegenheit zum Kampf, wodurch die schwere Kavallerie erheblich behindert wurde.
Die Schweizer wurden durch ihre Kämpfe mit der Pike berühmt. Sie ließen die griechische Phalanx im Wesentlichen wieder aufleben und erwarben große Tüchtigkeit im Kampf mit der Langstielaxt. Die Pikeniere stellten sich im Quadrat auf. Die vier äußeren Reihen hielten ihren Piken fast aufgerichtet und nur leicht gesenkt. Somit bildeten sie eine effektive Barriere gegen die Kavallerie. Die hinteren Reihen setzten Stangenwaffen ein, um den Gegner zu attackieren, sobald dieser zum Nahkampf überging. Die Schweizer übten ihre Kampftechniken ein, so dass sie sich in der Formation relativ schnell fortbewegen konnten. Sie verwandelten eine Verteidigungsformation in eine schlagkräftige Angriffsformation.
Den massierten Pikenieren wurde Artillerie entgegengesetzt, die die Reihen der dichten Formation durchpflügte. Diese Technik wurde erstmals erfolgreich von den Spaniern eingesetzt. Die Spanier bekämpften die Pikeniere auch erfolgreich mit Schwertkämpfern, die runde Schilder trugen. Diese waren leicht bewaffnete Männer, die zwischen den Piken hindurchschlüpfen konnten und mit ihren Kurzschwertern angriffen. Ihr Rundschild war ein kleiner, leicht zu handhabender Schild. Gegen Ende des Mittelalters versuchten die Spanier als Erste eine Kombination aus Pikenieren, Schwertkämpfern und Leichten Kanonieren in derselben Formation einzusetzen. So wurde eine Streitmacht gebildet, die es mit allen Waffen auf unterschiedlichem Gelände sowohl im Angriff als auch in der Verteidigung aufnehmen konnte. Am Ende dieser Epoche waren die Spanier die erfolgreichste Streitmacht in Europa.
Die Seefahrerei
Nachdem die Römer die ans Mittelmeer angrenzenden Länder vollständig unterworfen hatten, ging der Bedarf an Kriegsschiffen dort stark zurück. Kein anderes Reich verfügte über eine Seeflotte, die sich mit den Römern hätte messen können, und die Piraten waren aus den Gewässern fast vertrieben. Nach dem Niedergang des weströmischen Reiches entsprangen seinen Ruinen neue Kulturen, und die Piraterie lebte wieder auf. Kriegsschiffe wurden wieder benötigt, um sich gegen Eindringlinge zu verteidigen, die militärische Macht auszubauen und wichtige Handelsrouten zu schützen.
Die byzantinischen Schiffe
Im frühen Mittelalter waren die Byzantiner die große Seemacht des Mittelmeeres. Eine schlagkräftige Flotte war ausschlaggebend für ihr Überleben und die Ausdehnung ihres Reiches. Konstantinopel verfügte über eine ausgezeichnete Landverteidigung, die einen direkten Angriff von der Landseite kaum zugelassen hätte. Die Stadt musste jedoch die Seeseite für die Versorgung offen halten, um eine eventuelle Belagerung zu vereiteln. Solange von den Schiffen Nachschub geliefert werden konnte, war das Überleben der Stadt gesichert.
Das bedeutendste Kriegsschiff der Byzantiner war im frühen Mittelalter die Dromone, die sich, wie die Trireme, aus den antiken Ruderkriegsschiffen entwickelt hatte. Eine typische Dromone war lang und schmal, um eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erzielen. Sie wurde mit Hilfe von 50 bis 200 Ruderern und dreieckigen Lateinsegeln fortbewegt. Jeweils in der Mitte der vorderen und der hinteren Hälfte des Schiffes war ein Mast angebracht. Der Bug der Dromone war mit einem Schiffsschnabel ausgerüstet, der sich in die Schiffe der Feinde bohrte, bevor diese geentert wurden. Rammböcke wurden eher selten eingesetzt. In der Mitte sowie an Bug und Heck wurden Kampfplattformen errichtet, von denen aus mit Bögen oder Katapulten auf die feindlichen Schiffe und deren Mannschaften gefeuert werden konnte. In einer typischen Seeschlacht wurde versucht, das gegnerische Schiff zu rammen oder manövrierunfähig zu machen, um es dann mit Enterhaken an das eigene Schiff heranzuziehen und zu entern.
Die Byzantiner setzten eine wirkungsvolle Geheimwaffe ein, das so genannte "Griechische Feuer", eine Art Flammenwerfer. Es handelte sich dabei um eine Mischung von Chemikalien, die sich bei Luftkontakt entzündete. Diese Mischung wurde aus Schläuchen auf die gegnerischen Schiffe gepumpt oder als Bombe geworfen. Diese Waffe hatte verheerende Auswirkungen auf Holzschiffe und brachte in den Seeschlachten gegen die Araber die Entscheidung zugunsten der Byzantiner. Das Geheimnis des Griechischen Feuers war so bedeutend und so wohlgehütet, dass es letztendlich verloren ging und die Zusammensetzung heute nicht mehr bekannt ist.
Die Schiffe des Mittelmeeres
Durch Ruderkraft angetriebene Kriegsschiffe, so genannte Galeeren, blieben bis über das Ende des Mittelalters hinaus die bedeutendsten Kriegsschiffe im Mittelmeer, da das Meer zumeist von heftigen Stürmen verschont blieb. Gleichzeitig entwickelten sich die italienischen Stadtstaaten Genua und Venedig nach und nach zu Seemächten, was nicht zuletzt durch den zunehmenden Handel mit der Levanteküste bedingt war. Auch die Araber bauten Seeflotten, um Einfluss auf den Handel zu nehmen und um im Kampf gegen Byzantiner und andere christliche Völker um die Vorherrschaft im Mittelmeerraum zu bestehen. Mit dem Beginn der Kreuzzüge im 11. Jahrhundert kamen Schiffe aus Nordeuropa, die völlig anders konstruiert waren.
Die Westeuropäischen Schiffe
Die germanischen Stämme, die Nordeuropa besetzten, entwickelten um das Jahr 500 mehrere neue Schiffstypen. Das typische Handelsschiff besaß einen breiten und tiefen Schiffskörper. Anfangs verfügte es nur über einen Mast; mit wachsender Größe der Schiffe wurden daraus mehrere. Die Wikinger nannten diesen Schiffstyp "Knarr". Heutzutage ist viel über diesen Schiffstyp bekannt, da in den sechziger Jahren ein solches Schiff vom Grund eines dänischen Hafens geborgen wurde. Ein großer Teil der Handels- und Erkundungsreisen der Angelsachsen und der Wikinger wurde mit diesem Schiffstyp unternommen. Später entwickelte sich daraus die Kogge, das bedeutendste Handelsschiff des späten Mittelalters. Dieses tiefgelegene Schiff besaß hervorragende Segeleigenschaften und bot gleichzeitig viel Frachtraum.
Die Seeschlachten in Nordeuropa waren hauptsächlich eine Ausweitung der an Land ausgetragenen Kämpfe. An Bug und Heck der Kogge wurden Türme errichtet, die als Schutz und als Plattform für die Bogenschützen dienten. Sobald die Schiffe sich einander näherten, feuerten die Mannschaften Pfeile aufeinander ab, mit dem Ziel, die Mannschaft und die Soldaten des Feindes außer Gefecht zu setzen. Die Schiffe wurden aneinander manövriert und jeder versuchte, das andere Schiff im Nahkampf einzunehmen. In den Nordmeeren besaßen die Segelschiffe keine Vorrichtungen, um andere Schiffe zu rammen. Bis die Kanonen im 14. Jahrhundert aufkamen, gab es keine Waffe, mit der einem anderen Schiff schwerer Schaden zugefügt oder es gar versenkt werden konnte. In die für das späte Mittelalter typische Seeschlacht von Sluis im Jahre 1340 waren ungefähr 400 englische und französische Kriegskoggen verwickelt, die große Kontingente an Bogenschützen und Fußsoldaten mit sich führten. Die Schiffe wurden einfach mit Haken aneinander gedrängt, so dass die Bogenschützen das Feuer eröffnen und die Truppen zum Nahkampf übergehen konnten.
Das Hauptgeschütz wurde am Bug oder am Heck des Schiffes aufgestellt. Kleinere Kanonen, die an der seitlichen Reling aufgestellt wurden, waren auf die feindliche Mannschaft gerichtet. Das englische Schiff "Christopher of the Tower" aus dem Jahre 1406 war das erste Schiff, das eigens dafür gebaut war, mit Geschützen ausgerüstet zu werden. Erst gegen Ende des Mittelalters begannen die Schiffe, ihre Breitseiten mit Kanonen zu bestücken, deren Kugeln dann den Schiffskörper des Feindes durchschlagen konnten.
Das Langboot der Wikinger, auch Drachenboot genannt, diente eher zu Transport- als zu Kampfzwecken. Die Wikinger kämpften selten von ihren Booten aus. Taten sie es doch, so wurden die Boote ,laut Überlieferungen, aneinandergehakt, um so eine Plattform für einen Nahkampf zu bilden. Bis im 8. oder 9. Jahrhundert Segel eingesetzt wurden, wurde Drachenboote nur von Ruderern angetrieben. Obwohl die Boote zerbrechlich aussahen und nicht den Anschein machten, als seien sie das geeignete Gefährt für eine Ozeanreise, stellte sich bei modernen Nachbauten heraus, dass sie sehr seetüchtig waren. Die zusätzliche Reichweite, die durch die Segel erreicht wurde, erklärt zumindest teilweise, warum die Wikinger im 9. Jahrhundert zu ihren Eroberungsfahrten aufbrachen.
Der irische "Curragh" war ein schmales Boot, das hauptsächlich für den Handel entlang der Küste und für Reisen verwendet wurde, mit dem aber auch auf dem offenen Meer gesegelt werden konnte. Dieses Boot wurde aus Tierhäuten gebaut, die über einen Holzrahmen gespannt wurden. Damit das Gefährt wasserdicht war, wurde die Haut mit Pech versiegelt. Diese unglaublich leichten Boote wurden von einem Segel vorwärts getrieben, konnten jedoch auch mit Rudern bewegt werden. Bei rauem Wetter konnte die Abdeckung aus Tierhäuten geschlossen werden, so dass das Boot abgedichtet war und kaum sinken konnte. Die irischen Mönche erkundeten den Nordatlantik in diesen Booten und erreichten so Island lange vor den Wikingern. Unbestätigten Legenden zufolge sollen die Mönche in diesen Booten sogar bis nach Amerika vorgedrungen sein.
Durch die Kreuzzüge gelangten die Schiffe aus dem Norden ins Mittelmeer, und es kam zum Kontakt zwischen Seeleuten und Schiffbauern aus dem Norden und aus dem Süden. Die Südländer begannen, verschiedene Eigenschaften der Kogge, wie den großen Schiffskörper und das Rahsegel, zu übernehmen, während die Nordländer den Kompass, das Heckruder und das Lateinsegel kennen lernten.
Die chinesischen Schiffe
Die bedeutendsten Schiffbauer des Mittelalters waren vermutlich die Chinesen. Die bekannte chinesische Dschunke war besser als jedes andere Schiff, das über viele Jahrhunderte hinweg im Westen zu finden war. Die Dschunke kombinierte auf hervorragende Weise Frachtraum, Segelschiff und Seetüchtigkeit. Im Jahre 1405 baute der chinesische Admiral Cheng Ho eine große Seeflotte mit 25.000 Mann Besatzung auf und erkundete einen großen Teil des Südwestlichen Pazifiks und des Indischen Ozeans. Bei den chinesischen Machthabern fanden diese Meisterleistung und die damit verbundenen Entdeckungen jedoch nur Verachtung, und sie ließen die zu jener Zeit größten Schiffe der Welt auf Strand setzen, wo sie verrotteten.
Burgen
Festungen und Schanzwerke dienten schon seit der Steinzeit der Verteidigung. Eigentliche Burgen wurden jedoch erst im 9. Jahrhundert teils als Reaktion auf die Überfälle der Wikinger, teils als Manifestation der dezentralisierten feudalen Macht erbaut. Vom 9. bis zum 15. Jahrhundert wurden in Europa Tausende von Burgen errichtet. Eine Zählung in Frankreich im Jahre 1905 kam allein im eigenen Land auf mehr als 10.000 Burgruinen.
Im Zeitalter des Feudalismus sorgten die ansässigen Adligen für Recht und Ordnung und Schutz vor Plünderern, wie etwa den Wikingern. Der Adel baute Burgen zum Schutz und als sicheren Ausgangspunkt für militärische Handlungen. Die offensichtliche Funktion der Burg als Schutzwerk vertuscht allerdings die Tatsache, dass eine Burg in erster Linie auch ein Angriffsinstrument war. Sie diente als Stützpunkt für Söldner - vornehmlich berittene Truppen - die das Umland überwachten. In Zeiten, in denen die Zentralgewalt der Könige aus unterschiedlichen Gründen geschwächt war, sorgte ein Netz von Burgen mit den dazugehörigen Armeen für eine relative politische Stabilität.
Befestigung einer Burg
Das Grundprinzip der Burgbefestigung bestand darin, einerseits die Angreifer so schnell wie möglich zu entdecken und sie beim Angriff größtmöglicher Gefahr auszusetzen, und andererseits die Verteidiger möglichst im Verborgenen zu halten und sie so gut es ging zu schützen. Eine gut konstruierte Burg konnte von einer kleinen Truppe wirksam verteidigt werden und über einen längeren Zeitraum einem Angriff standhalten. Eine starke Befestigung erlaubte es einer mit vielen Vorräten versorgten Verteidigungstruppe, so lange durchzuhalten, bis die Belagerer von einer nachrückenden Befreiungsarmee vertrieben wurden. Oder sie waren gezwungen sich zurückzuziehen, weil ihre Vorräte nicht ausreichten, sie von Krankheiten heimgesucht wurden oder die Verluste zu groß waren.
Hauptturm
Der Hauptturm war eine kleine Festung, die normalerweise innerhalb einer Burganlage stand. Er war ein befestigtes Gebäude, das nicht selten als Wohnstätte des Burgherren diente. Fielen die Außenmauern der Burg, so war der Hauptturm letzter Zufluchts- und Verteidigungsort. Bei vielen Burganlagen wurde mit dem Bau des Hauptturms begonnen, der damit die ursprüngliche Befestigung vor Ort darstellte. Mit der Zeit konnte dann die Burg durch Außenmauern und Türme erweitert werden, die eine erste Schutzanlage für den Hauptturm waren.
Burgmauern
Steinmauern waren feuerfest und dienten als Schutz gegen Pfeile und andere Waffen. Der Feind konnte ohne Hilfsmittel, wie Leitern oder Belagerungstürme, nicht über die steilen Mauern gelangen. Verteidiger auf den Mauern konnten von oben auf die Angreifer schießen oder Geschosse auf sie werfen. Angreifer, die sich offen in der Schusslinie befanden, waren gegenüber den besser geschützten und von oben schießenden Verteidigern in der deutlich schwächeren Position. Die Stärke einer Burg und der Schutz, den sie vor Angriffen bot, wurden noch dadurch verbessert, dass sie, wann immer es möglich war, auf Felsen oder anderen Erhebungen erbaut wurden. Tore und Türen in den Burgmauern wurden auf ein Minimum beschränkt und stark befestigt.
Türme
An den Eckpunkten und bei langen Mauern auch dazwischen dienten Türme als Wachtposten. Es handelte sich um vorspringende Mauertürme, die es den Verteidigern in ihrem Innern erlaubten, seitwärts entlang der Mauer zu schießen. Von den Ecktürmen war dies in zwei Richtungen möglich. Ein Tor konnte von einem Turm an jeder Seite bewacht werden. Einige Burgen bestanden zu Beginn nur aus einfachen Türmen. Sie wurden später mit großen Maueranlagen, einem innen liegenden Hauptturm und weiteren Türmen ausgebaut.
Zinnen
Mauern und Türme wurden häufig weiterentwickelt, um den Schutz der Burgbesatzung zu erhöhen. Plattformen hinter der Mauerkrone ermöglichten es den Verteidigern, zu stehen und zu kämpfen. In die Mauerkrone wurden Nischen eingebaut, damit die Verteidiger schießen und kämpfen konnten und dabei gleichzeitig zumindest teilweise geschützt waren. Diese Nischen konnten mit Holzklappen versehen sein, die zusätzlichen Schutz boten. Schmale Schießscharten konnten in den oberen Mauerabschnitten plaziert werden. Durch diese konnten die Schützen schießen, während ihr Körper fast vollständig geschützt war.
Während eines Angriffs wurden abgedeckte, vorspringende Plattformen aus Holz von der Mauerkrone oder den Türmen herabgelassen. Durch sie konnten die Verteidiger direkt auf die Feinde unterhalb der Mauern schießen, Steine werfen oder kochend heiße Flüssigkeiten auf sie gießen, während sie selber geschützt waren. Felle auf den Dächern des Wehrgangs wurden nass gehalten, damit sie kein Feuer fingen. Konstruktionen aus Stein (Brüstungen) konnten über Toren oder anderen Schlüsselpositionen gebaut werden.
Burggräben, Wassergräben und Zugbrücken
Um den Höhenvorteil der Mauern zu verstärken, konnte ein Graben an ihrem Fuß entlang rund um die Burg ausgehoben werden. Wenn es möglich war, wurde der Graben mit Wasser gefüllt, so dass ein Wassergraben entstehen konnte. Sowohl einfache Burggräben als auch Wassergräben erschwerten direkte Angriffe gegen die Burgmauern. Männer in Rüstungen liefen Gefahr zu ertrinken, selbst wenn sie in relativ seichtes Wasser fielen.
Wassergräben machten es schwierig, die Mauern einer Burg zu untergraben, da die Gefahr bestand, dass der Stollengang beim Bau einstürzte und die Männer ertranken. In manchen Fällen mussten die Angreifer zunächst den Wassergraben trockenlegen, bevor sie mit ihrem Angriff beginnen konnten. Anschließend musste der Graben dann an manchen Stellen wieder zugeschüttet werden, damit Belagerungstürme oder Leitern gegen die Mauer gestellt werden konnten.
Zugbrücken über einfache Burg- oder Wassergräben ermöglichten es den Burgleuten, die Burg zu verlassen und zurückzukehren, wann immer dies erforderlich war. In Zeiten der Gefahr wurde die Zugbrücke hochgezogen, so dass der Graben die Burgmauern wieder vollständig umgab und diese schützte. Die Brücken wurden über einen Mechanismus hochgezogen, der sich im Innern der Burg befand und streng bewacht wurde.
Fallgatter
Ein Fallgatter war eine schweres Gitter, das vor einem Burgtor herabgelassen werden konnte, um den Zugang zur Burg zu versperren. Das Tor befand sich innerhalb eines Torhauses, einem der Wachtposten in der Befestigungsanlage. Der Durchgang zur Burg konnte durch eine Art Tunnel im Torhaus führen und wurde von einem oder mehreren Fallgattern in der Mitte oder an den beiden Enden abgesperrt. Der Kurbelmechanismus für das Fallgatter befand sich im oberen Teil des Torhauses und wurde strengstens überwacht. Das Fallgatter war meist ein Gitter aus massiven Holz- oder Eisenstäben. Verteidiger sowie Angreifer konnten durch das Gatter schießen und stechen.
Außenwerk
Eine stark befestigte Burg hatte sowohl ein Außen- als auch ein Innentor. Zwischen beiden Toren befand sich ein ungeschützter offener Bereich, der Zwinger. Dieser war von Mauern umgeben und als Falle für die Angreifer konstruiert, die durch das Außentor nach innen gelangt waren. Befanden sich die Angreifer innerhalb der Zwingermauern, so hatten sie nur die Wahl durch das Außentor zurückzukehren oder sich den Weg durch das Innentor zu erkämpfen. In dieser Zeit waren sie jedoch ohne jeden Schutz Pfeilen und andere Waffen ausgesetzt.
Verteidiger
In Friedenszeiten konnte eine relativ geringe Anzahl von Männern eine Burg bewachen. Nachts wurden die Zugbrücken hochgezogen und die Fallgatter herabgelassen, so dass das Burgtor versperrt war. Drohte jedoch ein Angriff, so war eine weitaus größere Truppe für den Schutz der Burg erforderlich.
Gute Bogen- und Armbrustschützen wurden gebraucht, die von den Mauern und Türmen auf Gegner feuerten, die einen Angriff wagten oder versuchten, den Wassergraben trockenzulegen oder den Graben anzufüllen. Jedes Opfer auf Seiten des Angreifers beeinträchtigte dessen Moral und Kampfstärke. Schwere Verluste im Waffenfeuer konnten den Gegner zur Aufgabe bringen.
Gelang es den Angreifern, bis zu einem Nahkampf vorzurücken, so war eine starke Truppe von Schwertkämpfern erforderlich, um die Gegner aufzuhalten. Männer, die Steine werfen und heiße Flüssigkeiten von der Brüstung herabschütten konnten, waren vonnöten. Außerdem mussten Männer da sein, die Schäden im Mauerwerk reparieren oder Brände löschen konnten, die durch Feuerwaffen verursacht worden waren. Eine aggressive Verteidigungsarmee versuchte Möglichkeiten zu finden, aus der Burg auszurücken, um die Belagerungsarmee zu überfallen. Ein schneller Ausfall, bei dem ein im Bau befindlicher Belagerungsturm oder Tribok niedergebrannt wurde, konnte einen Angriff hinauszögern und die Angriffsmoral des Gegners schwächen.
In Notfällen wurden die Bauern aus dem Dorf einberufen, um bei der Verteidigung der Burg mitzuwirken. Obwohl sie nicht als Soldaten ausgebildet waren und normalerweise nicht mit Bogen oder Schwert umzugehen wussten, konnten sie viele andere Aufgaben übernehmen.
Burgen- und Festungsbau in Europa
Mit Beginn des 9. Jahrhunderts gab es in der europäischen Landschaft immer mehr Burgen, erbaut von den Mächtigen eines Landes. Es waren zunächst einfach konstruierte Bauten, die sich allmählich zu Steinfestungen entwickelten. Viele gehörten den Königen und ihren Vasallen, die Mehrheit wurde allerdings von den ansässigen Adligen aus Eigeninteresse gebaut. Ihr Bau wurde mit der Bedrohung durch die Barbaren gerechtfertigt, doch dienten sie dem Adel auch zur Kontrolle über ihre Ländereien. Möglich war diese Entwicklung, weil es in Europa in der damaligen Zeit keine strategischen Verteidigungssysteme und nur schwache Zentralgewalten gab.
Charakteristisch für den europäischen Burgenbau ist die französische Region Poitou. Bevor die Wikinger im 9. Jahrhundert mit ihren Raubzügen begannen, gab es lediglich drei Burgen in dieser Region. Im 11. Jahrhundert waren es bereits 39. Ähnlich verhielt es sich in ganz Europa. Burgen konnten schnell erbaut werden, und vor der Erfindung der Kanone hatten die Verteidiger einer Burg gegenüber den Angreifern einen klaren Vorteil.
Der weit verbreitete Bau von Burgen und das Unterhalten großer Einheiten von Soldaten, die für die Verteidigung gebraucht wurden, führte jedoch keineswegs zu Frieden und gegenseitiger Unterstützung bei der Abwehr von Eindringlingen, sondern zu unaufhörlichen kriegerischen Auseinandersetzungen.
Die Entwicklung im Burgenbau
Die ersten Burgen wurden auf einem breiten, eingeebneten und meist etwa 15 m hohen Erdhügel, einer so genannten Motte, gebaut und von einer schützenden Umwallung umgeben. Auf der Motte wurde ein großer Holzturm und unterhalb eine Palisade als Schutz für den dort befindlichen Burghof errichtet. Der Burghof am Fuß des Hügels beherbergte die Vorratslager, Viehställe und Hütten. Sowohl die Motte als auch der Bereich innerhalb der Umwallung waren kleine Inseln, umgeben von einem Wassergraben, der ausgehoben worden war, um die kleine Erhebung zu schaffen. Eine Brücke und ein schmaler steiler Pfad trennten die beiden Bereiche der Burg voneinander. Konnte in Zeiten der Gefahr die Umwallung nicht gehalten werden, zogen sich die Verteidigungskräfte in den Turm zurück.
Im 11. Jahrhundert wurden Erde und Holz beim Bau von Burgen allmählich durch Stein ersetzt. Der Holzturm auf der Motte wurde durch eine runde Steinfestung abgelöst, die sich zu einem Turm, dem Hauptturm der Burg weiterentwickelte. Der alte Burghof und der Hauptturm wurden durch eine Außenmauer aus Stein eingeschlossen, die ihrerseits wiederum von einem einfachen Graben oder einem Wassergraben umgeben war. Ein einziges befestigtes Tor, das durch eine Zugbrücke und Fallgatter geschützt war, führte in die Burg hinein. Das berühmteste Beispiel für eine solche Burg ist der Tower in London, erbaut von Wilhelm dem Eroberer. Die große quadratische Konstruktion stand zunächst allein und wurde hell getüncht, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Spätere Könige erweiterten die Burg durch eine Außenmauer und andere Befestigungsmaßnahmen, die noch heute zu sehen sind.
Die Burgen entwickelten sich weiter, nachdem die Kreuzfahrer von ihren Reisen aus dem Osten mit neuen Erkenntnissen und Erfahrungen über Festungsbau und Belagerungswaffen zurückgekehrt waren. Es wurden konzentrisch angelegte Burgen konstruiert, bei denen ein zentral gelegener Hauptturm von zwei oder mehr Ringmauern umgeben war. Die Mauern wurden zunächst mit eckigen Türmen, später mit runden Türmen verstärkt. Die Ecken der quadratischen Türme konnten leicht attackiert werden und machten so den ganzen Turm verwundbar. Runde Türme dagegen konnten den Angriffen eher standhalten. Die Mauerkronen und Turmspitzen wurden mit Zinnen versehen, um von oben herab noch wirkungsvoller kämpfen zu können.
Im frühen 14. Jahrhundert wurden in Europa zum ersten Mal Kanonen eingesetzt, doch kann vor Mitte des 15. Jahrhunderts kaum von einer effektiven Belagerungsartillerie die Rede sein. Der Einsatz von Kanonen hatte weiteren Einfluss auf die Konstruktion von Burgen. Hohe senkrechte Mauern wurden durch leicht abgeschrägte ersetzt. In der Mitte des 15. Jahrhunderts waren die Burgen vom Verfall gekennzeichnet. Grund dafür war die zunehmende Macht der Könige. Im 11. Jahrhundert hatte Wilhelm der Eroberer alle Burgen Englands zu seinem Eigentum erklärt, um die Macht des Adels zu schwächen. Im 13. Jahrhundert musste der König um Erlaubnis für den Bau einer neuen oder zur Verstärkung einer bestehenden Burg gebeten werden. Die Könige wollten damit die Burgen entmilitarisieren und die Gefahr ihrer Nutzung durch potentielle Rebellen einschränken.
Burgen verkamen zu Wohnstätten des Adels und verfielen zu Ruinen. Im Gegenzug gewannen befestigte Städte zunehmend an Bedeutung, denn der Reichtum des Landes hatte sich in die Städte verlagert.
Die Errichtung einer Burg
Die Bauzeit einer Burg konnte weniger als ein Jahr und bis zu 20 Jahre betragen. Mehrere Jahrhunderte lang war der Burgenbau ein wichtiger Wirtschaftszweig. Steinmetzmeister mit einem gutem Ruf waren gefragte Leute und ganze Gruppen von Burgenbauern zogen von Ort zu Ort. Städte, die eine Kathedrale errichten wollten, mussten sich mit Adligen, die eine Burg haben wollten, um die besten Männer streiten.
Der Bau der Burg Beaumaris in Nord-Wales begann 1295. Sie war symmetrisch angelegt und hatte somit keine Schwachpunkte. Zu Hochzeiten der Errichtung wurden 30 Schmiede, 400 Steinmetze und 2.000 Tagelöhner benötigt. Die Tagelöhner waren für Graben, Schleppen, Heben, Brunnenbau und den Steinbruch zuständig. Diese besondere Burg wurde jedoch niemals fertig gestellt. Die von Eduard I. von England in Auftrag gegebene Errichtung der massiven Burg im walisischen Conway dauerte 40 Monate.
Die Burgmauern bestanden aus Mauerschalen, die mit Steinschutt und Feuerstein, vermischt mit Mörtel, gefüllt wurden. Die Mauerdicke lag zwischen 2 und 5 m.
Die Belagerung von Burgen
Durch die Zunahme von Burgen und befestigten Städten und deren Bedeutung in strategischer Hinsicht war die Eroberung oder Verteidigung von Festungen eine verbreitete militärische Handlung im späten Mittelalter. Auch wenn eine kleine Truppe zur Verteidigung einer Burg genügte, so bedurfte es einer großen Armee sie einzunehmen. Der Angreifer brauchte ein zahlenmäßig großes Heer, um das Umland der Burg zu überwachen, die Befreiungsarmee des Gegners abzuwehren, die Festung anzugreifen oder zumindest den Belagerungsdruck aufrechtzuerhalten. Dies alles war ein kostspieliges Unternehmen.
War eine Armee im Anmarsch auf eine Burg, zogen sich die Burgleute meist ins Innere zurück und nahmen alle wertvollen Dinge, insbesondere Nahrungsmittel und Waffen, mit sich. Wurde eine lange Belagerung erwartet, so konnte es vorkommen, dass den Bauern, die nicht kämpfen konnten, der Zugang zur Burg verweigert wurde, um Nahrungsmittel zu rationieren. Es gibt viele Belege für derartige Fälle, in denen Menschen aus einer belagerten Stadt vertrieben wurden, um die Vorräte zu schonen. Als beispielsweise Heinrich V. von England die Stadt Rouen belagerte, jagten die Verteidiger die Armen und Schwachen aus eben diesem Grund aus der Stadt. Die Engländer wiederum ließen nicht zu, dass diese armen Menschen ihre Reihen passierten. Alte Männer, Frauen und Kinder lebten monatelang zusammengepfercht zwischen der Stadt und der englischen Armee auf der Suche nach allem, was zum Überleben dienen konnte, und viele von ihnen verhungerten, bevor die Übergabe der Stadt ausgehandelt war.
Rückte eine Armee an, so konnten Übergabe und Bedingungen sofort ausgehandelt werden, insbesondere wenn eine Burg oder eine Stadt unterbemannt war. Die Angreifer wägten sorgfältig die Chancen für einen Angriff ab, wenn die Verhandlungen scheiterten. Wurde ein schneller Angriff abgewehrt oder als zu gefährlich betrachtet, umzingelten die Angreifer die Burg und begannen mit ihrer Belagerung. Mit Beschuss der Stadt durch die Belagerungsartillerie war die Belagerung offiziell eröffnet. Ein Rückzug ohne guten Grund galt fast immer als unehrenhaft und unannehmbar.
Eine große Belagerung war mit einem gesellschaftlichen Ereignis zu vergleichen. Die Belagerung der Stadt Neuss im 15. Jahrhundert dauerte nur wenige Monate, doch die Angreifer errichteten ein riesiges Lager, einschließlich Schänken und Tennisplätzen. Adlige, die an Belagerungen teilnahmen, richteten sich häuslich ein und brachten häufig auch ihre Frauen und ihren Haushalt mit. Händler und Handwerker aus den Nachbarstädten machten sich eilig daran, Läden zu errichten und ihre Dienste anzubieten.
Formalitäten der Belagerung
Die Realität der Kriegsführung in jener Zeit sah so aus, dass Burgen und Städte nur selten durch Überfälle erobert wurden. Derartige Angriffe waren meist ein Akt der Verzweiflung oder wurden nur durch List und Tücke möglich. War die Garnison zahlenmäßig nicht absolut überlegen, so kostete ein Überfall einfach zu viele Menschenleben. Weitaus geläufiger war es, eine Belagerung gemäß den gängigen Regeln der Kriegsführung und des Ehrenkodex durchzuführen und die Burg mit relativ geringen Verlusten einzunehmen. Für die Verteidiger wäre es Verrat gewesen, sich ganz ohne Kampf zu ergeben. Deshalb mussten die Angreifer die Belagerung aufrechterhalten und die Burgmauern attackieren. War der Burgherr nicht anwesend, so konnte sein Stellvertreter, der sog. Kastellan, die Burg ohne Ehrverlust nach mehreren Tagen übergeben, wenn keine Befreiungsarmee erschienen war. Kastellane verlangten häufig einen Vertrag, in dem ihre Pflichten und die Umstände, unter denen sie bei einer Übergabe nicht bestraft werden konnten, genau festgelegt waren.
In den wenigen Fällen, in denen eine Übergabe nicht in Betracht kam oder verächtlich zurückgewiesen wurde, war es üblich, wenig Erbarmen mit den Besiegten zu zeigen, wenn der Angriff erfolgreich vorüber war. Einfache Soldaten und sogar Bürger, die sich in der Burg aufhielten, wurden niedergemetzelt, Burg oder Stadt geplündert. Gefangen genommene Ritter wurden meist am Leben gelassen, denn für sie konnte ein Lösegeld gefordert werden. Alle Angreifer erhielten einen Anteil von der Beute. Für die Praxis bedeutete dies ein weiteres Argument für die Verteidiger, nach einer angemessenen Belagerungszeit in die Übergabeverhandlungen einzutreten. Heinrich V. von England nahm 1417 die Stadt Caen nach einer langen Belagerung ein. Danach erlaubte er seiner Armee, die Stadt als Strafe für ihren zähen Widerstand vollständig zu plündern. Alle Männer der Stadt mit Ausnahme der Geistlichen wurden getötet. Bei seinem nächsten Halt, der Burg von Bonneville, waren die Verteidiger nach sieben Tagen, in denen sich keine Befreiungsarmee gezeigt hatte, zur Übergabe bereit, auch wenn beiden Seiten klar war, dass es keine Aussicht auf Befreiung gab.
Die Burg Krak des Chevaliers in Syrien war die berühmteste Kreuzfahrerburg im Nahen Osten und ist bis heute erhalten geblieben. Sie wurde von den Johannitern in der Zeit der Kreuzzüge verteidigt und überstand in über 130 Jahren mehr als ein Dutzend Belagerungen und Angriffe, bevor sie 1271 letztendlich von ägyptischen Arabern erobert werden konnte. Die Geschichte ihrer Einnahme ist ungewöhnlich. Typisch hingegen ist, dass die Verteidiger nicht bis zum Tode kämpften.
Die Araber vermieden einen Angriff durch das Haupttor der Krak des Chevaliers, da dies zu einer ganzen Anzahl von tödlich engen Passagen und zu einem zweiten, noch stärker befestigten Tor geführt hätte. Sie attackierten stattdessen die Südmauer, indem sie den großen Eckturm im Südwesten untergruben. Dadurch konnten sie hinter die äußere Mantelmauer gelangen. Bevor sie den noch stärker befestigten Hauptturm angriffen, versuchten sie es mit einer List. Sie schickten eine Brieftaube mit einer Nachricht des Oberhauptes der Johanniter in die Burg, in der die Garnison aufgefordert wurde, sich zu ergeben. Zahlenmäßig unterlegen und ohne Hoffnung auf Befreiung kamen die Verteidiger der Aufforderung nach. Wenngleich ihnen bewusst war, dass es sich um eine gefälschte Nachricht handelte, konnten sie die große Burg ohne Verlust ihrer Ehre übergeben.
Minen
Das Hauptproblem bei der Einnahme einer Burg oder einer befestigten Stadt bestand in der Überwindung der Mauern, die den Zugang versperrten und die Verteidiger schützten. Eine Möglichkeit bestand darin, einen Mauerabschnitt durch Untergraben, auch Minieren genannt, zum Einsturz zu bringen. Dies war nur machbar, solange die Burgen noch keine Wassergräben hatten bzw. nachdem die Gräben trockengelegt waren. Das Minieren war nicht möglich, wenn die Mauer aus festem Stein gebaut war.
Die Angreifer gruben eine Mine, d. h. einen Stollengang bis zur Mauer und weiter entlang ihres Fußes. Die Mine wurde mit Holzstollen abgestützt, die nach und nach die darüberliegende Last der Mauern abstützten. Zu einem vorab vereinbarten Zeitpunkt wurden die Stollen in Brand gesetzt, so dass der Mauer allmählich die Stütze entzogen wurde und, wenn alles planmäßig verlief, ein Teil von ihr einstürzte. Auf diese Weise verschafften sich die Soldaten den Zugang für einen direkten Angriff auf die Burg.
Stollengänge waren arbeits- und zeitaufwendig. Verteidiger, die das Vorgehen des Angreifers bemerkten, konnten eine zweite Mauer zur Verstärkung hochziehen, so dass beim Einsturz der Mauer die Verteidigungsanlagen dennoch nicht frei zugänglich wurden. Ebenso konnten die Verteidiger ihrerseits Stollengänge unter die Mauern treiben, um die feindlichen Minen abzuschneiden. Trafen die Stollengänge aufeinander, so kam es unter der Erde zum Kampf.
Die Belagerung
Die Belagerungsarmee errichtete Posten um die Burg herum, um die Flucht oder den Ausfall von Soldaten aus der Burg zu verhindern. Die umliegenden Bauernhöfe und Dörfer wurden von den Belagerern eingenommen. Patrouillen wurden ausgesandt, um möglicherweise anrückende Befreiungsarmeen aufzuspüren und Nahrungsmittel aufzutreiben. Die Befehlshaber der Angriffsarmee prüften die Lage und entschieden, ob die Burg lediglich belagert wurde oder ob Vorbereitungen zum Angriff getroffen werden mussten. Konnte die Eroberung durch das Aushungern der Burgbewohner erreicht werden, konzentrierten sich die Angreifer darauf, die Umzingelung aufrechtzuerhalten und Befreiungsarmeen an einer Aufhebung der Belagerung zu hindern. Wurde ein Angriff geplant, so wurde abgewägt, welche der folgenden Möglichkeiten Erfolg versprechend waren:
* Minieren eines Mauerabschnitts.
* Zerstörung eines
Mauerabschnitts durch das
Schleudern von Steinen (oder mit Hilfe von Kanonen,
die allerdings erst um 1450, also erst gegen Ende
dieser Epoche wirkungsvoll eingesetzt werden
konnten).
* Zuschütten eines Teils des
Burggrabens (oder
Wassergrabens, falls vorhanden)
* Aufstellen von
Belagerungstürmen und Leitern zur
Ãœberwindung der Mauern
* Angriff auf ein Tor oder einen
anderen Bereich
mit Rammböcken.
Die Geschwindigkeit, in der die Angriffsvorbereitungen getroffen wurden, hing davon ab, wie dringend die Einnahme der Burg war, welche Aussichten es für eine Übergabe seitens der Verteidiger gab und wie groß die zur Verfügung stehende Mannschaft war. Hatten die Angreifer große Nahrungsmittelvorräte, war keine Befreiungsarmee in Sicht, und war es wahrscheinlich, dass sich die Verteidiger nach Rettung ihrer Ehre ergeben würden, so waren die Vorbereitungen oftmals nur Schau. Waren aber die Vorräte knapp, wurde in Kürze mit dem Eintreffen einer Befreiungsarmee gerechnet, und waren die Verteidiger hartnäckig, so wurden die Vorbereitungen möglicherweise Tag und Nacht vorangetrieben.
Nach Abschluss der Angriffsvorbereitungen erhielten die Verteidiger noch eine letzte Chance sich zu ergeben.
Belagerungsgerät
Belagerungsgerät wurde eingesetzt, um hinter die Mauern oder anderen Verteidigungsanlagen der Burg zu gelangen. Damit sollten die strategischen Nachteile für die zahlenmäßig überlegene Angriffsarmee gegenüber den Verteidigern weitestgehend ausgeschaltet werden. Das meiste Belagerungsgerät diente dazu, die Mauern zum Einsturz zu bringen. Neben der einfachen Sturmleiter waren die im Mittelalter vornehmlich verwendetem Belagerungsmittel der Tribok, die Mange, der Belagerungsturm, der Rammbock oder die Pavese.
War eine Mauer eingestürzt oder ein Belagerungsturm richtig positioniert, so führte eine Truppe von Freiwilligen den Angriff an. Wegen der zu erwartenden Opfer hieß diese Truppe auch der "verlorene Haufen". Die Überlebenden dieser Truppe wurden dafür jedoch meist mit Beförderung, Titeln und Beute reich belohnt.
Der Tribok war ein großes Katapult, das mit einem schweren Gegengewicht, meist ein mit Steinen beladener Kasten, betrieben wurde. Der lange Wurfarm wurde gegen die Schwere des Gegengewichts herabgewunden und mit einem großen Stein beladen. Beim Auslösen des Wurfarms sank das schwere Gewicht schnell zu Boden, der Wurfarm bewegte sich nach oben, und der Stein wurde in hohem Bogen nach vorn geschleudert. Die Geschosse eigneten sich am besten für Ziele wie Turmspitzen, Zinnen und Wehrgangsanlagen. Schwierig war es hingegen, mit dem Tribok steile Mauern zu beschädigen, denn dazu mussten die Geschosse direkt auf der Mauerkrone landen. Der Tribok wurde außerhalb der Reichweite von Bogenschützen positioniert und auch als Verteidigungswaffe eingesetzt, wenn der Gegner einen Ausfall riskierte und versuchte, die Wurfmaschine zu verbrennen. Weiterhin diente er dazu, Holzdächer zu durchschlagen. Die Trümmer konnten anschließend mit Feuergeschossen in Brand gesetzt werden.
Die Mange war ein anderes Katapult, das durch einen Strang gedrehter Seile oder Sehnen ausgelöst wurde. Mittels einer Drehvorrichtung wurden die Seile aufgewickelt und mit einer Sperrklinke arretiert, so dass Spannung aufgebaut wurde. Wurde die Mange ausgelöst, schleuderten die Seile den Wurfarm nach oben. Beim Aufprall auf eine massive Anschlagbarre wurden die Geschosse im Kasten am Ende des Wurfarms vorwärts geschleudert. Die Anschlagbarre konnte verstellt werden, um die Flugbahn des Geschosses zu verändern. Mangen hatten im Vergleich zum Tribok eine flache Flugbahn, konnten aber dieselbe Spannung erzeugen. Oft waren viele Schüsse mit der Mange erforderlich, um eine Mauer ernsthaft zu beschädigen. Die Geschosse und die eingestürzten Mauerteile konnten jedoch zum Zuschütten von Gräben genutzt werden, so dass die Angreifer auf die so entstehenden Trümmerhaufen klettern konnten.
Belagerungstürme wurden zunächst nahe an die Mauern geschoben. Dann wurde von der obersten Plattform des Turmes eine Fallbrücke über die Mauerkrone geworfen. Die Soldaten, die sich in dem Turm befanden, konnten nun über die Mauern stürmen und die Verteidiger in einen Nahkampf verwickeln. Derartige Belagerungstürme waren oft sehr groß und mussten mit feuchten Fällen gegen Feuer geschützt werden. Aufgrund ihres immensen Gewichts waren sie nur schwer beweglich. Sie mussten entweder vorwärts geschoben oder mit Hilfe von zuvor auf Pfosten montierten Rollen gezogen werden. Im Vorfeld musste der Boden entsprechend vorbereitet werden, damit der Turm leichter bewegt werden konnte. Meist wurde eine Art Fahrbahn geschaffen, bestehend aus flachen Holzbrettern, die auf die festgestampfte Erde gelegt wurden. Von einem Kampfbereich auf der obersten Plattform aus konnten die Bogenschützen beim Heranschieben des Turmes an die Mauer in die Burg hineinschießen. Die Soldaten erklommen die Treppen, sobald der Turm nahe genug stand. Wegen der umfangreichen Aufbaumaßnahmen kamen die Angriffe von einem Belagerungsturm für die Verteidiger nie überraschend. Diese ergriffen ihrerseits Maßnahmen, um den gefährdeten Mauerabschnitt zu erhöhen oder das Abwerfen der Fallbrücke zu verhindern. Sie versuchten, den Belagerungsturm mit Haken zu krallen und ihn umzuwerfen. Um solche Verteidigungsversuche zu stören, nahm die übrige Belagerungsmaschinerie den anvisierten Mauerabschnitt so lange unter Beschuss, bis der Angriff starten konnte. Hatte es die erste Angriffstruppe geschafft, vom Turm aus in die Burg zu gelangen, kamen ständig Soldaten nach, um die Einnahme der Burg erfolgreich zu Ende zu bringen.
Der Rammbock bestand aus einem großen, in einem fahrbaren Gestell aufgehängten Baumstamm mit einer Eisenspitze, der gegen einen Mauerabschnitt oder ein Tor gerollt werden konnte. Durch Vor- und Zurückbewegen konnte der Baumstamm immer wieder gegen die Mauer gerammt werden. Durch die Schlagkraft wurden Holztüren oder Steinmauern durchbrochen und ein Zugang für den Angriff geschaffen. Das Dach des Gestells war mit nassen Fellen abgedeckt, um einen Brand zu verhindern. Das Bedienen eines Rammbocks war ein gefährliches Unterfangen. Die Verteidiger attackierten den Rammbock mit großen Steinen, kochend heißem Wasser oder brennendem Fett, um das Gerät zu zerstören oder die Männer zu töten, die es bedienten. Selbst wenn es gelang, ein Tor oder eine Zugbrücke zu zerstören, so mussten meist noch eine Reihe von Fallgattern und das Torhaus überwunden werden. Bei der Belagerung von Tyrus im Winter 1111-1112 verwendeten die Araber eine geniale Verteidigungswaffe gegen den Rammbock. Sie warfen Haken auf ihn herab, die sich in den Baumstamm krallten und zogen ihn von der Wand weg. Immer wieder gelang es ihnen, den Einsatz des Rammbocks zu behindern.
Angreifende Bogen- und Armbrustschützen schützten sich am Boden hinter großen Schilden, den Pavesen. Durch eine schmale Schießscharte am oberen Ende der Pavese konnte der dahinter stehende Mann auf den Gegner schießen. Der englische König Richard Löwenherz wurde von einem Armbrustschützen an der Schulter tödlich verletzt, als er seitlich an seiner Pavese vorbeischaute.
Rom vor seinem Niedergang
Im 4. Jahrhundert n. Chr. erstreckte sich das Römische Reich auf den ganzen Mittelmeerraum einschließlich des Gebietes der heutigen Türkei, Israel, Ägypten und Nordafrika. Das gesamte heutige Frankreich (Gallien genannt) sowie Spanien und Portugal (Iberia) gehörten zum Römischen Reich, während in Schottland und Irland die Barbaren (nicht-römische oder unzivilisierte Völker) herrschten. Die nördlichen Grenzen des Reiches bildeten der Rhein und die Donau. Das Land nördlich dieser Flüsse war von einer Vielzahl von Stämmen skandinavischer Herkunft besetzt, die die Römer Germanen nannten.
Rom war mit den Stämmen nördlich der großen europäischen Flüsse in ständige Grenzstreitigkeiten verwickelt. Waren starke Kaiser an der Macht, so konnte das Reich gelegentlich über die Flüsse hinaus ausgeweitet werden, während unter der Herrschaft schwächerer Kaiser eher Land verloren wurde. Der größte organisierte Gegner der Römer im Osten war das persische Reich, das sich über das heutige Syrien, Iran, Irak und Afghanistan erstreckte. Die Perser waren die politischen Nachfolger der Parther, die sich infolge der Feldzüge Alexanders des Großen gegen die griechische Herrschaft aufgelehnt hatten und anschließend dem Eindringen der Römer erfolgreich Widerstand leisteten.
Mehr als 1.000 Jahre lang war das Römische Reich eine bedeutende Macht. Die Römer brachten dem zivilisierten Westen Stabilität, Wohlstand und Ordnung. Ausgezeichnete Straßen verbanden die entferntesten Ausläufer des Reiches mit der Hauptstadt Rom. Ursprünglich waren diese Straßen für militärische Zwecke gebaut worden, sie dienten jedoch auch insgesamt einer Verbesserung der Verbindungswege und des Handels. Das Römische Recht sorgte für Frieden innerhalb des Reiches, seine Außengrenzen wurden von 20 bis 30 römischen Legionen verteidigt.
Trotzdem war nicht alles perfekt. Die Kaiser besaßen die absolute Macht. Waren fähige Kaiser an der Macht, so war dies von Nutzen, unfähige Kaiser hingegen konnten großen Schaden anrichten. Die Thronfolge war nie eindeutig geregelt, so dass es häufig zu Bürgerkriegen kam, die das Reich schwächten. Die Verwaltung, die das tägliche Leben im Reich regelte, wurde immer korrupter, und die Unzufriedenheit der Bürger immer größer. Der Wohlstand des Reiches konzentrierte sich zunehmend in den Händen einer kleinen Minderheit, während die meiste Arbeit von einer Vielzahl Sklaven verrichtet wurde. Die Grenzen des Reiches waren immens und setzten seine militärischen Ressourcen einer starken Belastung aus (500.000 Soldaten verteidigten eine Grenze, für deren Sicherheit eigentlich drei Millionen oder mehr nötig gewesen wären). Die römischen Eroberungszüge endeten im 2. Jahrhundert n. Chr., und somit versiegte der große Nachschub an Kriegsbeute und Sklaven. Die Steuern stiegen, und die Produktion sank mit dem Wegfall von Arbeitskräften. Im 3. und 4. Jahrhundert fielen vermutlich 20 Prozent der Bevölkerung des Römischen Reiches einer Seuche zum Opfer, wodurch Handel und Produktion weiter geschwächt wurden.
Gegen Ende des 3. Jahrhundert teilte sich das Römische Reich in eine östliche und eine westliche Hälfte. Eine einfachere Verwaltung und eine bessere Kontrolle sollten dadurch gewährleistet werden. Im Jahre 323 wurde Konstantin nach einem Bürgerkrieg Kaiser und errichtete die Hauptstadt des Oströmischen Reiches in Byzanz, das er in Konstantinopel umbenannte. Im Laufe des folgenden Jahrhunderts entwickelten der östliche und der westliche Teil des Reiches nach und nach eine eigene Identität, obwohl es sich dem Namen nach immer noch um dasselbe Reich handelte. Beeinflusst wurde diese Entwicklung zum Teil durch den unterschiedlichen Druck, der von außerhalb der Grenzen und von den örtlichen Kulturen ausgeübt wurde. Im Weströmischen Reich herrschte das Lateinische vor, im Oströmischen Reich das Griechische, obwohl seine Bewohner sich selbst als Römer bezeichneten. Das Oströmische Reich überlebte die Umwälzungen des 3. und 4. Jahrhunderts, weil seine Bevölkerung größer war (70 Prozent der Gesamtbevölkerung des Reiches), es über stärkere Kaiser, mehr Geld, ein weitaus besseres Heer und eine bessere Flotte verfügte.
Barbarische Invasoren
Um das Jahr 200 n. Chr. begannen Nomadenstämme aus den großen Grassteppen Zentralasiens nach China, Indien, Persien und Europa zu wandern. Die Gründe für diese Abwanderung sind nicht ganz klar. Der größte Nomadenstamm waren die Hunnen. Ihre kleine Statur und ihre kleinen Ponys täuschten über ihre wilde, entschlossene Härte hinweg. Sie versetzten andere Stämme, denen sie auf ihren Wanderungen begegneten, in Angst und Schrecken und verursachten so eine Art Dominoeffekt. Auf ihrem Weg nach Westen beispielsweise vertrieben die Hunnen die Goten, die nordwestlich des Schwarzen Meeres lebten. Diese wanderten nun über die Donau in Richtung Süden bis in die Balkanländer, die unter der Herrschaft des Oströmischen Reiches standen. Ein Teil der Hunnen wanderte in die germanischen Ebenen und veranlasste andere germanische Stämme dazu, den Rhein zu überqueren.
Das Weströmische Reich war zu jenem Zeitpunkt durch sporadische Angriffe und Invasionen jenseits des Rheins und der Donau bereits geschwächt. Für die germanischen Stämme mit ihren wachsenden Bevölkerungszahlen war das dünn besiedelte Land in Gallien erstrebenswert. Ebenso wie die Vorzüge, die es mit sich brachte, dem Römischen Reich anzugehören. Um 400 bestand die römische Armee bereits zu 30 bis 50 Prozent aus germanischen Söldnern. Aus Verzweiflung wurden einige Barbarenstämme als ganze Einheiten in die römische Armee aufgenommen, um die Verteidigung gegen andere Stämme zu unterstützen. Diese Praktik war besonders während der Bürgerkriege im 4. Jahrhundert beliebt, als Anwärter auf den Thron in Rom in kürzester Zeit Armeen aufstellen mussten. Diese Barbareneinheiten waren jedoch nicht so loyal und diszipliniert wie die Legionen und wurden von ihren eigenen Anführern befehligt. Diese Überbrückungsmaßnahme scheiterte, denn ganze Barbarenheere revoltierten. Die Rhein- und Donaugrenzen lösten sich auf, und Germanenstämme drangen nach Gallien, in den Balkan und sogar nach Italien vor. An der sich auflösenden Grenze wurde unaufhörlich gekämpft, und die Anzahl der loyalen römischen Truppen verringerte sich stetig.
Die letzten Legionen in Britannien wurden im Jahre 410 zum Dienst nach Gallien abgezogen und verließen somit diese Provinz für immer. Die Angriffe der Sachsen nahmen zu und wuchsen sich zu regelrechten Invasionen aus.
Die Jüten, Friesen und Angeln, andere germanische Stämme von der Nordküste, schlossen sich den Sachsen an. Gemeinsam besiegten sie die römisch-britische Kultur und nahmen das heutige England (Angelland) in ihren Besitz.
Das Oströmische Reich litt unter dem Verlust des größten Teils des Balkans, war jedoch in der Lage, die Barbaren abzulenken oder zu bestechen, bevor sie Konstantinopel angreifen konnten. Die Invasoren in diesem Gebiet waren die Goten, die durch ihren Kontakt mit dem Oströmischen Reich wesentlich zivilisierter geworden waren als die germanischen Stämme entlang des Rheins. Die Goten kamen in erster Linie als Siedler, nicht als Eroberer.
Im 5. Jahrhundert wurde Rom mehrfach eingenommen; das Weströmische Reich existierte nicht mehr wirklich. Italien wurde wiederholt überfallen und verwüstet. Im Jahre 476 wurde der letzte anerkannte Römische Kaiser getötet. Italien und das Alte Römische Reich war nun von germanischen Stämme besetzt. Das allgemeine Bestreben der Barbaren, die Stabilität und Ordnung der vergangenen römischen Kultur zu bewahren, konnte nicht verwirklicht werden. Nur Bruchstücke blieben nach dem Aufruhr und der Verwüstung, die den Überfällen folgten, erhalten. Der größte Teil Europas fiel in eine primitive und barbarische Dunkle Zeit zurück.
Die Dunkle Zeit
Nach dem Untergang Roms begann für Westeuropa eine Epoche, die die Dunkle Zeit genannt wurde. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass ein großer Teil der Kultur und Zivilisation des Römischen Reiches zerstört und von einer barbarischen Kultur abgelöst worden war. Die Bezeichnung wurde nicht zuletzt auch gewählt, weil nur wenig Schriftgut erhalten ist, das Licht auf die Ereignisse jener Zeit werfen könnte.
Religionen in der Dunklen Zeit
Im 4. Jahrhundert wurde das Christentum zur offiziellen Religion des Heiligen Römischen Reiches. Vor dem Untergang Roms begann seine Verbreitung auch unter den germanischen Stämmen. Die Teilung des Heiligen Römischen Reiches in eine östliche und eine westliche Hälfte führte auch zu einer Spaltung innerhalb der christlichen Kirche. Der Westen, der seinen religiösen Mittelpunkt in Rom hatte, wurde katholisch, der Osten mit seinem Zentrum in Konstantinopel wurde orthodox. Im 7. Jahrhundert wurde in Arabien eine der jüngsten Weltreligionen, der Islam, gegründet.
Armeen in der Dunklen Zeit
Die germanischen Stämme, die das Römische Reich zu Beginn des Mittelalters überrannten, kämpften in erster Linie zu Fuß mit Äxten und Schwertern. Sie trugen kaum Rüstung, lediglich Helm und Schild. Organisiert waren sie in Kriegshorden unter der Führung eines Ältesten. Sie waren gefürchtete Krieger, doch sie kämpften als wilde, ungeordnete Scharen. Die geordneten und disziplinierten römischen Legionen waren jahrhundertelang siegreich über die germanischen Stämme, nicht zuletzt weil emotional geleitete Armeen in der Regel leicht verwundbar sind. Als jedoch die römischen Legionen im untergehenden Römischen Reich immer schwächer wurden, gelang es den germanischen Stämmen, über die Grenze vorzustoßen.
Nicht alle germanischen Stämme kämpften zu Fuß. Ausnahmen waren die Goten, die den Umgang mit Pferden erlernten, nachdem sie sich zuvor nördlich des Schwarzen Meeres niedergelassen hatten. Durch den Kontakt mit dem Oströmischen Reich südlich der Donau und den barbarischen Reitern in Asien machten sowohl die West- als auch die Ostgoten Bekanntschaft mit der Kavallerie. In den oströmischen Armeen nahm die Kavallerie wegen der Auseinandersetzungen mit berittenen Barbaren, den Parthern und den Persern einen besonderen Stellenwert ein.
In den Jahrhunderten nach dem Untergang Roms prallten bei den meisten kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa Fußtruppen aufeinander. Eine Ausnahme mögen die Schlachten Arthurs von Britannien gegen die einfallenden Sachsen gewesen sein, obwohl nicht belegt werden kann, dass seine Erfolge auf dem Einsatz der Kavallerie beruhten. Es ist jedoch möglich, dass Arthur das Vordringen der Sachsen in Britannien 50 Jahre lang dank seiner Kavallerie und geordneter Truppen aufhalten konnte. Eine weitere Ausnahme war die byzantinische Armee, die Nordafrika von den Vandalen zurückeroberte und Italien im 6. Jahrhundert beinahe wieder unter oströmische Herrschaft gebracht hatte. Die Stärke des byzantinischen Heeres jener Zeit lag in der Kavallerie. Die Byzantiner profitierten aber auch von einer überlegenen Führung und einem besonderen Verständnis für Kriegstaktiken - Eigenschaften, an denen es den Barbaren mangelte.
In diesen ersten Jahrhunderten wurden Kämpfe von Gruppen ausgetragen, die wohl kaum als Heer bezeichnet werden können. Es waren dieselben Kriegshorden wie zuvor: gemessen an byzantinischem oder asiatischem Standard waren es kleine Einheiten, die Taktik und Strategie nur in beschränktem Maße anwendeten. Die wichtigsten militärischen Handlungen waren Raubzüge zur Beschaffung von Nahrungsmitteln, Vieh, Waffen und Sklaven. Aggressive Stämme breiteten sich aus, indem sie die Vorrichtungen zur Nahrungsmittelherstellung des Feindes zerstörten, ihn auf diese Weise aushungerten und anschließend die Überlebenden als Sklaven nahmen. Eine Schlacht war im Wesentlichen das Aufeinanderprallen kriegerischer Horden, die im Nahkampf mit Äxten und Schwertern fochten. Sie kämpften in undisziplinierten Haufen und nicht in geordneten Formationen, wie sie für die Römer typisch waren. Sie trugen Schild, Helm und Teile einer Rüstung. Üblich war eine Lederrüstung, nur die Ältesten und Elitetruppen trugen Kettenhemden.
Im frühen 8. Jahrhundert fiel das westgotische Spanien an die islamischen Krieger, von denen viele zur leichten Kavallerie gehörten. Zur gleichen Zeit vermehrten sich die berittenen Überfälle nomadischer Magyaren aus dem ungarischen Flachland auf Westeuropa. Im Jahre 732 gelang es einer fränkischen Infanteriearmee, einen berittenen Überfall von Moslems in der Nähe von Poitiers zu zerschlagen, wodurch die islamische Expansion nach Norden beendet wurde. Karl Martell, Kriegsherr der Franken, war von der maurischen Kavallerie so beeindruckt, dass er damit begann, einen Teil seines Heeres mit Pferden auszustatten. Die Umstrukturierung wurde im weiteren Verlauf des Jahrhunderts unter dem bedeutenden fränkischen König Karl dem Großen fortgesetzt. Die fränkische schwere Kavallerie war der Grundstein für das Aufkommen der berittenen Krieger, der Ritter, die für die mittelalterliche Kriegsführung charakteristisch wurden.
30 Jahre lang führte Karl der Große jährlich Feldzüge durch, die sein Reich vergrößerten. Die fränkische Armee verfügte über Infanterie und gewaffnete Kavallerie. Letztere war seine wertvollste Waffe mit der größten Reputation. Die berittenen Krieger konnten sich schnell bewegen und harte Schläge gegen die meist zu Fuß kämpfenden Gegner austeilen. Die Feldzüge Karls des Großen waren Raubzüge, bei denen gebrandschatzt, geplündert, zerstört und der Feind unterworfen wurde. Nur selten traf er auf einen organisierten Gegner.
Die Wikinger kämpften ausschließlich zu Fuß. Es war bei ihnen jedoch üblich, dass sie nach dem Landgang Pferde für Überfälle im entfernteren Inland zusammentrieben. Ihre Raubzüge begannen im späten 8. Jahrhundert und endeten im 11. Jahrhundert. Die Nachkommen dieser Wikinger, die Normannen im Nordwesten Frankreichs, übernahmen rasch den Gebrauch von Pferden und zählten zu den erfolgreichsten Kriegern des späten Mittelalters.
Zu Anfang des 10. Jahrhunderts begannen auch die Deutschen unter Otto I. mit dem Aufbau einer Kavallerie, die eine wirkungsvolle Abwehrwaffe gegen die Raubzüge der Wikinger und die berittenen Überfälle der Barbaren aus dem Osten sein sollte.
Gegen Ende des 10. Jahrhunderts war die schwere Kavallerie ein wichtiger Bestandteil der meisten europäischen Heere geworden. Ausnahmen waren die Armeen der Angelsachsen, der keltischen Länder (Irland, Wales und Schottland) und von Skandinavien.
Das Christentum
Die Christianisierung der Barbaren trieb die Zivilisation mächtig voran und trug dazu bei, dass Spuren des Römischen Rechtes und die lateinische Sprache in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal ihren Niederschlag fanden. Nur in England konnte sich die katholische Kirche zunächst nicht gegen die heidnischen Religionen durchsetzen. Die Franken traten unter Chlodwig der katholischen Kirche bei und brachten das Christentum über den Rhein zu den Germanen. Byzanz hingegen gelang es, die Bulgaren und Slawen in die orthodoxe Kirche zu einzugliedern.
Im frühen 5. Jahrhundert wurde das Christentum von St. Patrick nach Irland gebracht und breitete sich von dort nach Schottland und vom Norden her zurück nach England aus. Im späten 6. Jahrhundert entsandte Papst Gregor der Große vom Süden her Missionare nach England. Innerhalb eines Jahrhunderts hielt das Christentum auch in England wieder Einzug.
Klöster
In den Unruhen der Dunklen Zeit zogen sich einige tiefgläubige Christen von der Gesellschaft zurück, um als Einsiedler zu leben. Sie taten dies meist an einsamen und verlassenen Orten am Rande der Zivilisation. Diese Einsiedler wiederum inspirierten andere herkömmliche Priester, sich der Armut und dem Dienst am Nächsten zu versprechen, wobei sie sich auf die Lehren Jesu Christi beriefen.
Viele dieser Priester gründeten neue Gemeinschaften mit Gleichgesinnten, die von den Gläubigen Klöster genannt wurden. Papst Gregor unterstützte den Bau von Klöstern überall im christlichen Europa. In Teilen Europas waren sie die einzigen verbleibenden Zentren des Studiums und der Lehre. So wird z. B. irischen Mönchen zugute gehalten, dass ihre Klöster Horte der Zivilisation gewesen seien. Sie zogen in andere Teile Europas aus, um dort zu lehren und das Interesse an Wissen und Bildung neu zu entfachen. Die meisten gelehrten Männer fanden sich in den Klöstern, und oft waren nur sie in der Lage, staatliche Verwaltungsaufgaben zu erfüllen. Viele von ihnen wurden daher zu wichtigen Assistenten der Könige. Mit der Zeit wurden die Klöster, wie auch die katholische Kirche, durch die Schenkung von Ländereien immer reicher. Verschiedene Orden mit unterschiedlicher Zielsetzung wurden gegründet. Einige davon verblieben in der Zurückgezogenheit, andere bildeten Missionare aus, die in die Wildnis ausgesandt wurden, andere berieten die Päpste in Fragen der Kirchendoktrin und wiederum andere verschrieben sich dem Dienst am Nächsten, wie etwa in den Bereichen der Alten- und Krankenpflege und der Nothilfe.
Der Islam
Der Islam wurde im 7. Jahrhundert in Arabien von dem Propheten Mohammed gegründet. Er verbreitete sich rasch und führte zu einer großen Eroberungsbewegung. Die politische Landkarte Nordafrikas, des Nahen Ostens und Zentralasiens änderte sich beinahe über Nacht. Ganz Nordafrika, die Iberische Halbinsel, der Nahe Osten, Kleinasien, Irak, Iran, Afghanistan, Teile von Indien, Pakistan und ein Teil Russlands traten dem Islam bei. Während der kurzen Zeit, in der das Islamische Reich vereint war, drohte es damit, der gesamten Welt seinen Glauben aufzuzwingen. Die Stabilität und das wirtschaftliche Wachstum in der neuen islamischen Welt brachten weitaus früher Frieden und Wohlstand als dies in Westeuropa der Fall war. Die islamische Kultur übertraf sogar die der Byzantiner in den Bereichen Kunst, Wissenschaft, Medizin, Geografie, Handel und Philosophie.
Konflikte zwischen den Moslems und Christen führten zu den Kreuzzügen. Sie wurden von den Christen Westeuropas durchgeführt und verfolgten das Ziel, das Heilige Land in Palästina zurückzuerobern.
Die Feudalzeit
Die vorherrschende wirtschaftliche und politische Struktur des Mittelalters war der Feudalismus. Dieses System entwickelte sich als Reaktion auf den Zusammenbruch der Zentralgewalt und das durch den Untergang des Römischen Reiches verursachte Chaos. Eine Hierarchie mächtiger, durch einen Treueid verbundener Männer ersetzte das römische Gefüge von Kaiser, Senat, Provinz, Stadt und Landkreis.
Der Lehnsvertrag
Der Feudalismus, das Lehnswesen, war eine Gesellschaftsform, die auf einer Vereinbarung zwischen zwei Adligen beruhte, einem Lehnsherrn und einem Vasallen. Der Vasall war seinem Herrn gegenüber durch einen Eid zu Treue und Dienst verpflichtet. Die wichtigsten Pflichten bestanden gewöhnlich im Kriegsdienst (normalerweise bis zu 40 Tagen im Jahr), in der Bereitstellung von Soldaten für die Armee des Lehnsherrn und der Abgabe von Einkünften. Der Lehnsherr seinerseits verpflichtete sich, seine Armee zum Schutz des Vasallen einzusetzen und ihm die Mittel für den Lebensunterhalt zur Verfügung zu stellen. Der Vasall erhielt die Herrschaft über ein Lehen, meist ein großes Landgut. Das Lehen konnte aber auch in Form eines Amtes verliehen werden, wie Steuereintreiber, Münzpräger, Zollbeamter oder eine andere Funktion, die Einkünfte erbrachte. Ein Lehnsherr mit mehreren Vasallen verfügte also über eine beständige Einnahmequelle und eine Armee. Der Lehnsvertrag wurde auf Lebenszeit abgeschlossen. Der Lehnsherr konnte seinem Vasallen das Lehen wieder entziehen, wenn dieser seine Pflichten nicht erfüllte. Weitaus schwieriger war es für den Vasallen, sich von seinem Herrn zu lösen. Im frühen Mittelalter waren Lehen nicht erblich, was für die Lehnsherren von Vorteil war. Je mehr Lehen ein Lehnsherr verleihen konnte, desto mehr würden sich seine Vasallen darum bemühen. Mit fortschreitendem Mittelalter fanden die Vasallen jedoch Möglichkeiten, ihre Lehen erblich zu machen, so dass die Lehnsherren immer weniger Lehen zur Entlohnung besaßen.
Nur Adlige und Ritter durften den Treueid leisten. In der Praxis waren die meisten Adligen sowohl Vasallen als auch Lehnsherren und standen im sozialen Gefüge irgendwo zwischen dem König und dem Ritter des untersten Ranges. Das Lehnswesen war jedoch nie sorgfältig strukturiert, und die Vasallen konnten mächtiger sein als die Herren. Die Herzöge der Normandie beispielsweise besaßen mehr Macht als ihre Herren, die Könige von Frankreich. Vasallen konnten mehreren Lehnsherren verpflichtet sein, was dann zu Schwierigkeiten führte, wenn verschiedene Herren von dem Vasallen gleichzeitig einen Dienst forderten. Gewöhnlich erhielt der älteste Lehnsherr den Vorzug. Die Adligen entdeckten außerdem, dass sie, sofern sie mächtig genug waren, die Regeln des Feudalismus brechen und ihre Nachbarn angreifen konnten, um das zu bekommen, was sie haben wollten. Derartige Privatfehden waren typisch für das gesamte Spätmittelalter.
Der Zerfall des Feudalsystems
Politische Veränderungen
Zu Beginn des Spätmittelalters war Westeuropa in Lehnsgüter unterschiedlichster Größen zersplittert. Die an der Spitze der Lehnshierarchie stehenden Könige übten keine starke Zentralgewalt aus, und die einzelnen Nationen waren eher kulturelle als politische Einheiten. Gegen Ende des Spätmittelalters waren England, Spanien, Portugal und Frankreich unter der Kontrolle starker Zentralgewalten. In diesen Regionen war den Lehnsherren die politische Macht entzogen worden.
Nach seiner Eroberung des englischen Throns im Jahre 1067 schuf Wilhelm der Eroberer die erste starke europäische Monarchie. Nach seinem Sieg in Hastings und fünf weiteren Jahren des Kampfes zur Niederschlagung des verbleibenden Widerstandes, unternahm er Schritte zur Konsolidierung seiner Macht. Er behielt ein Sechstel Englands als Eigentum der Monarchie. Die Hälfte des verbleibenden Landes wurde normannischen Herzögen als seinen direkt untergebenen Vasallen als Lehen verliehen. Ein Viertel des Landes erhielt die Kirche, und der Rest wurde unter den Angelsachsen aufgeteilt. Die gesamte Feudalgesellschaft musste ihm als Lehnsherrn die Treue schwören. Er beanspruchte den Besitz sämtlicher Burgen, verhinderte Kriege zwischen den Lehnsherren und verfügte, dass einzig und allein die königliche Währung erlaubt war. Dies waren erste wichtige Maßnahmen, die zum Niedergang des Feudalismus führten, auch wenn sie nicht immer durchgesetzt werden konnten, besonders unter nachfolgenden, weniger starken Königen als Wilhelm.
Im 12. Jahrhundert richtete König Heinrich II. von England einen Gerichtshof und die Rechenkammer ein und begründete damit die Anfänge eines Staatsdienstes. Der Gerichtshof führte Buch über Gesetze und königliche Transaktionen, die Rechenkammer war für die Finanzen zuständig. Beide Ämter waren nicht vererbbar, so dass unbeliebte Beamte einfach abgesetzt werden konnten. Die Beamten dieses neuen Staatsdienstes erhielten an Stelle eines Lehens ein Gehalt und standen somit nur in Abhängigkeit zum König.
1215 wurde der ungeliebte König Johann I. von England gezwungen, die Magna Charta zu unterzeichnen. Dieses Dokument unterwarf den König dem Gesetz des Landes und räumte den Herzögen mittels eines Großen Rates ein Mitspracherecht bei Entscheidungen des Königs ein. Der Wortlaut der Magna Charta führte zu wichtigen Auslegungen in späteren Jahrhunderten, einschließlich des Grundgedankens von "no taxation without representation", d. h. dass eine Besteuerung ohne Vertretung im Parlament nicht gestattet sein solle. Als ein späterer englischer König die Magna Charta missachtete, rissen 1264 die Herzöge die Macht an sich und regierten vorübergehend mit Hilfe eines erweiterten Großen Rates, der Parlament genannt wurde. Dem neuen Parlament gehörten nicht nur Herzöge und hochrangige Kirchenmänner, sondern auch Vertreter der großen Städte an.
Auch wenn diese parlamentarische Regierung nur von kurzer Dauer war (15 Monate), konnte das Parlament selbst nicht mehr unterdrückt oder übergangen werden. Von dieser Zeit an war allein das Parlament berechtigt, von ihm beschlossene Gesetze wieder aufzuheben. Steuern konnten nur mit seiner Genehmigung auferlegt werden. Benötigten die Könige kurzfristig Geld (wie etwa während des Hundertjährigen Krieges), so mussten sie als Gegenleistung häufig Teile ihrer Macht abtreten. Parlament und Staatsdienst gewannen an Bedeutung und bewiesen, dass sie, unabhängig von den Fähigkeiten des jeweils amtierenden Königs oder von vorübergehenden Aufständen des Adels, das Land regieren konnten.
Während König, Staatsdienst und Parlament die Macht der Herzöge von oben beschnitten, wurde gleichzeitig von der Basis der feudalen Hierarchie Druck nach oben ausgeübt. Mehrere Faktoren wirkten auf die Aufhebung der Leibeigenschaft hin, darunter die wachsenden Bevölkerungszahlen in den Städten, das Ende barbarischer Überfälle und eine gefährliche Seuche, die Europa im 14. Jahrhundert heimsuchte.
Der Schwarze Tod
Die Pest, die als Schwarzer Tod in die Geschichte einging, traf Europa ganz plötzlich und hatte verheerende Auswirkungen in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Sie verbreitete sich von Zentralasien aus Richtung Westen und trat 1346 am Schwarzen Meer auf. Von dort drang sie in südwestlicher Richtung bis zum Mittelmeer vor und dann weiter zur und um die Nordatlantikküste herum bis zur Ostsee. 1348 wurden Spanien und Portugal von der Pest heimgesucht, 1349 England und Irland, 1351 Schweden, 1353 das Baltikum und Russland. Nur entfernte und dünn besiedelte Regionen blieben von ihr verschont. Modernen Schätzungen zufolge starb etwa ein Drittel bis die Hälfte der Bevölkerung Europas, des Nahen Ostens, Nordafrikas und Indiens an der Pest.
Die Pest war wahrscheinlich eine Erscheinungsform der Bubonenpest, einer bakteriellen Infektionskrankheit, die auch heute noch vorkommt und nach wie vor gefährlich ist. Die Bakterien wurden über den Speichel von Flöhen, die das Blut infizierter Ratten gesaugt hatten, übertragen. Wenn die Ratten starben, sprangen die Flöhe auf menschliche Wirte über. Dadurch konnten sich die Bakterien rasch in der Blutbahn des menschlichen Organismus ausbreiten. Die Seuche erhielt ihren Namen aufgrund ihres ausgeprägtesten und grausamsten Symptoms: große schwarze und schmerzhafte Beulen, die Blut und Eiter absonderten. Weitere Krankheitserscheinungen waren hohes Fieber und Benommenheit. Die meisten Menschen, die von der Pest befallen wurden, starben innerhalb von 48 Stunden. Nur eine kleine Minderheit konnte die Krankheit besiegen und überlebte.
Ganze Landkreise wurden durch die Epidemie entvölkert, und das soziale Gefüge zwischen Leibeigenen und ihren Herren brach entzwei. Alle Menschen, die Land bebauen oder andere Arbeiten verrichten konnten, waren wertvoll. Die Besiedlung der Städte beschleunigte sich, als die Seuche vorüber war.
Karl der Große
Im Verlauf des 7. und 8. Jahrhunderts konnten die Franken unter der Herrschaft verschiedener starker Könige und Kriegsherren ihr Königreich auf dem Gebiet des heutigen Frankreich festigen. Im Jahre 732 besiegten sie ein moslemisches Heer, das von der Iberischen Halbinsel her in Frankreich einfiel. Um 750 drangen die Franken nach Italien vor, um Rom und den Papst vor den Angriffen der Langobarden zu retten. 768 wurde Karl der Große zum König der Franken erhoben und begann seine außergewöhnliche Regentschaft.
Karl der Große kehrte 774 über die Alpen nach Italien zurück und befreite den Papst ein weiteres Mal. Er war nun zugleich König der Franken und der Langobarden und besaß die eigentliche Macht über Rom. Karl der Große setzte seine Eroberungen fort und bekehrte seine Feinde dabei zum Christentum. Südfrankreich und die nördlichen Teile Spaniens wurden von ihm annektiert. Er zog ins westliche Deutschland, bekehrte die Sachsen und vertrieb die Magyaren aus Ungarn. An den Grenzen gründete er "Grenzmarken", Pufferstaaten zwischen dem fränkischen Reich und den barbarischen Stämmen im Osten. Am Weihnachtstag im Jahre 800 wurde Karl der Große vom Papst zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gekrönt.
Die Bedeutung Karls des Großen geht über die Entstehung und die Größe des Heiligen Römischen Reiches hinaus, das nach seinem Tod ohnehin auseinander fiel. Er unterstützte und verteidigte die katholische Kirche, mit deren Hilfe er auch Bildung und Kunst förderte. Kathedralen wurden zur Errichtung von Schulen verpflichtet, in denen Beamte und Adelige unterrichtet wurden. Ziel war es, Regierung und Verwaltung besser zu gestalten. Er trug Gesetze zusammen, ließ sie schriftlich niederlegen und verbesserte damit das Rechtssystem. Er führte das Feudalsystem ein, um die regionale Ordnung zu stärken und gleichzeitig an der zentralen Machtposition festhalten zu können.
Dennoch wurde das große Versprechen, dass vom fränkischen Reich ein Auferstehen Europas ausgehen sollte, schon nach kurzer Zeit gebrochen. Nach dem Tod von Karls Sohn wurde das Reich unter seinen Enkeln in drei Teile aufgeteilt. Der westliche Teil entwickelte sich später zum heutigen Frankreich. Aus dem östlichen Teil bildete sich Deutschland heran. Der mittlere Teil wurde von den nachfolgenden Generationen in den anderen beiden Gebieten bis ins 20. Jahrhundert hinein beansprucht. Ein dringenderes Problem stellten die Überfälle der skandinavischen Wikinger dar, die Nordeuropa in den folgenden zwei Jahrhunderten in Atem hielten.
Waffen und Ausrüstung der Kavallerie
Seit um 1000 v. Chr. das erste Mal Kavallerie in Erscheinung getreten war, erfüllten berittene Truppen in der Schlacht wichtige Funktionen. Sie dienten als Späher, Kämpfer, Stoßtruppen in Handgemengen, als Nachhut und zur Verfolgung des sich zurückziehenden Feindes. Je nach Ausrüstung und Ausbildung unterteilte sich die Kavallerie in verschiedene Kategorien, die für unterschiedliche Aufgaben eingesetzt wurden. Die leichte Kavallerie trug nur wenig oder gar keine Rüstung und war am besten als Späher, Kämpfer oder Nachhut geeignet. Die schwere Kavallerie trug Rüstung und diente als Angriffstruppe gegen den Feind. Alle Arten von Kavallerie konnten hervorragend zur Verfolgung des Feindes eingesetzt werden.
Die Ritter des Mittelalters gehörten der schweren Kavallerie an. Ihr Ehrenkodex legte Wert auf ihre Rolle als Angriffstruppe gegen feindliche Kavallerie und Infanterie. Ab dem 13. Jahrhundert wurde von gewaffneten Soldaten gesprochen, um zu Pferd oder zu Fuß kämpfende Krieger in Rüstung zu beschreiben. Dieser neue Begriff bezog sich gleichermaßen auf Ritter wie auf Knappen, Angehörige des niederen Adels und Söldner.
Während eines Kampfes waren die Ritter durch ihre Schnelligkeit, ihr einschüchterndes Auftreten, ihre Kraft und ihre Größe eindeutig im Vorteil. Im Laufe des Mittelalters verbesserte sich die Ausrüstung der Ritter, so dass diese ihren Vorteil gegenüber anderen Kämpfern noch weiter ausbauen konnten.
Waffen
Der Speer, und später dann die lange Lanze, waren die Waffen, mit denen die Kavallerie die Schlacht eröffnete. Diese Waffen waren hervorragend geeignet, um den zu Fuß kämpfenden Gegnern, besonders den flüchtenden, Stiche zu versetzen. Der Speer, den der Reiter vor sich hielt, verstärkte noch den bedrohlichen Anblick, den die angreifende Truppe bot. Ein großer Teil der Kraft des Pferdes konnte im Moment des Zustoßens auf die Speerspitze übertragen werden. Der angreifende Ritter wurde damit zu einer gewaltigen Waffe.
Über die Bedeutung des Steigbügels für das Emporkommen der Ritter sind die Historiker sich nicht einig. Der Steigbügel tauchte erstmals in Asien auf und gelangte im 8. Jahrhundert nach Europa. Manche nehmen an, dass der Steigbügel für den Aufstieg der Ritter entscheidend war, denn er ermöglichte es dem Reiter, sich und seine Lanze abzustützen, so dass die gesamte Kraft des angreifenden Pferdes auf die Spitze der Lanze übertragen werden konnte. Der Vorteil dieser Kraftübertragung ist unbestritten, jedoch wird auch angeführt, dass der Hochsattel, der zu Zeiten der Römer entwickelt wurde, bereits jene Kraftübertragung ermöglichte, bevor es den Steigbügel gab. Der Wandteppich von Bayeux, der die Landung Wilhelms des Eroberers in England im Jahre 1066 darstellt, zeigt, dass die hoch angesehenen normannischen Ritter ihre Speere hauptsächlich über der Schulter ansetzten und als Stoß- oder Wurfspeere einsetzten, nicht aber wie eine Lanze anlegten. Zu dieser Zeit war der Steigbügel in Europa bereits seit mindestens zwei Jahrhunderten bekannt. Bis zum Ende des Mittelalters galt der berittene Angriff von Rittern mit angelegten Lanzen als Inbegriff des Ritterkampfes. Aber auch diese Kampftaktik erwies sich nicht immer als die richtige.
Der erste Angriff der Ritter endete meistens mit dem Verlust von Speer oder Lanze oder ging in ein allgemeines Handgemenge über. In beiden Fällen wichen die Ritter auf eine andere Waffe aus. Für gewöhnlich war dies das Schwert. Das Schwert der Kavallerie entwickelte sich zum Säbel mit einer breiten schweren Klinge, die ein in den Bügeln stehender Reiter mit gewaltiger Kraft auf den Kopf oder den Oberkörper seines Gegners schwingen konnte. Schwerter waren die bevorzugten Waffen der Ritter, da sie am Körper getragen, zur Schau gestellt und personifiziert werden konnten. Im Nahkampf waren sie die am häufigsten eingesetzten Waffen. Da gute Schwerter sehr kostspielig waren, war der Besitz eines eigenen Schwertes meistens dem Adel vorbehalten.
Als weitere Nahkampfwaffen standen der Hammer und der Streitkolben (Weiterentwicklungen des Knüppels), die Streitaxt und der Morgenstern zur Wahl. Hammer und Streitkolben wurden von kämpfenden Geistlichen und Mönchsrittern bevorzugt. Indem sie Waffen mit scharfen Kanten mieden, versuchten sie sich so an die Worte der Bibel zu halten und Blutvergießen zu vermeiden.
Niemals setzte ein Ritter Fernwaffen jeglicher Art ein. Den Feind aus der Entfernung mit einem Pfeil, einem Bolzen oder einer Kugel zu töten, galt als unehrenhaft. Wenn immer es möglich war, kämpften Ritter gegen ebenbürtige, ihrem Rang entsprechende Gegner und töteten diese von Angesicht zu Angesicht oder gar nicht.
Rüstung
Gegen Ende des Römischen Reiches trugen die Römer und einige der eindringenden germanischen Stämme, wie zum Beispiel die Goten, Kettenhemden. Das Kettenhemd blieb auch unter den europäischen Adligen im Mittelalter weit verbreitet, bis im 13. Jahrhundert der weitaus besser schützende Panzermantel in Gebrauch kam. Der Wechsel vollzog sich unter anderem, weil ein Pfeil oder die scharfe Spitze eines Schwertes ein Kettenhemd durchlöchern konnten. Ein Überwurf, Wappenrock genannt, wurde über dem Kettenhemd getragen. Dieser Wappenrock wurde besonders häufig in den Kreuzzügen getragen, um die Sonne zu reflektieren.
Die Helme entwickelten sich von einer einfachen, konischen Form über große Metallkübel zu einem großen, plastisch gearbeiteten Kopfschutz, an dem die Pfeile abprallen sollten. Spätere Helme konnten mit der am Körper getragenen Rüstung verbunden werden.
Im 14. Jahrhundert tauchten Rüstungen für den ganzen Körper auf, die bis zu 30 Kilogramm wogen. Die Metallrüstungen waren gut gearbeitet, und die Ritter verfügten in ihnen über eine erstaunliche Beweglichkeit. Ein zu Boden gefallener Ritter in Rüstung war keineswegs hilflos und konnte leicht wieder aufstehen. Es gibt Berichte und Darstellungen von Männern, die in Rüstung einen Handstand und andere Gymnastikübungen ausführten. Bei der weiteren Entwicklung der Rüstung wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass die Rüstungen Geschosse abwehrten und die für Hiebe anfälligsten Stellen verstärkt wurden. Gegen Ende der Ritterzeit erschienen kunstvoll gearbeitete Ganzkörperrüstungen, die jedoch eher bei zeremoniellen Kämpfen und als Prestigeobjekte getragen wurden, als dass sie einen praktischen Zweck erfüllten.
Für einen Ritter, der sich selbst und seinen Knappen ausstatten musste, war eine Rüstung eine kostspielige Angelegenheit. Ein hoher Adliger hatte viele Ritter mit Rüstungen zu versorgen. Die Herstellung von Rüstungen war ein wichtiger Geschäftszweig, und im Mittelalter tat sich ein großer Markt für gebrauchte Rüstungen auf. Die auf der siegreichen Seite kämpfenden, einfachen Soldaten konnten ein Vermögen damit machen, im Kampf gefallenen Rittern ihre Rüstungen abzunehmen und zu verkaufen.
Pferde
Besonders stolz waren die Ritter auf ihre Pferde, bei deren Zucht viel Wert auf Schnelligkeit und Stärke gelegt wurde. Darüber hinaus war eine gründliche Ausbildung nötig, um die Pferde bei Angriffen und Handgemengen einsetzen zu können. Die Pferde wurden so trainiert, dass sie beim Angriff kaum über die Zügel gelenkt werden mussten, so dass der Ritter seine Hände für Schild und Lanze frei hatte. Unter den Historikern herrscht Uneinigkeit darüber, ob die Ritter eher schwere Pferde ritten, die den Ritter in voller Rüstung tragen konnten, oder ob kleineren Pferden aufgrund ihrer Schnelligkeit und Wendigkeit der Vorzug gegeben wurde.
Die Reitkunst war ein weiterer Punkt, durch den sich die Eliteritter von den Rittern niederen Ranges unterschieden. Reitkunst wurde auf der Jagd praktiziert, einer beliebten Freizeitbeschäftigung des Adels, die auch heute noch in den traditionellen Fuchsjagden gepflegt wird.
Der Aufstieg der Ritter
Zur Zeit Karls des Großen waren berittene Krieger die Eliteeinheiten der fränkischen Armee. Diese Neuerung übertrug sich auf das übrige Europa. Der Kampf zu Pferde war der glorreichste, weil der Krieger in die Schlacht reiten, sich schnell bewegen und niederrangige Gegner, die zu Fuß kämpfen mussten, niedertrampeln konnte. Traf Kavallerie auf Kavallerie, so wirkten der Sturmangriff und die gewalttätigen Attacken auf die Reiter geradezu berauschend. Die Reiterei hatte den höchsten Stellenwert, da Pferde, Waffen und Rüstung sehr kostspielig waren. Nur Wohlhabende oder Gefolgsleute der Reichen konnten sich den Kampf zu Pferde leisten.
Könige der ausgehenden Dunklen Zeit hatten nicht die erforderlichen Mittel, um größere Kontingente der teuren Kavallerie zu unterhalten. Krieger wurden zu Vasallen und erhielten Lehen. Von den Gewinnen, die sie durch das Land erwirtschafteten, mussten sie Pferde und Ausrüstung bezahlen. In den meisten Fällen unterstützten die Vasallen auch Söldnertruppen. Zu einer Zeit, als die Zentralgewalt schwach und Verbindungswege schlecht ausgebaut waren, war der Vasall, unterstützt von seiner Gefolgschaft, für Recht und Ordnung innerhalb seines Lehnsgutes verantwortlich. Durch Annahme des Lehens erklärte sich der Vasall bereit, für seinen Herren den Waffendienst zu leisten. Auf diese Weise waren der hohe Adel und Könige in der Lage, Armeen aufzubauen, wenn sie sie benötigten. Die Eliteeinheiten dieser Armeen waren die berittenen Vasallen.
Im Laufe des Mittelalters wurden diese berittenen Eliteeinheiten Westeuropas Ritter genannt. Ein Verhaltenskodex, der als Rittertum bezeichnet wurde, entwickelte sich. Er zeigte in allen Einzelheiten auf, wie ein Ritter zu leben hatte. Die Ehre des Ritters stand über allem, sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten. Dies traf allerdings in erster Linie auf das Verhältnis zu seinem Herren und nicht zum gemeinen Volk und den Bauern zu, die die Mehrheit der Bevölkerung ausmachten. Die Ritter wurden zur herrschenden Klasse, die das Land überwachten, dem aller Reichtum zu verdanken war. Die Aristokraten waren zunächst adlig aufgrund ihres Ranges und ihres Ansehens als beste Krieger in einer gewalttätigen Welt. Im Laufe der Zeit wurden Status und Ansehen erblich, und die Bedeutung des Kriegers verlor an Gewicht.
Das Rittertum
Als die Bezeichnung "Rittertum" zum ersten Mal auftrat, wurde damit die Reitkunst bezeichnet. Die Kriegerelite des Mittelalters unterschied sich von den Bauern, dem Klerus und allen anderen durch ihre Fähigkeiten als Reiter und Krieger. Schnelle und starke Pferde, schöne und schlagkräftige Waffen sowie gute Rüstungen waren die Statussymbole jener Tage.
Im 12. Jahrhundert hatte sich die Vorstellung von Rittertum auf die gesamte Lebensform ausgeweitet. Die Grundprinzipien ritterlicher Lebensart waren:
* Schutz der Frauen und Schwachen
* Eintreten für Gerechtigkeit gegen Unrecht und Übel
* Liebe zum Vaterland
* Verteidigung der Kirche unter Einsatz des eigenen Lebens.
Die Praxis zeigte, dass Ritter und Adlige den Ehrenkodex nicht beachteten, wenn er ihnen nicht passte. Fehden zwischen Adligen und Kämpfe um Land waren weitaus wichtiger als sämtliche Verhaltensregeln. Die germanische Stammessitte, der zufolge der Besitz des Ältesten unter seinen Söhnen aufgeteilt wurde statt nur an den ältesten Sohn zu gehen, führte nicht selten zu Kriegen unter den Söhnen, die den Besitz für sich alleine beanspruchen wollten. Ein Beispiel dafür ist der Streit zwischen den Enkelsöhnen Karls des Großen. Das Mittelalter war gekennzeichnet von derartigen Privatfehden, in denen in aller Regel die Bauern die großen Verlierer waren.
Im späten Mittelalter schufen die Könige Ritterorden. Dies waren exklusive Vereinigungen von hochrangigen Rittern, die ihrem König und einander die Treue schworen. Mitglied eines Ritterordens zu werden, hatte einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert und kennzeichnete den Mann als einen der bedeutendsten des Reiches. Im Jahre 1347, während des Hundertjährigen Krieges, gründete Eduard III. von England den Orden vom Hosenband, der auch heute noch existiert. Diesem Orden gehörten 25 der höchstrangigen Ritter Englands an, die dem König Loyalität und Siegeswillen im Krieg sichern sollten.
Der Orden vom Goldenen Vlies wurde 1430 von Philipp dem Guten von Burgund gegründet und entwickelte sich zum reichsten und mächtigsten Orden in Europa. Ludwig XI. von Frankreich stiftete den Orden des Heiligen. Michael, um seine einflussreichsten Adligen zu kontrollieren. Die Orden von Calatrava, Santiago und Alcantara wurden gegründet, um die Mauren aus Spanien zu vertreiben. Unter Ferdinand II. von Aragonien, dessen Ehe mit Isabella von Kastilien die Grundlage für ein gesamtes spanisches Königreich legte, wurden sie vereinigt. Er wurde schließlich Großmeister über diese drei Orden, die jedoch eigenständig blieben.
Aufnahme in den Ritterstand
Im Alter von 7 oder 8 Jahren wurden die Knaben des Adels als Pagen an den Hof eines hohen Adligen gesandt. Pagen wurden von den Frauen am Hofe des Herren in den grundlegenden gesellschaftlichen Pflichten unterrichtet und begannen damit, den Umgang mit Waffen und Pferden zu erlernen. Mit etwa 14 Jahren wurden die Jungen zu Knappen, d. h. zu Anwärtern auf den Ritterstand. Knappen wurden einem Ritter zugeteilt, der sich weiter um die Erziehung der Jungen kümmerte. Der Knappe war Begleiter und Diener eines Ritters. Seine Pflichten bestanden darin, die rostanfällige Rüstung und die Waffen des Herrn zu warten, dem Ritter beim An- und Auskleiden zu helfen, auf dessen Hab und Gut zu achten und vor seiner Tür als Wache zu schlafen.
Bei Turnieren und in der Schlacht stand der Knappe seinem Ritter zur Seite. Er brachte ihm Ersatzwaffen und -pferde, behandelte die Wunden, brachte den verwundeten Ritter aus der Gefahrenzone oder kümmerte sich um eine standesgemäße Beisetzung, wenn dies nötig wurde. In vielen Fällen zog der Knappe mit seinem Ritter in die Schlacht und kämpfte mit ihm Seite an Seite. Ein Ritter vermied es, gegen einen Knappen der gegnerischen Seite zu kämpfen und zog nach Möglichkeit einen Ritter gleichen oder höheren Ranges vor. Knappen dagegen suchten den Kampf gegen einen feindlichen Ritter, um Ruhm und Ehre durch das Töten oder die Gefangennahme eines hochrangigen Ritters zu erlangen.
Neben der militärischen Ausbildung entwickelten die Knappen sich durch Spiele weiter, sie lernten zu lesen, manchmal sogar zu schreiben und widmeten sich Musik, Tanz und Gesang.
Im Alter von 21 Jahren war ein Knappe berechtigt, die Ritterweihe zu empfangen. Geeignete Kandidaten, auch als Novizen bezeichnet, wurden von den Burgherren oder einem anderen hochrangigen Ritter in den Ritterstand erhoben. Die Zeremonie der Ritterweihe war zunächst sehr einfach. Gewöhnlich wurde der zukünftige Ritter mit einem Schwert auf seiner Schulter berührt, d. h. "zum Ritter geschlagen", anschließend wurde ihm der Schwertgürtel umgeschnallt. Im Laufe der Zeit wurde die Zeremonie immer aufwendiger, und auch die Kirche nahm einen Platz in dem Ritus ein. Die Novizen mussten ein reinigendes Bad nehmen, ihr Haar wurde geschnitten, und sie mussten die ganze Nacht im Gebet wachen. Am nächsten Morgen wurden ihnen dann das Schwert und die Sporen verliehen.
Der Ritterstand konnte normalerweise nur von denen erlangt werden, die Land oder Mittel besaßen, um den Pflichten nachkommen zu können, die von diesem Rang erwartet wurden. Bedeutende Fürsten und Bischöfe waren jedoch in der Lage, ein ansehnliches Kontingent an Rittern zu unterhalten, so dass viele auf diese Weise die Ritterwürde erlangten. Knappen, die sich im Kampf besonders bewährten, konnten von einem hohen Adligen auch während einer Schlacht befördert und auf dem Schlachtfeld zum Ritter geschlagen werden.
Turniere
Schaukämpfe zwischen Rittern - Turniere genannt - traten im 10. Jahrhundert auf. Sie wurden auf dem zweiten Laterankonzil unter Papst Innozenz II. sowie von den europäischen Königen geächtet, die diese, ihrer Meinung nach "frivolen Spielereien" verurteilten, da immer wieder Ritter verwundet oder getötet wurden. Turniere erfreuten sich jedoch zunehmender Beliebtheit und wurden zu einem festen Bestandteil des ritterlichen Lebens.
Turniere begannen als einfache Wettkämpfe zwischen einzelnen Rittern, wurden jedoch im Laufe der Jahrhunderte immer ausgefeilter. Sie wurden zu bedeutenden gesellschaftlichen Ereignissen, die Gäste und Teilnehmer aus der Ferne anzogen. Spezielle Schranken (Turnieranlagen) mit Tribünen für die Zuschauer und Zelten für die Wettkampfteilnehmer wurden aufgebaut. Die Ritter traten weiterhin allein im Wettbewerb auf, zusätzlich aber auch in Mannschaften. Sie duellierten sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Waffen und führten Massenschaukämpfe mit ganzen Ritterverbänden auf jeder Seite aus. Berittene Kampfspiele, auch Tjost genannt, bei denen zwei aufeinander zustürmende Ritter einander mit Lanzen bekämpften, wurden zur Hauptattraktion. Ritter kämpften, wie heutzutage die Athleten, um Preise, Ruhm und die Blicke der Damen, die von den Tribünen aus das Geschehen verfolgten.
In den Turnieren des 13. Jahrhunderts starben so viele Männer, dass die Herrschenden einschließlich des Papstes alarmiert waren. 60 Ritter starben beispielsweise bei einem Turnier, das 1240 in Köln stattfand. Der Papst wollte, dass möglichst viele Ritter für die Kreuzzüge ins Heilige Land zur Verfügung standen und die Männer nicht in Turnieren verlieren. Als Folge wurden die Waffen stumpf gemacht und Regeln eingeführt, um Verwundungen zu vermeiden. Doch ernste und tödliche Verletzungen blieben nicht aus. So wurde z. B. Heinrich II. von Frankreich in einem Zweikampf anlässlich der Vermählung seiner Tochter tödlich verwundet.
Gewöhnlich wurde zu einem freundschaftlichen Kräftevergleich aufgerufen, doch waren die Gegner untereinander verfeindet, so konnte der Kampf einen tödlichen Ausgang haben. Die Besiegten in einem Turnier wurden gefangen genommen und zahlten den Siegern für ihre Freilassung ein Lösegeld in Form von Pferden, Waffen oder Rüstung. Die Herolde registrierten die Turnierergebnisse wie heutzutage Spielstände im Fußball. Ein Ritter niedrigen Ranges konnte seinen Reichtum durch Preise vermehren oder das Herz einer wohlhabenden Dame erobern.
Ritterorden
Während der Kreuzzüge wurden militärische Ritterorden ins Leben gerufen, um die Ziele des Christentums in der Kreuzzugsbewegung zu unterstützen. Sie wurden zu den entschlossensten Kreuzfahrern und den meistgehassten Feinden der Araber. Die Orden blieben bestehen, nachdem die Kreuzzüge in Palästina mit Niederlagen geendet hatten.
Der erste dieser Orden waren der so genannte Templerorden, auch Templer genannt, der 1108 gegründet wurde, um das Heilige Grab in Jerusalem zu beschützen. Die Templer trugen einen weißen Umhang mit einem roten Kreuz und gelobten dieselben Tugenden wie ein Benediktinermönch: Armut, Keuschheit und Gehorsam. Die Templer zählten zu den tapfersten Verteidigern des Heiligen Landes. Sie waren die letzten Kreuzfahrer, die das Heilige Land verließen. In den darauf folgenden Jahren wurden sie durch Schenkungen und den Geldverleih gegen Zinsen zu einem sehr reichen Orden, was ihnen den Neid und das Misstrauen des Königs eintrug. 1307 klagte Philipp IV. von Frankreich sie wegen mehrerer Verbrechen einschließlich der Ketzerei an, ließ sie gefangen nehmen und nahm ihnen ihr Land ab. Andere europäische Herrscher folgten diesem Beispiel, so dass der Templerorden zerstört wurde.
Der Ritterorden des Heiligen Johannes von Jerusalem, die Johanniter (oder auch Hospitalliter), hatte ursprünglich das Ziel, sich um die Kranken und Armen zu kümmern, die zum Heiligen Grab pilgerten. Rasch vollzog sich jedoch der Wandel zu einem militärischen Orden. Seine Mitglieder trugen rote Umhänge mit einem weißen Kreuz und legten ebenfalls das Gelübde des Heiligen Benedikt ab. Die Johanniter stellten hohe Anforderungen an sich selbst und ließen nicht zu, dass ihr Orden reich wurde oder in Trägheit verfiel. Als sie durch die Eroberung ihrer großen Burg, der Krak des Chevaliers, gezwungen waren, das Heilige Land zu verlassen, zogen sie sich auf die Insel Rhodos zurück, die sie über viele Jahre hinweg verteidigten. Nach ihrer Vertreibung von Rhodos durch die Türken ließen sie sich auf Malta nieder.
Der dritte große Militärorden war der Deutschritterorden bzw. Deutschherrenorden, der 1190 ins Leben gerufen wurde, um die deutschen Pilger im Heiligen Land zu beschützen. Doch noch vor dem Ende der Kreuzzüge hatten sie sich auf die Bekehrung der Heiden in Preußen und im Baltikum konzentriert.
Heraldik
Um die Ritter auf dem Schlachtfeld voneinander unterscheiden zu können, wurde ein System von Abzeichen entwickelt, das mit dem Begriff Heraldik bezeichnet wurde. Für jeden Adligen wurde ein eigenes Zeichen entworfen, das auf dessen Schild, Gewand, Banner und in seinem Siegel abgebildet wurde. Ein Gewand, das mit dem Zeichen des Ritters geschmückt war, wurde als Wappen bezeichnet, und dieser Terminus wurde zur Bezeichnung des Zeichens selber übernommen. Eine unabhängige Organisation, das College of Heralds, entwarf die einzelnen Wappen und garantierte so die Einmaligkeit eines jeden. Die Wappen wurden von den Herolden in speziellen Büchern, für die sie Sorge trugen, registriert.
Wappen wurden an die nachfolgenden Generationen weitergegeben und bei Eheschließungen verändert. Bestimmte Symbole waren den Königtümern in verschiedenen Ländern vorbehalten. Im Spätmittelalter wurde auch den Städten, Gilden sowie angesehenen nichtadligen Bürgern einer Stadt die Führung eines Wappens gewährt.
Auf dem Schlachtfeld trugen die Krieger Wappen, um Freund und Feind voneinander unterscheiden und einen ebenbürtigen Gegner für einen Zweikampf auswählen zu können. Anhand der Wappen fertigten die Herolde Listen der in den Kampf ziehenden Ritter an. Herolde wurden als neutrale Beobachter behandelt, die auch als Vermittler zwischen zwei Armeen dienten. So konnten sie Nachrichten zwischen den Verteidigern einer Burg oder einer Stadt und den Belagerern überbringen. Nach einer Schlacht identifizierten die Herolde die Gefallenen mittels ihrer Wappen.
Die Kreuzzüge
Pilgerfahrten zu den heiligen Stätten erfreuten sich jahrhundertelang großer Beliebtheit unter den Christen des europäischen Kontinents. Es gab bedeutende Zentren der christlichen Religion in Europa, doch von größter Bedeutung war das Heilige Land in Palästina. Der Aufstand der Seldschuken machte das Reisen nach Jerusalem und zu anderen religiösen Stätten des Nahen Ostens jedoch sehr viel gefährlicher. Die Türken konnten wenig mit den Menschen anfangen, die nicht ihrer Religion angehörten, und beendeten die bis dahin recht friedlichen Beziehungen zwischen Moslems und Christen. Zur gleichen Zeit übten die Türken erheblichen Druck auf Byzanz aus, indem sie wichtige Gebiete in Kleinasien eroberten. Daraufhin rief Papst Urban zum Kreuzzug der christlichen Krieger und zur Befreiung Palästinas von den Muselmanen auf.
Der Aufruf zum Kreuzzug rief eine spontane Begeisterung unter den europäischen Rittern hervor. Sie waren tiefgläubig, und der Papst versprach eine Belohnung im Himmel für alle, die im Dienste der Sache sterben sollten. Von ebenso großer oder sogar größerer Bedeutung war aber auch die Aussicht darauf, Land und Reichtümer in fernen Ländern zu erlangen, statt weiterhin die Privatfehden mit Verwandten und Nachbarn auszutragen.
Im Jahre 1097 hatte sich eine Armee von 30.000 Mann einschließlich vieler Pilger und Bediensteter von Konstantinopel aus auf den Weg nach Kleinasien gemacht. Ungeachtet der Fehden zwischen den Anführern und der falschen Versprechungen, die den Kreuzrittern von ihren byzantinischen Kampfgenossen gemacht worden waren, kam der Kreuzzug - wenn auch schleppend - voran. Aber auch die Türken waren nur schlecht organisiert, wenn nicht sogar schlechter. Die fränkischen Ritter und die Infanterie hatten keine Erfahrung im Kampf gegen die arabische leichte Kavallerie und ihre Bogenschützen, und umgekehrt war es ebenso. Die Ausdauer und Stärke der Ritter waren es, die nach einer Reihe von sehr knappen Entscheidungen zum endgültigen Sieg führten. Antiochia wurde 1098 durch einen Verrat eingenommen, Jerusalem 1099 in einem Sturmangriff gegen eine geschwächte Garnison erobert. Die Christen verrieten nach den beiden Siegen jedoch ihre hehren Ziele, indem sie viele der Bewohner ungeachtet ihres Alters, ihrer Religion oder ihres Geschlechts niedermetzelten. Viele der Kreuzfahrer kehrten nach Hause zurück, doch ein harter Kern blieb vor Ort, um feudale Königreiche nach europäischem Vorbild zu errichten.
Die neuen Herren über Palästina waren gegenüber der moslemischen Bevölkerung, über die sie herrschen wollten, in der Minderzahl. Daher errichteten sie Burgen und heuerten Söldnertruppen zu ihrer Unterstützung an. Die fränkische Kultur und Religion jedoch waren für die Bewohner dieser Region viel zu fremdartig, um angenommen zu werden. Aus dem Schutz ihrer Burgen heraus versuchten die Kreuzritter, den Überfällen der Araber Einhalt zu gebieten. Mehr als ein Jahrhundert lang bekämpften sie sich in einem klassischen Guerillakrieg. Die fränkischen Ritter waren stark aber langsam. Die Araber waren nicht in der Lage, den Angriffen der schweren Kavallerie standzuhalten, doch sie konnten diese einkreisen, in der Hoffnung, ihre Einheiten dadurch zu schwächen und sie anschließend in einem Hinterhalt zu überwältigen. Die Königreiche der Kreuzritter hielten sich vornehmlich an der Küste, wo die Versorgung mit Vorräten und die Verstärkung der Truppen am einfachsten war. Die ständig wiederkehrenden Überfälle der Araber und die Unzufriedenheit der Bevölkerung ließen jedoch keine wirtschaftlichen Erfolge zu.
Christliche Mönchsritterorden wurden gegründet, um für das Heilige Land zu kämpfen. Die Templerritter und Johanniter kamen vornehmlich aus Franken. Die Deutschritter waren Deutsche. Von allen Kreuzrittern waren sie am meisten gefürchtet und von wilder Entschlossenheit geprägt, doch es waren niemals genug, um die Region sicher zu machen.
Die Kreuzritterstaaten konnten eine Weile überleben, nicht zuletzt weil es ihnen gelang, Verhandlungen zu führen, Kompromisse zu schließen und die verschiedenen arabischen Gruppierungen gegeneinander auszuspielen. Es trat jedoch ein großer arabischer Führer auf, der die zahlreichen islamischen Gruppen verbündete. Saladin wurde 1174 Sultan von Ägypten und Syrien. 1187 gelang ihm in der Wüste ein großer Sieg über die Kreuzritter, und Jerusalem konnte zurückerobert werden.
Noch ein weiteres Jahrhundert lang unternahmen die Europäer zahlreiche Anstrengungen, um die Herrschaft über das Heilige Land und Jerusalem wiederherzustellen, doch waren ihre Bemühungen nur selten und dann nur von kurzem Erfolg gekrönt. Acht weitere Kreuzzüge folgten, und bei den meisten kamen die Einheiten kaum darüber hinaus, an Land zu gehen, ein wenig ins Landesinnere vorzudringen, um dann wieder zurückgestoßen zu werden. Der Vierte Kreuzzug erreichte Palästina nicht einmal. Stattdessen wurde unter der Führung des Dogen von Venedig Konstantinopel geplündert, ein Schlag, von dem sich Byzanz nie wieder erholen sollte. Einer der grausamsten Kreuzzüge war ein Kinder-Kreuzzug, zu dem im Jahre 1212 aufgerufen wurde. Mehrere tausend europäische Kinder kamen bis nach Alexandria in Ägypten, wo sie als Sklaven verkauft wurden.
Das Vermächtnis der Kreuzzüge bestand in einer neuen Feindschaft zwischen Christen und Moslems, einem Verfall des Feudalsystems und der Konfrontation mit neuen Kulturen. Der Feudalismus ging zugrunde, weil viele Lehnsherren Bankrott gingen und ihre Ländereien ihren Königen überlassen mussten. Viele Leibeigene wurden zu Kreuzfahrern und kehrten niemals zurück. Neue Wörter, wie das englische Wort für Baumwolle "cotton", Musselin, Diwan und Basar, drangen in die europäischen Sprachen ein. Die Europäer brachten neue Stoffe, Lebensmittel und Gewürze mit nach Hause. Die Nachfrage nach diesen neuen Waren ließ den Handel florieren und trug zum Aufstieg der italienischen Handelsstädte, insbesondere von Genua und Venedig bei. Diese Nachfrage war ebenso der Anstoß für das große Zeitalter der Entdeckungen, das im 14. Jahrhundert begann. Die mitgebrachten Kostbarkeiten führten zu einer Vermehrung der inländischen Geldmengen und trugen damit zum wirtschaftlichen Wachstum bei.
Technologie
Bis zum späten Mittelalter hatte die europäische Wissenschaft die Antike nicht nur eingeholt, sondern sie bereits überholt. Die Menschen interessierten sich mehr für die praktische Seite der Technologie und weniger für die theoretische. Sie suchten nach neuen Wegen, sowohl um ihr Leben bequemer zu gestalten, als auch um Fortschritte in der Wirtschaft zu erzielen. Da sie mehr Freizeit und somit mehr Zeit zum Nachdenken hatten, wollten sie die Natur verstehen lernen.
Das mathematische und wissenschaftliche Grundwissen wurde von den auf der Iberischen Halbinsel und in Sizilien lebenden Arabern erworben, als die Christen diese Gebiete zurückeroberten. Seit dem frühen Mittelalter hatten sich die Araber intensiv mit der Antike und den neuen, aus Asien kommenden Ideen beschäftigt. Von den Arabern wurden sowohl die heute noch verwendeten arabischen Ziffern als auch die aus Indien stammende Vorstellung einer Zahl Null überliefert.
In dem Bestreben die Naturgesetze zu verstehen, begannen die Menschen mit praktischen Experimenten, durch die sie Gesetze der Logik verstehen lernen wollten. Beobachtung, Experimente und empirische (zählbare) Untersuchungen wurden als Möglichkeiten erkannt, um Theorien zu untermauern und zu beweisen. Daraus entwickelte sich die wissenschaftliche Methode der späteren Renaissance, die die Grundlage der modernen, wissenschaftlichen Forschungsarbeit bildet. Schon die antiken Griechen hatten diese wissenschaftliche Methode entworfen, aber sie fiel in Ungnade und geriet in Vergessenheit.
Das späte Mittelalter
Die Dunkle Zeit war von einem ganz Europa erfassenden Chaos und der Ablösung der bis dahin vorherrschenden römischen Kultur durch die Kultur der germanischen Stämme geprägt. 500 Jahre lang hatte Europa immer wieder unter Invasionen und Kriegen zu leiden. Das Leben eines durchschnittlichen Bauern war jedoch nur wenig davon betroffen. Gesellschaftliche Stabilität und Kultur erholten sich allmählich, wenngleich mit neuem Gesicht. Etwa um das Jahr 1.000 begründeten die Europäer eine neue mittelalterliche Kultur, die die Antike in beinahe jeder Hinsicht hinter sich ließ.
Das Aufkommen des Schießpulvers
Den Chinesen war das Schießpulver bereits im 11. Jahrhundert bekannt. Sie setzten es in begrenztem Maße zu militärischen Zwecken ein, indem sie es als Sprengstoff für Raketen nutzten. Diese Raketen dienten jedoch mehr der Abschreckung denn als wirkungsvolle Schusswaffen. Auch mit Feuerwerkskörpern experimentierten die Chinesen, doch das Potential des Schießpulvers als Sprengstoff oder Auslöser für Schusswaffen erkannten sie noch nicht.
Im Laufe der Zeit fand das Schießpulver den Weg in den Westen, wo die Europäer weitaus zerstörerischere Einsatzmöglichkeiten entdeckten. Das älteste, noch erhaltene europäische Kunstwerk, das eine Schusswaffe darstellt, stammt aus dem Jahr 1326. Die dort abgebildete primitive Kanone wurde nicht mit einer Kanonenkugel, sondern mit einer Art Speer geladen. Die Europäer hatten im vorangegangenen halben Jahrhundert mit Schießpulver experimentiert. Die älteste, noch erhaltene Formel für die Herstellung von Schießpulver ist aus dem Jahre 1260 überliefert und wird einem englischen Mönch namens Roger Bacon zugeschrieben. Bis 1340 wurden Kanonenkugeln aus Blei, Eisen und Stein verwendet. Zwar hatten die Engländer in der Schlacht von Crécy im Jahre 1346 Kanonen im Einsatz, doch ihre Wirksamkeit wird in den Schlachtberichten mit keinem Wort erwähnt.
Kanonen
Bevor Waffen mit Schießpulver sinnvoll eingesetzt werden konnten, waren einige Jahrhunderte des Experimentierens vergangen. Ein Problem bestand darin, ein Schießpulver herzustellen, das schnell, gleichmäßig und kraftvoll zündete. Eine andere Schwierigkeit war, Kanonen so zu fertigen, dass sie dem Druck der Zündung standhielten und nicht zerbarsten. Die Fertigungstechniken waren lange Zeit nicht richtig ausgereift, so dass es beinahe ebenso gefährlich war, eine der damaligen Kanonen zu zünden, wie von ihr getroffen zu werden. König James II. von Schottland, zum Beispiel, wurde im Jahre 1460 von einer explodierenden Kanone getötet.
Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts hatte die Technologie der Kanonen und des Schießpulvers derartige Fortschritte gemacht, dass ihre Bedeutung als gefährliche Waffen anerkannt wurde. Deutlich wurde dies im Jahre 1453, als von großen Belagerungsgeschossen massive Kanonenkugeln aus Stein auf die Mauern Konstantinopels abgefeuert wurden. Auch wenn der Fall Konstantinopels durch ein kleines, offen gelassenes Tor ausgelöst worden ist, so hätte auch die weitere Bombardierung letztendlich einen direkten Angriff ermöglicht.
Im Mittelalter wurden Kanonen einerseits bei Belagerungen eingesetzt, um Mauern zu Fall zu bringen, andererseits auf dem Schlachtfeld, um in die massierten Reihen des Feindes zu feuern. Die Erfahrung, dass senkrecht gebaute Mauern leicht von Kanonen durchschlagen werden konnten, führte zu einer Reihe von Weiterentwicklungen im Burgenbau. Die hohen und senkrechten Mauern wurden durch niedrige, geneigte Mauern ersetzt. Aufgrund des immensen Gewichtes und der schlechten Beweglichkeit war der Einsatz von Kanonen auf dem Schlachtfeld seinerzeit jedoch noch stark eingeschränkt.
Handfeuerwaffen
Zeichnungen von Handfeuerwaffen erschienen um 1350. Es handelte sich dabei um primitive Waffen, die aus einem Hohlrohr bestanden, das an einem Ende mit einer Art Pfropfen verschlossen war. In der Nähe des verschlossenen Endes befand sich seitlich ein Loch zur Zündung des Pulvers. Eine langsame zündende Lunte (eine langsam brennende Schnur) wurde in das Zündloch gesteckt, um die Kugel, die zuvor in den Lauf geladen worden war, abzufeuern. Mit den frühen Handfeuerwaffen konnte noch nicht richtig gezielt werden. Sie waren nur wirksam, wenn sie von vielen Männern in Salven auf großflächige Ziele abgefeuert wurden. Bis 1450 hatten sich Handfeuerwaffen in fast allen modernen europäischen Heeren durchgesetzt. Jedoch blieben bis ins 16. Jahrhundert auch Bögen und Armbrüste weiterhin im Einsatz der Infanterie, da sie nach wie vor sehr effektiv und weniger kostspielig waren.
Die Renaissance
Beginnend im 14. Jahrhundert in Italien erlebte Europa einen mehr als 400 Jahre andauernden allmählichen Übergang von der mittelalterlichen zur neuzeitlichen Epoche, der heute mit dem Begriff Renaissance bezeichnet wird, gleich bedeutend mit "Wiedergeburt" oder "Wiederbelebung". Mit Renaissance wird eine unklare Vorstellung umschrieben, für die weder ein konkreter Anfang noch ein klares Ende festzulegen ist. Kennzeichnend sind jedoch eine völlige Abkehr von der Barbarei der Dunklen Zeit und Weiterentwicklungen in allen Bereichen, die die Errungenschaften der großen antiken Kulturen hinter sich lassen.
Viele verschiedene Faktoren des Mittelalters trugen zu dieser Wiedergeburt und diesen Entwicklungen bei. Einer davon war das wiedererwachte Interesse an Bildung. 1264 wurde das erste College an der Universität zu Oxford gegründet. Um 1400 gab es bereits mehr als 50 Universitäten in Europa. Studium und Diskussion wurden durch den Zugang zu antiken Texten angeregt, die von den Arabern aufbewahrt und neu ins Lateinische übersetzt worden waren. Die Europäer waren im Heiligen Land, in Sizilien und Spanien auf die Araber getroffen. Die wiederentdeckten Werke des altgriechischen Mathematikers Euklid z. B. wurden zur Grundlage für den Unterricht in der Mathematik bis ins 19. Jahrhundert hinein. Von den Arabern wurde außerdem ein neues Ziffernsystem sowie die Vorstellung von einem Dezimalkomma und der Zahl Null übernommen, was seinen Ursprung in Indien hatte. Durch die Erfindung der Druckpresse um 1450 fand das Wissen noch schnellere Verbereitung.
Ein weiterer Faktor war der wachsende Lebensstandard, vor allem in den großen Handelsstädten Italiens. Die Kreuzzüge hatten den Blick der Europäer auf den Reichtum des Ostens gelenkt, besonders auf Seide, Gewürze und Baumwolle. Die Kaufleute aus Venedig, Genua, Florenz und anderen Städten nahmen die führende Stellung im Handel zwischen Europa und dem östlichen Mittelmeerraum ein. Mit den Überschüssen aus ihren Geschäften begannen die Kaufleute, ihre Häuser und Städte mit Kunst zu verschönern. Bildhauerei, Malerei, Architektur, Musik, Dichtkunst und Literatur fanden eine neue Ausdrucksweise und spiegelten ein neues Interesse an Dingen wider, die über die religiösen Themen, die das Mittelalter beherrscht hatten, hinausgingen. Beliebt waren Darstellungen des alltäglichen Lebens, von Romanzen und Abenteuern. Sie machten deutlich, dass die europäische Kultur zunehmend humanistisch wurde und sich weniger auf die Religion konzentrierte.
Die "Wiederbelebung" war nicht zuletzt auch auf die Fortschritte in der Technik zurückzuführen, die zu einer Steigerung der Warenproduktion und verbesserten Dienstleistungen führte. Produktion, Landwirtschaft und Handel entwickelten sich weiter und ließen die Antike weit hinter sich. Das Streben nach Gewinn beflügelte Erfindungsreichtum, Entdeckungen und Erkundungen. Eine neue Mittelschicht von Kaufleuten und Handwerkern gewann entsprechend ihrer wirtschaftlichen Macht auch an politischem Einfluss, während im Gegenzug die Machtstellung des Adels bröckelte.
Um 1500 herum waren die europäischen Staaten Vorreiter in vielen wichtigen Bereichen der Technik. Durch die Erkundung der Welt, die Suche nach neuen Handelswegen, die Protestantische Reformation und den ständigen politischen Wettbewerb unter den europäischen Staaten wurden Kräfte freigesetzt, die Europa innerhalb weniger Jahrhunderte zur führenden Region in der Welt werden ließ.